Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungsblatt 
St. Ingberter Aunzeiger. 
— Sonntag, den 15. Oetober 
1871. 
A 
Novelle 
⸗»on Ewald August König. 
erfreut. „er wird freiwillig mir das Engage⸗ 
ment anbieten, wenn Sie die Güte haben 
wolslen, ihn auf mich aufmerlsam zu machen.“ 
Er ging unverzüglich zu einem reichen 
Pfandleiher, den er persönlich kannte, und es 
zelang ihm, diesen für das Geschäft zu ge⸗ 
vinnen. Der Advolat schrieb im Ramen sei⸗ 
nes Freundes die Quittung, und deponirte 
das Dokument bei einem Bankhause. 
Die Vollmacht, deren der Doktor Schacht 
bedurfte, um in dieser Angelegenheit eigen⸗ 
mächtig handeln zu können, hatte Ernst, ohne 
ju wissen, warum es sich handele, unterschrie⸗ 
den, und bei dieser Gelegenheit den Ramen 
des Städtchens genannt, in welchem er seinen 
Wohnsitz zu nehmen beschloß. 
Helldau machte sich jetzt viel in der 
Wohnung seines Prinzipals zu schaffen, ob⸗ 
gleich dieser ihn nicht beschäftigen kounte und 
u wiederholten Malen ihm bemerkle, daß serne 
Anwesenheit ihm läsiig sei, wich der alte Marn 
nicht, entweder er hatte für Mathilde einen 
Uusgang zu besorgen, oder den Rentner in 
rgend einer Angelegenheit um Rath zu fra 
zjen, kurz, Krämer war, ohne es zu ahnen, 
o genau uud unausgesetzt beobachtet, wie der 
Udvokat das nur münschen konnte. 
Aber der Rentner dachte nicht an einen 
Fluchtversuch, er wußte, daß der Jurist Wort 
sielt und ihm unverzüglich durch den Tele— 
zraphen einen Steckbrief nachsandie, noch ehe 
er die nächste Station erreicht hatte. Sein 
Plan stand fest; er wollte gleich nach der 
dochzeit mit seinem ganzen Veruögen sich 
uus dem Staube machen und dem hungen 
fhepaar das Nachsehen lassen. Seitdem Ma⸗ 
(Fortsetzung.) 
„Ja, ja, er ist schlau, schlau und verwe⸗ 
gen,“ erwiderte der Buchhalter leise; „ich 
habe das schon oft erfahren.“ 
„Deshalb muß man ihn beobachten, hören 
Sie, scharf beobachten. Was Sie in dieser 
Angelegenheit thun, thun Sie in Ihrem eigenen 
Interesse.“ 
Helldau erklärte sich zu allem bereit. 
„Noch Eins,“ fuhr der Advolat fort, 
indem er einen Alt von seinem Schreibtische 
nahm. „Hier ist das Dokument, welches Sie 
dem Rentner entrissen, im nächsten Jahre 
wird Ernst mündig, er kann alsdann über 
das ihm in diesem Akt gesicherte Vermögen 
pon ungefähr sechs und dreißigtausend Tha⸗ 
lern verfügen. Ich werde sorgen, daß dieses 
Vermögen sicher gestellt wird, glauben Sie, 
daß ein Kapitalist auf diesen Alkt zwanzig⸗ 
tausend Thaler vorstrecken wird ?“ 
„Ich kenne mehrere, die zu 6 Piozent 
das Geschäft gerne machen würden.“ 
Wohlan, so suchen Sie die Summe zu 
erhalten; sobald Ernst sich entschlossen hat, 
in welcher Stadt er wohnen will, kaufe ich 
dort ein hübsches Häuschen für ihn und stelle 
den Rest des Geldes zu freier Verfügung, 
anter der Bedingung, daß er Sie als ersten 
Buchhalter engagirt.“ 
„Keine Bedingung,“ bat Helldau sichtlich