Full text: St. Ingberter Anzeiger

bevor Paris aus dem Schlaf erwacht, müssen 
wir es im Rücken haben.“ —— 
Sie küßte den Geliebten, der mit dem 
Himmel voll Selickeit in der Bruft, das 
Holel verließ. 
Der Alte Höfer wachte noch in Todes⸗ 
angst und stand schon im Begriff, ihn zu qju⸗ 
chen, als er hereintrat. 
„Du bist glücklich, mein Sohn.“ sagte er, 
ihn forschend anblichend. 
„Unbeschreiblich,“ rief Richard, den Vater 
stürmisch umarmend, „sie lieut mich und 
was noch mehr bedeutet, was mir den Himmel 
auf Erden, den Frieden der Seele zurückgibt, 
meine Braut ist — Clara. Steinhöfer, die 
Tochter des Selbstmörders!“ I 
Und Du?“ fragte der Vater, ihn fest 
anblickend, „was hast Du ihr gesagtey— 
Nichard Höfer wird seinen Schwur halten 
hbis über's Grab hinaus.“ 
„Du bist ein braver Mann, mein Sohn !“ 
18. Kapitel. 
In der kleinen Gebirgsstadt M. befand 
sich die Heilanstalt des Doctor Friedrichs, 
eines ebenso humanen als tüchtigen Irrenarz⸗ 
des, wo die unglückliche Wittwe des Ermor⸗ 
deten nun bereits schon seit zwölf Jahren in 
der Nacht des Wahnsinns lehte. Erst seit dem 
letzten Jahre schienen lihtere Augenblicke ein⸗ 
zutreten und hatte der unermüdliche Arzt jetzt 
hie zuversichtlichste Hoffnung, sie völlig zu 
heilen, wenn außergemöhnliche Umstände, wie 
zum Beispiel das Wiedersehen ihrer Kinder. 
wohlthätig zauf den Zerütteten Orzanismus 
der Seele und des Geistes einzuwirlen im 
Stande wären. 
MapidänDreand war mit den heiden 
EXV 
sie hatten kaum den Fuß auf europäischem 
Boden, sogleich ihren Plan mit Clara's Auf⸗ 
ruf ins Werk gesezt und denselben durch ein 
Annoncenbureau verwirklichen lassen. 
43, Sachte, meine »Freunde!“ meinte der 
joviale Kapitän, als Ferdinand idie größte 
Lust bezeigte, ohne Weiteres die Mutter auf · 
zusuchen..,Cile mit Weile, wir lönnten damit 
Alles verderben. Zuerst muß ich mit dem 
Doctor Rücksprache nehmen, er hat mich, als 
ich vorhin bei ihn war, auf heute Abend 
ingeladen. Hartmuth kann mich begleiten. 
Dich, mein eiliger Junge, bringe ich zur 
Sicherbeit zu einer befreundeten Familie, da 
vartest Du, bis ich Dich abhole. Mache ein 
venig sorgfältig Toilette, wahrscheinlich wirsi 
Du dort einige Damen treffen und Du willst 
doch nicht als Hinterwäldler erscheinen.“ 
„Aber, Onkel Brandte!“ 
„Keir Aber, mein junger Freund? es ge⸗ 
sieht genau nach der Schuur, wie ich 
gesagt.“ 
.Mußt Dich schon fügen, Ferdinand!“ 
lachte Hartmuth, „den Kapitän steckt das 
Vefehlen noch vom Schiffe her in den Glie— 
dern. Wic haben hier keine amerikanischen 
Freiheiten“ 
Ferdinand zuckte unwillig die Achseln und 
gehorchte seufzend. Ihm war das Toiletten- 
nachen in seiner Seele verhaßt, und doch fiel 
sie, bei dem Gedanlen an die Damen, sorg⸗ 
fältiger aus, als er wosste. 
Er war in der modernen Kleidung, welche 
Hartmuth in Bremen gekauft, cin auffällig 
chöner, stattlicher Mann, und wohlgefällig 
betrachteie ihn der Kapitän. 
In dem befreundeten Kaufmannshause er⸗ 
scholl eine leichte fröhliche Tanzmufik. Ferdinand 
stutzte und wollte vasch den Rückzug an⸗ 
zreten 
„Es wird getanzt!“ flüsterte er dem Ka⸗ 
—II 
„Du tanzest mit, mein Junge! wirst in 
zer Wildniß doch wohl einen deutschen Walzer 
gelernt haben.“ 
Gewiß,“ sagte Hartmuth lächelnd, „Fer⸗ 
dinand war der lustigste Tänzer auf allen 
Festlichleiteen der Farmer in der ganzen Ge⸗ 
dend; die jungen Mädchen werden ihn 
chmerzlich. vermissen.“ 
—EXVX 
Druck und Verlag von F. X. Demet in St. Ingberi.