„Ich lade Euch auf die nächste Mitter⸗
nacht in mein Hotel, Rue Rivoli, zum Souper
ein, verlange nur Ruhe, — Grabesstille von
Euch. Wer wettet ?“
„Wir Alle gegen Einen! 10,000 Napo-
leon⸗ gegen eintausend.“
„Angenommen,“ sprach St. Herem ruhig,
Wette ist so gut wie gewonnen.“
„Nun die Geschichte Bn dem Bruder!“
„Ihr sollt sie haben, sie ist langweiliq
wie eine deutsche Ftau. Mein Bruder war
nor ungefähr acht Jahren hier in Paxis der
Löwe des Tages; er lernte eine reiche deutsche
Wutwe kennen, deren Gemahl in einem
Schweizer See liegen sollte, doch war die
Leiche nicht aufzufinden; ich denke mir, die
zaͤrtliche Gattin hat ihn wohl selber dorthin
debettet. Trotz alledem heirathete mein Bruder
diese Frau, als plötzlich eine Anklage- auf
Bigamie gegen sie vom Stapel gelassen wurde.
Der Gemahl konnte ja vielleicht noch leben.
Da verschwand mein Bruder, und die Frau
argerte sich so, daß sie siarb ß.
Dasür war,s eine Deutsche,“ meinte der
Viconie verächtlich, „diese Nation stirbt noch
an der Galle, ihr fehlt ein Aderlaß, den wir
ihr nächstens geben werden; das träge Blut
muß einmal in Fluß gebracht und einige
Glieder awputirt werden, um ihr die großen
Gedanken auszutreiben ·..
„Wie bei Leipig und Watterloo!“ rief
der junge Mann vom Nebentische mit fun⸗
kelnden Augen. —
„Sacre!“ rief der Vieomle, „wer wagt
es, sich in eine fremde —B zu
mischen ?
Der junge Maunn, den der Gret ver⸗
gebens zurück,uhalten suchte, war emporgesprun⸗
gen vnd an den Tisch getrelen; seine Er⸗
scheinung rief eine augendlickliche Stille her⸗
bor, selbst der wüste VBicomte schaute wie ge⸗
baunt auf ihn hie. J
Wer wagt es77 fragke er mit einer
rimme, welche zwischen Drohung und Ver⸗
zcnung klang, „ein deutscher Mann, welcher
Ehre und Sitte liebt und Prahlereien wie
Schmähungen gegen seine. Nation verachtet,
der es aber nicht duldet, wenn deutsche Frauen
bon Buben met Koth beworfen werden, und
diese züchtigt, wo er sie findet.“
„Schlagt den deutschen
schrie St. Herem wüthend,
den Degen«- heraus, wir
Kürschchen.“
Es wäre sicherlich zu blutigen Excessen
gekommen, wenn nicht einige Besonnene den
Wüthenden zurückgehalten und der Greis den
zungen kühnen Deutschen gewaltsam mit sich
fort hinaus ins Freje gerissen hätte.
„Wehe, wenn dieses Gesicht mir wieder
in den Wurf kommt,“ murmette der, Graf
ähneknirschende“ „ich kabe es schon in der—
Dper gesehen, ah, er war's welcher gestern
Abend der schönen Clara einen prachtwollen
stranz' dus der erster Loge zuwatf, — richtig
— richtig, das fatale Gesicht; sie ließ mein
Bouquet liegen, wie alle übrigen, und nahm
seinen Kranz.“
„Was murmelten- Sie da. St. Herem?“
fragte der Vicomte. „lassen Sie den deuschen
Esel lausen, wir treffen ihn wohl einmal,
denken Sie an unsere Wette“
. IIch denke daran!“ antwortete der Graf
finster und schritt hinaus.—
Der alte Herr aber sprach draußen zu
seinem Sohne, als er mit ihm hastig und
anfgeregt durch die Straßen schritt. „Wir
berlassen noch heute die unselige Stadt,
mein Sohn, die Luft tastet wie ein Alp
auf mir!“
„Unmoglich, Vater!“ versetzte der junge
Mann mit fester Stimme, „Du höriest doch,
daß jene rohen Wüstlinge ein Attentat auf
Clara's Ehre beabsichtigen; ich muß über sie
wachen.“
Hund nieder!“
„auf, Vicomte,
massacriren das
„Du wirst es nicht hindern können, Ri—⸗
chard! Du bist hier fremd in Paris, alss
ohnmächtig, und besitzest zum Ueberfluk schon
Feinde. Schreibe ihr einige Zeilen, wenn Du
willst, und setze sie von dem Gehörten in
Keuntniß.“
Richard schuͤtielte heftig den Kopf und schrilt
schweigend weiter.
„Wohin willst Du, mein Sohn?“
„In die Oper — sie wird bald be—
ginnen.“
„Singk jene Clara ?—
Ja, die Valentine!“
So begleite ich Dich, mein Sohn.“