er verdirbt uns das Kind mit seiner Gefühls⸗
Pedunterie. Laß uns das Uebel mit der
Wurzel ausrotten und —“
„Schon gut, schon gut, meine Theure!“
unterbrach ihr Gemahl sie ruhiz; „wir wollen
auns die Sache später überlegen. Für's Erste
haben wir vor allen Dingen an unsere Trauer
zu denken. Komm, mein Sohn, Herr Hart⸗
muth ird Dich erwarten.“
Er führte den Knaben“ mit üuffälliget
Zärtlichkeit nach der Thür und hlickte ihm
eine Weile gedankenvoll nach. Sein vom starr⸗
sten Egoismus verknöchertes Herz zerschmolz
in Liebe gegen dieses Kind, in ihm verkör⸗
perte sich die Zukunft des Hausggs.
„Du bist hart gegen das Kind, wie
gegen Herrn Hartmuth, meine Liebe!“ begann
er, zu fseiner Gemahlin zurückkehrend.
Wie Du zu schwach gegen Beide,“ ver⸗
setzte die Dame mit schneidendem Hohne, „ich
degreife Dich nicht, Du laborirst doch wahr⸗
lich nicht an Gefühlsschwärmerei. Der Knabe
schlägt aus der Art, niemals wird er im
Stande sein, der Chef einer großen Fabrilk
zu werden; das Gefühl versteht sich schlecht
auf's Rechnen c
Du magft Recht haben, Amalia!“ sprach
der Commerzienrath nachdenkend; „es wäre
allerdings sehr schlinmm, würde sich dicser
Fehler mehr ausbilden, doch fürchte ich es
nicht, dergleichen gibt sich fspäter. Mag er um
seine Großmutter trauern, wer will ihn deß⸗
halb tadeln, — in wenigen Tagen hat er sie
vbergessen. Und was Hartmuth anbetrifft, so
thut es mir leid, Deinen Wunsch nicht erfüllen
zu können; der Mann ist ganz nach meiner
Beschmacksrichtung.“
Er grüßte freundlich mit der Hand und
perließ das Zimmer.
Die stolze Dame schaute ibm spöttisch
aach, vann stützte sie nachdenkend das Haupt
und flüsterte: „Sollte er Verdacht hegen7
— Hm— ich kenne meine Stärke und werde
bald alle Hülfstruppen in's Gefecht führen,
um diesen Pedanten zu verjagen; das stind
soll fort in die Pension, ich hasse solche
Spione und wäre es mein eigen Fleisch
and Blut!“ —
Ihre grauen Augen blitzten undeimlich bef
diesen entsetzlichen Worten. Was galt ihr das
eigene Kind, wenn es ihrer Leiden schaft im
Wege stand * Die stolze Dame war ein echtes
Product des Materialismus, ein Kind ihrer
Zeit, zur Eitelleit und zum Genusse er⸗
zogen.
Mittlerweile begab sich der Fabrikherr nach
dem Zimmer des Erziehers, Herrn Theodor
Hartmuth, in welchem wir den Freund des
unglücklichen Ferdinand Steinhöfer erkennen,
dessen Bekanntschaft der Leser ebenfalls am
Anfang unstrer Erzählung gemacht... —
Der sanfte Eginhard weinte unaufhörlich
um die gute Großmama und mochte nichts
von Trost hören, sondern verlangte mit unge—
vöhnlicher Heftigkeit, die Tode zu sehen.
„Gewähren wir den Wunsch,“ meinte
der Lehrer, als er den Vater davon in Kennt⸗
niß gesetzt.
„Nein, nein, um keinen Preis, das dulde
ich nicht,“ rief letzterer erschreckt, „es könnte
ible Fvolgen für seine Gesundheit haben. Er
joll sie zum Grabe geleiten, mehr darf ich
nicht gestatten.“
Geh' in den Garien, ich komme sogleich,
um die Eisbahn zu untersuchen, — Franz
joll Dir den Schlitten geben.“ Der Knabe
iieß sich mechanisch in weiche Pelze hüllen und
zehorchte langsam.
„Sie haben mir irgend eine Mittheilung
zu machen, Herr Commerzienrath!“ sprach
Hhartmuth jetzt mit seltener Sicherheit.
Der reiche Mann fuhr erschreckt zu—
fammen.
„Sie find ein merkwürdiger Mensch, mein
Freund,“ versetzte er zögernd. „können Sie
denn Gedanken errathen? Dann wären Sie
allerdings gefährlich; doch ohne Scherz, ihr
bestimmtes Wesen gefällt mir, nur wünschte
ich, wie ich auch bei Ihrem Engagement ge⸗
hofft, in dieser Hinsicht etwas mehr Einftuß
auf Ihren Zögling; Eginhard ist zu weich.
ju vi Gefühl, mit einem Wort, etwas we⸗
niger demokratisches Gefühl wäre anzuempfeh—
en. Nun, davon später. Sie waren so ge⸗
ällig, mir von Zeit zu Zeit eine Nachricht
Aber einen weitläufigen Verwandten, welcher
allerdings meinen Namen führt, zu geben.
Ferdinand Steinhöfer wohnte in Ihrem Ge⸗
hurtsorte —“