Full text: St. Ingberter Anzeiger

glüchlichen Geisteßlranken hei und setzte bee 
dauernd hinzu, wie der verstorbene Gette, 
welcher als Selbstmörder geendet, sich stets 
für einen natürlichen Sohn seines seligen 
Vaters ausgegeben und abenleuerliche Erban⸗ 
sprüche erhoben habe. Er empfinde das tiefste 
Mitleid mit dem Schicksal der unglücklichen 
Familie und bäte dringend, ihm dann und 
wann Nachricht zukommen zu lafsen. „Sollten 
die armen Waisen meiner Hülse einmal be⸗ 
dürfen, so mögen sie sich nur ohne Scheu an 
mich wenden und mei er Hülfe versichert sein. 
Es würde mich sehr interessiren, jene Papiere, 
vom welchen Sie in ihrem Schreihen gesprochen. 
einmal durchsehen zu können, und wenn es 
sich mit ihrer Pflicht vertrüge, würden Sie 
mich durch die, Uebersendung sehr werbin⸗ 
den u. s. w 
Der Inspeltor lächelte spöttisch, ols er 
dieses las. Er war durch den Brief mehr 
als je überzeugt, daß Ferdinand Steinhöfer 
der leibliche Bruder des Commerzienraths ge⸗ 
wesen, und nicht gewillt, dem reichen Manne 
das Heiligthum der Wittwe auszuliefern. 
Ohne Zögern aniwortete deßhalb der 
Inspektor dem Commerzienraih ablehnend, 
entschuldigte sich mit seiner Pflicht und accep 
tirte das Anerbieten, sobald von den beiden 
Waisen eine Spur aufgefunden sei. Er wisse 
nur, daß der Knabe mit einem Freunde der 
Mutter. auf der Reise nach Amerika sich be— 
fiude, das kleine Mädchen jedoch noch immer 
jpurlos verschwunden sei. So viel er aus den 
Briefen erfahren, werde Kapitän Brandt den 
sKnaben Ferdinand zu dem seiner Zeit steck⸗ 
brieflich verfolgten Hartmuth bringen. dessen 
genaue Adresse er beifüge. 
„Mag er dort bleiben,“ murmelie der 
Commerzienrath, diesen Brief sorgfältig in 
seinen Schreibtisch verschließend; „den gebrand⸗ 
markten Hartmuth fürchte ich nicht mehr, in 
seiner Gesellschazt wird auch der Knabe mir 
böllig unschädlich “ 
Er bieß eine geraume Zeit verstreichen. 
bis er den Notar Wolff eines Tages so 
beiläufig fragte, was denn eigentlich aus 
der kleinen Tochter des Selbstmörders ge⸗ 
worden sei. 
„Hm“, entgegnete Wolff, den Commer⸗ 
zienrath fest anblickend, „in dieser Sache bin 
ich unwissend, fragen Sie Frank, ich glaube 
wohl, daß er Ihrer Firma den Dieust gelei⸗ 
stet hat, Herr Sohn !“ 
„Frant? — so, das ist mir nicht ange⸗ 
achm, warum nahmen Sie eigentlich die Sache 
nicht in die Hand, Herr Vater?“ 
„Ich liebe es nicht, mich direct zu be⸗ 
sudeln,“ rersehte Wolff scharf, „in dieser 
Weise sind meine Hände siets rein geblieben 
wie mein Gewissen“ 
„Eine schöne Logik!“ rief Steinhöfer 
bitter, „auf solche Weise wäre der Soldat 
für die Auordauugen und Befehle des Feld⸗ 
herrn verantwortlich. Ich wil wissen, wo 
das Kind geblieben ist?“ setzte er heftig 
hinzu. 
Mein Goit, was wollen Sie mit der 
kleinen Kreatur, Herr Sohn?“ lachte Wolff 
verächtlich, „sie am Ende gar adoptiren oder 
für Eginhard erziehen? Wahrhaftig, die Sühne 
wäre so übel nicht, ganz romantisch, der 
prächtigste Stoff für einen Romanschrift⸗ 
steller !!“ 
Der Commerzienrath wurde dunkelroth vor 
Zorn und antworiete nichts, die Ueberlegen⸗ 
heit dea Schwiegervaters erbitterte ihn auf's 
heftigfßee. 
„Und wenn ich's wollte ?“ sagte er end⸗ 
lich mit heiserer Stimme, „wer könnte mich 
—XVV—— 
.Die Rückkehr des großen?Jungen, wel⸗ 
cher nach Amerika gegangen ist, um dort aller 
Wahrscheinlichleit nach von Hartmuth zum 
Racheengel erzogen zu werden. Wollen Sie 
den auch adoptiren, vielleicht alsddann mit 
Eginhard associxen ? Es wäre Letzterem gewiß 
zãußerst angenehm, die ganze Brut, Harimuth 
in erster Reihe, an sein Herz zu nehmen.“ 
„Eginhard ist vernünftig geworden —“ 
„Seitdem jener Kapitän Brandt ihm 
Rachrichten überbracht hat,“ unterbrach 
ibn Wolff. J 
„Daran dachte ich nicht,“ murmelte 
Steinhöfer erbleichend. Sie glauben also 
virklich. Vater, mein Sohn lönnte später 
solchen unstnnigen Gedanken fafsen und dasß 
Erbe seines Vaters zersplittern — halten 
es für möglich, daß er diesen Hartmuth zu⸗ 
rückrufen könnte ?“ * —* 
„Ich bin davon überzeugt. daß ihn diese“