und Langeweile verursacht,“ sagte Richard trau⸗
rig, „ich hätte fie nict erzahlen sollen.“
„O nein, nein, im Gegentheil!“ rief
Clara erregt, „es ist mir, als spiele ich selber
in meiner frühesten Kindheit eine Rolle darin,
Alles klingt mir so bekannt. O, wer mir Auf⸗
schluß geben könnte in diesem furchtbaren Wirr⸗
warr meiner Gedanken!“
Ihr umherirrender Blick schweifte von
Heidenreich auf eine deutsche Ze tung, welche
däglich auf ihr Zimmer gebracht wurde und
die sie heute noch nicht angeschaut hatte. Sie
lag aufgeschlagen auf dem Tische, und wie ge⸗
fesselt blieb ihr Auge auf einer Stielle haften.
„Vater Heidenrcich!“ sprach fie mühsam,
dem Alten die Zeitung hinreichend, „o, lies
doch diese Stelle!“
Dieser las mit stockender Stimme: „Wenn
sich Clara Steinhöfer aus H. noch am Leben
befinden sollte, dann wird fie dringend ge⸗
beten, Nachricht von ihrem jetzigen Aufenthall
an den Doctor Friedrichs, Heilanstalt zu M.,
einzusenden, wo ihre Mutter sie erwartet;
besagte Clara ist als fünfjähriges Kind ver⸗
schwunden und wird vielleicht jetzt einen an⸗
dern Namen führen. Wer Nachricht über sie
mittheilen kaun, welche auf eine sichere Spur
zu leiten vermag, erhält eine Belohnung von
500 Thalern.“
Clara hatte sich während der Vorlesung
dieser Aufforderung in der heftigsten Erregung
erhoben. Als der Alte geendet und das Blatt
schweigend in der Hand hielt, rief sie mit
seltsamer vibrirender Stimme:
„Diese Clara Steinhöfer bin ich, Gott
hat gesprochen in meinem Junern. Vater
Heidenreich, eine Mutter erwartet mich, eine
Mutter! O, mein Goit!“
—AV&
Richard umschlang sie mit beiden Armen.
„Ferdinand Steinhöfer's Tochter!“ rie
er außer sich, „Gott hat geredet, er nimmt
die Sühne an!“
Seine leidenschaftlichen Küsse erweckten fie,
sie legte beide Arme um seinen Hals und
schaute ihn voll zärtlicher Liebe an.
„Richard!“ sagte sie leise, „Du bist ein
Deutscher ?“
.Ja!“ könte es wie ein Hauch zurück.
„Du kennst meine Mutter ?“
Nein, — ja, — o, frage mich nicht,
Geliebte! — meine Lippen bindet ein Schwur.
Vertraue Dich meiner Leitung an, Du gehörst
mir, bist mir von Gott gegeben zur Sühne,
zur Versöhnung. Siehst Du in der wunder⸗
baren Verkettung und Ergänzung unfrer Namen
nicht mehr als Zufall 7* Wir Beide sind vereint
in dem einen Namen, der zum Fluch gewor⸗
den, wir werden diesen Fluch lösen.“
„Und ich?“ fragte der alte Heidenreich
plötzlich. „Ihr seid Euch genug, was soll
der alte Musikant bei den Glücllichen, — daßs
schnäbelt und kos't, — als ob es sich sein
Leden gekannt hätte; ich gehe, um mir
einen Winkel zu suchen, wo ich ungestört ster⸗
ben kann.“
„Vater Heibdenreich!“ rief Clara, sich er⸗
röthend den Armen des jungen Mannes ent⸗
windend, „Du bleibst bei uns, wie könnte
ich glücklich sein, ohne den guten Greis, dem
ich Alles verdanke, was ich bin, der mir
Vater und Mutter gewesen, und mich erlös't
hat von einem schrecklichen Loose.“
Sie legte ihr Lockenköpfchen an seine
Brust und schaute ihn unter Thränen lä⸗
chelnd an.
Er streichelte ihre glühenden Wangen und
sagte: „Na, der Alte muß sich wohl darin
finden, fortan mit dem Brodsamen der Liebe
vorlieb zu nehmen, der von des riichen
Mannes Tisch fällt. Uebrigens will ich's nur
gestehen, daß Du wirklich Clara Steinhöfer
heißest, wie Du es mir als kleines Kind
mittheiltest. Hier auf diesem Blatte steht der
Name, Tag und Datum, als Du mir ihn
nanntest, ich zeichnete es auf für spätere Zeiten
weil es wohl sicher war, daß Du ihn bald
vergessen würdest.“
Er nahm aus seiner Schreibtafel ein Blatt
Papier und reichte ea Clara, welche es
unter Thränen las uuad wie ein Heiligthum
verwahrte.
„Und jetzt, junger Herr!“ fuhr der Alte
in seiner rauhen Weise fort, „wäre es wohl
Zeit, nach Hause zu gehen. Ich möchte über⸗
haupt dazu rathen. Paris noch in dieser
Nacht den Rücken zu wenden, der Degenstich
wird jedenfalls Spectakel machen, mit solcher
Sorte ist nicht zu spaßen.
»Dann reisen wir Alle!“ meinte Clara,