Full text: St. Ingberter Anzeiger

Vaters trug; er war überzeugt, hier der Lösung 
des fürchterlichen Räthsels zu begegnen. 
Bei dem schmerzlichen Unblick seines va⸗ 
terlichen Freundes erhob er sich hastig 
und fragte mit fester Stimme? „War dieser 
Tommerzienrath Steinhöfer ein Bruder meines 
VBaters 7 
„Er war der Bruder des Verstoßenen!“ 
lautete die dumpfe Antwort. 
„Und der Mörder meines Vaters 7?“ rief 
Ferdinand mil tiaer Stimme, welche einer 
andern Welt anzugehören fchion. 
Du sagst es, mein Sohn,“ versetzte 
Hartmuth leise, „Gott erfüllte selber Deinen 
Schwur, Dein Vater ist gerächt““ 
„Alle Wetter?“ brummte der Kapitän, 
„das find mir schöne Geschichten. Beher frei⸗« 
lich, daß der Herrgott selber die Rache über⸗ 
zanmen hat, er versteht es doch am hesten.“ 
.Ja, wir müssen zurüd nach Europal!“ 
sprach Hartmuth voch einer Weile, in welcher 
it gedankenvoll vor sich hinstarrte, „die Stunde 
ist gekammen, mein Sohn, wo Du Alles er⸗ 
fahren sollst, waz mein Herz seit Jahren wie 
ꝛin Alp gepreßt, sollst die Geschichte Deiner 
Familie hören. Dex Kapitän, welcher so viel 
jür uns gethan, sei der Dritte im Bunde 
ex soll wissen. wie- viel man Die geraubt ! 
Und nun begaun er das Bild der düstern 
Vergangenheit eineß so gewaltsam von bru⸗ 
dermördexischer Haud geendeten Menschenlebens 
zu entrollen. Er exzählte von des Ermordeten 
Jugend, wie er, einige Manate nach des 
Batlers Tod geboren, kaum die Liebe einer 
Mutter gekannt habe. Wie der ältere Bruder 
sich in der Multer Herz geschlichen und den 
Nachgeborenen, den et als unberufenen Gin⸗ 
dringling schon bei der Geburt, tödtlich ge⸗ 
haßt, consequent verläumdet und verfolgt, und 
die Mutter schon das zarte Kind verstoßen, 
eg fremden Händen anvertraut habe. Er er⸗ 
zuhlte dem atheintos horchenden Sohne von 
den Ränken und beharrlichen Intriguen des 
Aelt ⸗ ren gegen den Jüngeren, von der Mutter 
Schwache und Leichtgläubigkeit und dem endlosen 
Unglück, welches dadaus entstahen mußte. 
Dein Vater,“ so fuhr Hartmuth forh 
war trotz aller Härte und Strenge ein wilder 
bermuüthiger Knabe, er mag wohl ein wenig 
ichtsinnig gewesen sein als Jüngliug, alt 
Mann war er's nicht mehr. Mit raffstnirter 
Berechnung bezahlte der ältere Steinhöfer die 
Verführer des Bruders, welcher von der 
Mutter sehr karg gehalten wurde, und dem 
das Vaterhaus fast gänzlich verschlossen blieb. 
Wie leicht ist die Jugend in den Strudel 
der Verführung hinabgerissen. Ferdinand stu⸗ 
dirte, sein Kopf war hell, sein Herz brav, 
wir bernden uns kennen und blleben uns treu 
bis in den Tod Als Dom Vater die Mutt er 
heixathete. murde gunzlich verstoßen und 
enterbt z lachte darüber, seine vnietseisigen 
senntniffe und Tatente halfen ihm leicht üder 
die Klippen der Nahrungssorgen hinaus. 
Dann wurdest Du, geboren, mein Sohn und 
nach sechs oder seben Jahren die Schwester. 
Da fühlte Dein Vater die Pflicht, für sein 
Erbe aufzutreten und an das Herz der Mut⸗ 
ter zu klopfen. Wir mußten zur List unsere 
Zuflucht nehmen, weshalb ich als Hauslehrer 
in das Haus. Deiner Großmutter wrat, um 
den Enbel zu erziehen. Ich gewann Eginhard's 
kiebe, und durch diesen den Weg zum Mutter⸗ 
herzen. Dar ries der Tod den Verstoßenen 
durch mich an das Bett der sterbenden Mutter 
und hiev, Angesichts der Scheintodten, welcht 
hdeide Brüder für eine Leiche hielten, kam es 
zu einer furchtbaren Katastrophez; — der 
Tommerzienraih verlengnete den Bruder, wie 
er mir scheinheilig mittheilte, und Dein Vater 
zgab sich selber den Toden 
Hartmuth hatte den letten Satz lang⸗ 
jam, mit exhobener Stimme gesprochen; jetzt 
schwieg er. 
Starr wie eine Bildsäule. mit leichen⸗ 
blaffem Gesicht und weitgeöffneten Augen hatte 
Ferdinand zugehört; bei den letzten Worten 
seines väterlichen Freundes sprang er empor 
und rief mit dem Ton richterlicher Ueber⸗ 
euzung „Nicht wein Vater gab sich selber 
den Tod, der Bruder hat ihn an der Leicht 
der Mutter ermordet!“ 
Der alte Kapitän schrie entsezt auf, 
wãhrend Hartmuth bejahend den Kopf neigte. 
„Und der Mörder hat sich meiner Rache 
durch den Tod entzogen,“ sprach der junge 
Mann dumpf, „vergib, Mutter, ich kann den 
Schwur nicht halten!“ 
„Gott selber hat ihn gerichtet, mein 
Sohnm!“ verfetßzte Hartmuth, „meine Stele