Full text: St. Ingberter Anzeiger

ihm jeht das größte Heiligthum zu sein, — 
er hätte den Schlüssel in der That mit sei⸗ 
nem Leben vertheidigt. — 
—RD— 6 
buKapitel. it 
Es war aus Morgen und Abend wie⸗ 
derum ein Tag, doch kein Hartmuth ließ sich 
sehen.“ Der Commerzienrath war ftüh am 
nächsten Morgen verreist, bevor Eginhard aufe 
gestanden. Der Diener: händigte ihm ein ver⸗ 
fiegeltes Papier ein; Gedulde Dich einige 
Tage, mein Sohn, bis ich zurückgekehrt din, — 
dann sollst Du zufrieden soein.“ 
.. So' waren acht Tage verflossen, der Va⸗ 
—X 
ver zehrte sich in qualvoller Ungeduld.“ Da 
empfing er einen Brief von ihm durch die 
Posi mit der freudigen Anzeige.“ sogleich ab⸗ 
zureisen und zu ihm zu eilen; Hartmuth er⸗ 
warte ihn. Er sei frei, könne aber nicht zu 
ihm zurückkehren. J 
Das werden wir sehen !“ murmelte er 
und reiste in Begleitung eines Dieners mit 
Ertrapost fort. Die Mutter zeigte eine außer⸗ 
ordentliche Fürsorge, welche den klugen Knaben 
hätte stuzig machen müssen. Doch war er zu 
sehr von dem Gedanken an den geliebten Freund 
erfüllt, auch zu arglos, um solche Betrach- 
wngen anzustellen. 1 
Die Reise währte länger, als et geglaubt; 
8 wurde Racht,“ als sie eudlich vor enem 
einen, einfachen, ländlichen Gebäude hiel⸗ 
jen. Sie befanden sich in einem Ge 
birgsdorfe. 
Dag Pfarrhaus nahm den Knaben auf, 
er war üherlistet und gefangen, wie seir 
Freund. — 
Als der Vater in dem eigenen Sohne 
einen gefährlichen Feind erkannt, verstummte 
die Liebe, — er mußte sich vor ihm schützen, 
ihn für's Erste unschädlich machen. 
Der Pfarrer Schoͤnlein, ein sehr gelehrtert 
aber auch wektlluger Mann, war fortan sein 
Erzieher und, wenn Eginhard es wünschte 
und wollte, auch sein Freund. 
Der Pfarrer sollte die schliumen Grund⸗ 
sätze des früheren Lehrers in seinem Schüler 
durch Frömmigkeit und strenge Zucht zu tilgen 
uchen; das war die ihm vom Vater gewor⸗ 
dene · Aufgabe, und Pfarrer Schönlein war just 
der rechte Mann dazu. 6 
Durch Eginhard's junge Brust zog es 
wie ein Eishauch, welcher alle Blüthen der 
Liebe und des Vertrauens im steime zu er⸗ 
icken drohte. eee u, 
Verrathen wie sein, Freund — verrathen 
vom eigenen Vater, der ihn mit heuchlerischer 
Freundlichteit in diese Falle gelokdl. 5 
Der arme Knabe konnte nicht weinen, er 
war auch zu stolz, dem Pfarrer sein Herz zu 
zeigen. Als ex jedoch sein kleines Zimmer be⸗ 
srat, da brach er boffnungslos zusammen und 
weinte bitterlich. i J 
Und sein Geheimniß im Bücherschranke! — 
Er packte den kleinen Schlüssel, welchen er an 
einer Schnur auf der Brust tiug, mit krampf⸗ 
hafter Hand, und schlief endlich unter Thrä⸗ 
nen ein. 6. 
Drei Monate waren vergangen, es war 
Sommer. — 
Eginhard wurde wie ein Gefangener ge⸗ 
halten, — er hatte überall Bewachung, keinen 
einzigen Augenblick, der ihm selber gehörte, — 
er haßte Alles, die Natur und seine Peiniger, 
er mochte kein Buch mehr ansehen und verfiel 
in ein dumps⸗s Hinbrüten, welches endlich 
zu einer schweren Krankheit führen mußte. 
Da siel ihm eines Tages ein Zeitungs⸗ 
blatt in die Hände, er wollte es gleichgültig 
auf die Seite werfen, als sein Auge wie ge⸗ 
bannt auf einem Namen haftete. 
Wit fieberhafter Aufregung las er folgen⸗ 
den Satz: „In der gestrigen Nacht brach 
auf eine bis jetzt noch nicht aufgelkärte Weise 
in dem hiefigen Gefängniß Feuer aus. Enigen 
Gefangenen istmeß gelungen, zu entkommen, 
unter ihnen der frühere Hauslehrer des Herrn 
Commerzienrath. Steinhöfer, “ Namens Hart · 
muth, welcher sich voch immer . als des be⸗ 
fannten Diebstahls verdächtig in Untersuchungs⸗ 
haft befand,, Diese Flucht syricht für seine 
Schuld, obgleich man ihn bislang nech nicht 
des Geringsten hat überführen lönnen, da 
keine Spur von dem gestohlenen Geld entdeckt 
ist. Man-spricht sogax davon, daß Hartmuth 
auch jetzt. als Brandstifter steckbrieflich 
ver solgt wird.. uνν, 
Eginhard blickte rasch nach dem Datum 
der Zeitung, sie war bereits 14 Tage alt.