mag zusehen, wie er der Strafe entgeht, so⸗
bald ich meinen Zweck erreicht habe, lasse ich
den Schleier fallen, der das Dunkel noch
verhüllt, und dann mögen die Dinge ihren
Lauf nehmen, wie sie wollen, ich kümmere
mich nicht weiter um sie.“
10. Kapitel.
Zu derselhen Stunde, in welcher der Ad⸗
bvokat in der Zelle des Verbrechers seß, staud
Helldau vor seinem Herrn, welcher die Ent⸗
wendung des Dokuments entdeckt hatte und
seine Wuth darüber an dem Buchhalter
ausließ.
„Ihr waret gestern Morgen hier im
Zimmer, als ich dasselbe verließ,“ sagte er,
„warum gabt Ihr den Zimmerschlüssel nicht
dem Wirth selbst? Euerer Nachlässigkeit habe
ich diesen Verlust zu perdanken, einen Verlust
der unberechenbare Folgen haben kann.“
Helldau zuckte schweigend die Achseln, er
wollte lieber den Vorwurf der Nachlässigkeit
auf sich ruhen lassen, als fich durch eine
Vertheidigung mit seinem Herrn überwerfen.
Eingedenk des Versprechens, welches er der
Wittwe gegeber hatte, drängte er den
innern Groll zurück, so schwer es ihm auch
wurde.
„Ihr werdet mir das Papier wieder
schaffen,“ schloß der Rentner seine Strafpre⸗
digt, „glaubt Ihr, ich habe es mich hundert
Louisd'or kosten lassen, um es durch Eure
Nachlässigleit wieder zu verlieren ?“
„Wer die Tochter entführt hat, wird sich
auch wohl des Papiers erbarmt haben,“ warf
der Buchhalter ein, „wer anders als er konnte
wissen, daß Sie es besaßen. wem, außer
jenem, konnte an dem Besit desselben so
piel liegen ?
Krämer schaute sinnend auf die Straße.
Die Erinnerung an jenen Menschen machte
ihn erbeben, er wußte, der Amerikaner war
verhaftet, was dann, wenn dieser ihn als
seinen Mitschuldigen bezeichnete ? Der Reutner
fühylte, wie seine Knie wankten, er sah zwei
Gensd'armen über die Straße kommen; waren
sie geschictt um ihn zu verhaften ? Nein, sie
gugm vorüber, aber muß!e er nicht jeden
ugenhlick seine Verhaftung gewärtigen ? —
Wer hatte das Gericht auf den Amerikaner
aufmerksam gemacht?
Kraämer wußte auf diese Frage keine
Antwort zu finden. Der Denunziant konnte
auch seine Mitschuld kennen, er konnte ihn
heute noch der Polizei verrathen, und dann?
Wer nahm sich dann seiner Tochter an?
Nicht nur seine Ehre, auch die Ehre und
das Glück Mathildens war gefährdet.
„Wenn ich Ihnen einen Rath geben darf,
sehen Sie sich nach einem Schwiegersohn um,“
hob der Buchhalter wieder an, indem er die
Züge seines Herrn scharf und unverwandt
beobachtete.
„Weshalb 759 fuhr der Rentner, aus sei⸗
nem Sinnen geweckt, barsch auf. „Glaubt
Ihr, meine Tochter sei in meinem Hause nicht
mehr sicher ? In welchem Sinne soll ich Eure
Worte deuten? Noch kann man mir nichts
beweisen, wartet also ruhig ab, bis es so
weit gekommen ist. Eines Rathes bedarf ich
nicht, ich muß selbst wissen, was ich zu thun
und zu lassen habe.“
„Je nun, ich meine es gut,“ begütigte
Helidau, „Mathilde kedarf des Schutzes, ein
Gatte wird ihr solchen besser angedeihen lafsen
können, als der Vater.“
„Wirklich?“ spottete Krämer. „Wenn
Eure Weisheit das herausgeklügelt hat, dann,
ich zweifle nicht daran, wird sie auch bereits
einen passenden Schwiegersohn gesucht und
gefunden haben. Wen also habt Ihr mir
borzuschlagen.“
„Ich?“ versetzte Helldau betroffen, der
auf eine solche Wendung nicht vorbereitet
war. — „Na, wenn das Eis einmal gebrochen
ist, so mag es drum sein,“ fuhr er gefaßt
fort, „geben Sie Ihre Tochter dem jungen
Faufmann Ernst Heller. Ich weiß, die beiden
jungen Veute lieben sich, er ist ein thätiger
talentvoller Mann und —“
„Mensch, wiederhole die Worte nicht noch
einmal,“ rief der Rentner zornig, „oder bei
Gott, ich vergesse mich!“ Er stand mit stolz
erhobenem Haupt und flammenden Blicken
vor dem Buchhalter, der unwillkührlich einen
Schritt zurücktrat. „Mathilde liebt ihn, sagst
Du? Eine Lüge ist es, eine Lüge, die an
Bosheit ihres Gleichen sucht. — Ich durch⸗
schaue Deinen Plan, Du liegst mit jenem
Herrn von Habenichts unter einer Dece und
willst Dir einen Kuppelpelz verdienen!! Glück