Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
zuum 
St. Ingberter Anzeiger.“ 
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Sonntag, den 19. Novenber 148. 
Steinßöfer und Sohn. 
Von Emilie Heinrichs. 
dulden, daß der von Euch Gemißhandelte auch 
roch in meiner Gegenwart beschimpfi wird. 
dütet Euch, die Zeit wird kowmen, wo das 
Beld Euch nicht mehr schützt und manchem 
Ehrenmanne die gleißnerische Maske abge— 
rissen wird.“ 
„Knabe! Du wagst es, so zu Deinem 
Vater zu reden?“ 
„Willst Du eine andere Sprache, dann 
muß ich Dich bitlen, mein Gefühl zu schonen.“ 
„Kindischer Thor, ich werde Dich noch 
»inmal in andere Zucht geben müssen. Packe 
Deine Sachen ein und mache Dich bereit, noch 
an diesem Abend mit mir abzureisen.“ 
„Das wäre ein thrannischet Zwang, 
Bater! Laß mich hier, die Luft der Heimath 
saugt nicht für mich, wenigstens jetzt noch 
nicht. Ich will als Mann heimkehren.“ 
„Du kennst nur noch den Willen Deines 
VBaters, merke Dir das, Knabe! Sprich, was 
hzält Dich eigentlich noch hier in London?“ 
„Die Lust der Heimath,“ versetzte Egin⸗ 
hard bleich und kalt, „ich möchte vergessen, 
vas ich dort nicht kann.“ 
„Ich verstehe Dich nichr, hat sich die 
Luft vielleicht später für Dich gebessert ?“ fragte 
der Vater ironisch. 
„Ich hoffe es, Vater! dem mündigen 
Danne wirst Du alsdann nicht versagen, Dir 
im Geschäfte thätig zur Seite zu stehen.“ 
„Ah so, Du sehnst Dich danach, mein 
Associe zu werden?“ fragte der Commerzien⸗ 
rath überrascht, „habe ich Dich recht verstan⸗ 
den, mein Sohn?“ 
Der Name ist mir gleich, ich sehne mich 
darnach, einen geeigneten Wirkungskreis für 
(Fortsetzung. 
Wußte sein Sohn Alles? — Der Com⸗ 
merzienrath athmete mühsam, Eginhard hatte 
in seiner Frage nur die sociale Seite be⸗ 
rühren wollen. 
„Laß uns die Sache nicht weiter erörtern, 
Vater!“ fuhr Eginhard fort, ohne die Erreg⸗ 
ung des Vaters zu beachten, „sie wird früh 
zenug von selber auftauchen; wohl dem, 
welcher sich darauf bei Zeiten vorbereitet und 
den Zündstoff aus dem Herzen zu entfei— 
nen sucht.“ 
„Ja, ja, es gibt revolutionäre Burschen 
auch unter unsern Arbeitern,“ sprach Jener 
aachdenkend, „man muß diesen Zündstoff ent⸗ 
ernen, ich werde bei meiner Heimlehr reines 
Haus machen, Deine Winke sollen nicht ver⸗ 
gebens gewesen sein.“ 
„Du verstehst mich nicht, Vater!“ 
„Wehe Dir, sollte ich Deine Worte an⸗ 
ders verstehen, als ich sie zu deuten für gut 
befinde, mein Sohn!“ rief Steinhöfer stirn⸗ 
runzelnd. „London ist kein Ort für Dich, Du 
meidest die Gesellschaft, zu der Du gehörst, 
und suchst den Abhub auf. Das sind die 
Früchte jener unseligen Erziehung. welche Du 
in den Händen eines Diebes und Brandstif⸗ 
sers empfangen ?“ 
„Kein Wort weiter, oder ich vergesse, 
velchen Namen Du führst,“ sprach Eginhard 
mit fester Stimme; „ich werde es nimmer