Full text: St. Ingberter Anzeiger

dem Einbruch. Ich ward ertappt, zu fünfjäh— 
rizer Gefangnißstrafe verurtheilt, und ent⸗ 
iprang. Inzwischen waren zwei Jahre ver 
gdangen, wohl wissend, daß meines Bleibens 
in Amerika nicht war, schiffte ich mich auf 
dem ersten Dampfböoote nach Europa ein.“ 
„Woher nahmt Ihr die Miitel zur Be— 
streitunz der Ueberfahrtskosten ?“ fragte der 
Adbodat. 
„Wir haben immer gute Freunde, ein 
Bekannter stredte mir die kleine Summe vor. 
Mein Plan war, hierher; zu reisen, mit dem 
Rentner das Nähere zu verabreden, von ihm 
Vorschuß zu fordern und dann unter falschem 
Namen nach Amerika zurückzukehren. Aber 
wie erstaunte ich, als ich auf dem Schiffe 
denjenigen fand, den ich bewachen sollte! Er 
hatie sich gleichzeiig mit mir nach Europa 
eingeschifft, und jetzt galt es, rasch zu handeln. 
Krämer kannte mich nicht mehr, und ich hü⸗ 
tete mich, ihm öfter vor die Hugen zu treten, 
als nöthig war. Ju London angekommen, 
schrieb ich augenblicklich an den Rentner und 
bat um nähere Instruktion. Krämer hielt sich 
einige Tage in London auf, ich beobachtete 
ihn unausgesetzt. Einen Brief, den er dem 
Kellner zur Besorgung übergab, wußte ich an 
mich zu bringen. In demselben ward Schulz 
benachrichtigt, daß sein Herr an einem be— 
timmten Tage Abends einzutreffen gedenke. 
Jetzt wußte ich genug, ich reiste nach Havre 
und fand dort meine Instruktion. Der Rent⸗ 
ner war in Verzweiflung, ich müsse mich um 
jeden Preis des Dokuments bemächtigen und 
die Rückkehr Krämers verhindern, gleichviel, 
durch welches Mittel, schrieb er. Hundert 
Louisd'or seien mein, wenn ich diesen Auftrag 
pollzogen habe. Hundert Louisd'or sind für 
unsereins eine Bagatelle, aber doch immer 
mitzunedmen, ich reiste augenblicklich nach 
D. ab und erwartete meinen Mann. An dem 
bezeichneten Tage traf er ein. Ich hatte be⸗ 
reits in Havre ein Pistol gekauft, trotzdem ich 
meinen Revolver bei mir trug. Ich versteckte 
mich auf dem Wege zu jenem Vorfe hinter 
einem Strauch. Die Inmed ame war 
ziemlich spät erfolgt, ich vertraute aber darauf, 
daß er noch an demselben Abend D. ver⸗ 
lassen werde. — 
Er kam,, ungefähr. eine Stun— 
dor 
Mitternacht, ich streckte ihn durch einen Schuß 
nieder, beraubte ihn seiner Uhr und Papiere 
und legte das Pistol neben ihn, um das Ge— 
richt auf falsche Fährte zu locken. Da fiel mir 
ein Messer in die Hand, welches mein Opfer 
in der Tasche trug, ich las auf dem Heft 
den Namen „Konrad Schusz.“ »Fand man 
dies neben der Leiche, so mußte der Verdacht 
nuf jenen Mann fallen, dessen Namen das 
Messer trug. Ich lente es neben den Tod ken 
auf den Rasen und entfernte mich. Am näch⸗ 
ten Morgen ssattete ich dem Rentner einen 
Besuch ab. Er erfchrack über meinen Bericht, 
'aßte sich aber bald, als ich hinznfügte, welche 
Vorsichtsmaßregeln ich getroffen hatte. Unter 
den Papieren fand ich das Dokument nicht, 
und der Rentner nahm dies als Vorwnand, 
mir den versp ochenern Loha vorzuenthaiten. 
Erst müsse ich das Dokument schaffen, dann 
önne ich über die hundert Louisd'or ver⸗ 
ügen. Noch an demselden Tage erfuhren 
vir, daß Schulz jenes Dokument besaß. Ich 
vollte nochmals einen Einbruch versuchen, um 
nich desselben zn bemächtigen, aber der Rent⸗ 
ner rieth mir davon ab. Er meinte, dadurch 
önne auf ihn Verdacht fallen, es sei besser, 
vir warteten eine günstige Gelegenheit ge— 
»uldig ab. Ich lernte inzwischen die Tochter 
rämers kennen und in meinem Herzen ent⸗ 
»rannte eine heftige Neigung zu dem Mäd— 
dhen, welche mit jedem Tage wuchs. Da faßte 
ich den Eutschluß, das Mädchen mit mir nach 
Amerika zu nehmen.“ 
„Fürwahr, ein sehr abenteuerlicher Plan!“ 
schaltete der Advokat ein. 
„Nicht so abenteuerlich, als es den An⸗ 
schein hat. Jene Hütte in der Haide, in wel⸗ 
her ich verhaftet wurde, war mir bekannt, 
auf meinen Streifzügen durch die Umgegend 
jatte ich sie gefunden. Dorthin wollte ich 
das Mädchei bringen, das Haus lag einsam, 
die vergitterten Feuster und die eisenbeschlagene 
Thür paßten ganz zu meinem Zweck. Daß 
Mathilde sich sträuben werde, mußte ich vor— 
aussetzen, deßhalb entwarf ich den Plan, sie 
als meine Gefangene nach Bremen zu trans⸗ 
portiren, einmal dort, fiel es mir nicht schwer, 
nich mit ihr einzuschiffen. Ich wußte mir 
einen Paß zu verschaffen.“ —