Ganz brav, — ich glaube sogar. daß
es die Vergangeuheit total vergessen hat. Nun,
streng genug wird die kleine Puppe gehalten,
welche uͤbrigens jehr schön zu werden verspricht.
„Wäre sie zwanzig Jahre austatt zehn,
dann würde ich sie unter diesen Auspicien nicht
für 600 Thaler verkaufen,“ bachte Wolff,
„schzne Mädchen und noch dazu Waisenkin-
kinder, sind nicht gar zu häufig in der Well.
Zehn Jahre warte ich nicht, darum schaffe ich
sie mir je eher je lieber vom Halse·
„Soll ich die Sache abmachen ?* fragte
Franfkgleichgültigrẽ:.
„Thun Sie es, lieber Frant! — Sie er⸗
jahren die Adresse dieser Menschenfreunde in
der Expedition, — nehmen Sie die Summe
gleich mit. Es war eigentlich ein wenig tolllühn,
das sKind hier in der Stadt unterzubringen.“
ZJe tolllühner, dests weniger Gefahr der
Entdeckung,“ meinte Frank, seinen Hut er⸗
greifend, „ich gehe schon, apropos, hat der
Tommerzienrath schon geschrieben ?
„Nein, er hat nur versprochen, seine Ab—
reise von London anzuzeigen. Haben Sie meinen
Plan überlegt, lieber Frantẽ
Der Procurift fetzte seinen Hut wieder hin
und fchüttelle wiederholt den Kopf.
Das geht über Kinderraub und Dieb⸗
stahl, mein theuker Dectst!“ sagte er leise,
ja, wären die Beiden ganz allein in einem
Courierzuge, — adber bedenken Sie, die Hun⸗
derte von Menschenleben, — nein, nein, dazu
ist mein Gewissen denn doch nicht weit genug.“
„Gewissen ?“ lachte Wolff verächtlich, „das
ist zu albern, wmein Lieber! Wir können in
der Welt nur steigen auf anderer Nacen, —
aun gut, die Gelegenheit war wiemals so
günstig, Alles mit einem Schlage zu gewinnen,
das Testament sichert uns mit seinem Blanco
die voll? Erbschaft sobald vier Augen sich auf
ewig geschlossen.“ .
AZum ersten Male befindet fich mein
Schwiegersohn auf der Reise mit dem Erben —
wir werden ihre Heimkehr erfahren.“
„Und wenn Eginhard sich nun weigert,
wieder in die Heimoth zurückzukehren?
„Auf den Fall sind wir ebenfalls geborgen,
dann kommt's zur Explosion, zur Enterbung.“
Was hitft uns das, wenn Steinhöfer
senior auf der Heimreise verunglückt?“
Ganz recht, erwarten wir also erst sein
Schreiben und bringen Sie die Kleine aus
dem Wege.“ J
Fraͤnk ging. Ex hatte die Summe in
Bantnoten empfangen und calculirte auf dem
Wege nach der Expedition, welches Geschäft
vortheilhafter füt ihn sei.
—. 3Ichawill erst mal mit Clara's Pflege—
mutter sprechen, vielleicht ihnt sie's billiger.“
Er eilte rasch vor's Thor, einem kleinen
Hause zu. Die Parterrewohnung hatte ein
alter Musiker inne, während oben im Erker
eine Wittwe wohnte, welche sich von Weiß ⸗
nähen ernährte und noch sonstige zweideutige
Beschäfte beirieb, heinliche Commissionen, von
welchen die Welt niemals et pas erfuhr.
Bei dieser Frau finden wir das unglück⸗
liche Kind des Ermordeten wieder, Clara
Steinhöfer, welche von Frank in jener Un⸗
glücksnacht, als die Mutter verhaftet wurde,
zeraubt worden war.
Zrantk hatte Recht, wenn er das Mädch es
für eine künftige Schönheit erklärte, sie war
schon jetzt ein seltsam schönes Kind, von durch ·
ichtiger Blässe, goldigen Haar und ernsten
blauen Augen, welche keine kindliche Heiterkeil
mehr kanukten. J
Das arme Kind maßte Tag für Tag
außer der Schule seine bestimmte Näharbeit
fertig liefern, sonst bekam sie kein Abendbrod.
Erholungsstunden kaunte sie nicht, nur
wenn Frau Vogel ihre oft Stunden lange
Ausgänge besorgte, schlich die Kleine mit ihrer
Arbeit hinunter zu dem alten Mußfiklehrer und
horchte den zauberischen Tönen, welche er der
Geige oder dem Clavier entlockte.
Der alte Heidenreich war ein Sonderling
wie es Beethoven gewesen, — er schien die
Menschen sast zu hassen und besaß nur wenig
jalen tvoͤlle Schüler.
Za der kleinen Clata schien er eine ab⸗
sonderliche Neigung gefaßt zu haben.
Das Kind shatte im Anfsang Tag und
Nacht geweint und zur Mutter vetlangt, wo⸗
rüber der alte Musiker großen Verdruß an
den Tag gelegt. Endlich sah er die Kleine,
ãe schaute ihn so traurig an, daß er sie mit
m seine Stube nahm und ausforschte; war
ihm Frau Vogel doch alss zweideutig bekannt.
Was das geistig aufgeweckte fünfjährige