Full text: St. Ingberter Anzeiger

Anterhaltungsblatt 
St. Ingberter Anzeiger. 
7.* — 
Ein böses Gewissen.“ 
Novelle 
von Ewald August König. 
sobald Sie uns die Mittel zur Ueberfahrt 
nach Amerika und außerdem jedem von uns 
beiden fünftausend Thaler eingehändigt haben.“ 
„Eure Ansprüche sind sehr bescheiden,“ 
versetzte Kraämer höhnisch, „mich wundert's, 
daß es bei dieser Forderung bleibt“ J 
„Der Gefangene sagte mir, Sie würden 
gerne die Summe hergeben,“ meinte der 
Schließer achselzuckend, „es seit doch immer 
besser, den zwanzigsten oder dreißigsten Theil 
seines Vermögens einzubüßen, als den Hals 
auf den Block legen zu müssen,“ deshalb 
'olle ich meine Forderung nur harmäckig be⸗ 
haupten.“ 
„Behauptet sie, so lange Ihr wollt, ich 
jahle das Geld nicht!“ rief der Rentner auf⸗ 
zrausend. „Glaubt der Hallunke, ich sei eine 
Fitrone, die er bis auf den letzten Tropfen 
zuspressen könne? Scheert Euch hinaus, 
cheert Euch zu allen Teufeln und sagt Eurem 
aubern Kumpan, er solle sich nur nicht der 
doffnung hingeben, daß ich solchen! unper— 
schämten Ausprüchen genügen werde!“ 
„In diesem Falle ist er entschlossen, noch 
heute Abeud den Instruktionsrichter rufen zu 
assen.“ 
Der Rentner würdigte den Schließer kei⸗ 
ner Antwort- er trat in die Nebenstube und 
warf die Thür hinter sich zu. 
„uUnd gäbe ich auch Alles her, gr'ffe ich 
zuch zum Bettelstabe, vor Dir fände ich doch 
cine Ruhe, Du böser Dämon, der mir im 
Wachen und Träumen das blutige Antlitz des 
Jemordeten Bruders vorhält,“ murmel v 
x, „nur Eins kann uns belde trennen. 
der Tod!“. . 
(Schluß.) 
„Ich bin Schließer im Gefägnisse,“ sagte 
der Eintretende, „lesen Sie diesen Wisch und 
fertigen Sie mich rasch ab, denn meine Augen⸗ 
blicke find gezählt. “— 
Die Hand, wielche das Biliet öffnete, 
zitterte fleberhaft, es enthielt nur die wenigen 
Zeilen: 
Länger halte ich's in diresem verfluchten 
Loch nicht aus, in allen Ecken lauern bleiche 
Gestalten, die mich ängstigen und nicht von 
mir lassen. Tag und Nacht habe ich keine 
Ruhe, brennender Durst quält mich, ich werde 
wahnsinnig, »wenn ich länger bleiben muß. 
Deßhalb sage ich: Ihnen, halten Sie Joͤr 
Versprechen, meine Geduld ist zu Ende? Werde 
ich nicht noch in dieser Nacht frei, verlange 
ich morgen, vor den Untersuchungsrichter ge⸗ 
führt zu werden!“ 
agIst der Mensch toll?“ rief der Rentner 
entsetzt, „er soll warten, ich muß Zeit dazu 
haben. — Kennen Sie den Inhalt des 
Briefes?“ 
„Allerdings!“ erwiderte der Schließer. 
Der Gefangene hat mit mir darüber gespro— 
chen, und wenn Sie wollen, kann die Ange⸗ 
legenheit sofort geordnet werden.“ 8 
,Wenn ich will ? drückt Euch etwas deut⸗ 
licher aus.“ — 
,Der Gefangene wird den Kerker verlassen,