Full text: St. Ingberter Anzeiger

die Treppe hinaustieg, „da hab' ich nun ein 
hübsches Stück Diplomatie am Halse. Mit 
Genevrag läkt sich nicht rechten, ich- muß auf 
ihre Großmuth speculiren ·· F 
.Und mii diesem Entschluß schritt sie dem 
üngriff entgegen — 
„Kinder, ich freue mich königlich, der heu⸗ 
tige Tag ist ein wahrer Glückstag, ich hoffe 
nur. daß nichta meine Freude störe. 
Und sie sank in einen Fauteuil und 
klatichte vor Vergnügen in die Hände. Ge⸗ 
nevra ließ das Manuscript fallen, die Bilder 
lagen noch auf ihrem Schooß, und Miß Eves⸗ 
ham sah an dem feuchten Glanz der Augen, 
daß die Erzählung gelesen war, » und ihren 
Eindruck nicht verfehlt hatte. Die: Erzählung, 
welche von einem längst zu Asche verfallenen 
Frauenherzen handelte, dessen Liebe und treue 
Sorge einen tiefgesunkenen Mann hob und 
rettete, und ihn mit starler Hand auf dem 
Pfate der Ehre leitete, so daß er schließlich 
noch eine Zierde des alten Namens wurde. 
Miß Evethams lebhaftes Wesen ger 
streute einig; rmatßen der Mädchen. ernste 
Stimmung. »* 
„Nun, Tante Barbara,“ Sie haben uns 
ja mit Sturmesgewalt aus dem dämmernden 
Nebel der Vergangenheit in die alltägliche 
Wirllichkeit zurücgeführt: Was aber mag Ihre 
heitere Ruhe in solch Fieber froher Aufregung 
verwandelt haben?“ fragte Genebra. 
„Weiß nicht, ob ich diese Vergangenheit 
auch berühren soll ꝰ doch nein: Sie wissen 
ja, Genebra, daß ich selbst in den dunkelften 
Stunden das Vertrauen auf ihn und sein bes⸗ 
seres Selbst nicht verlor, und inögen daraus 
bemessen, wie glücklich ich über seine Sinnes⸗ 
änderung bin. Doch der langen Rede lkurzer 
Sinn ifl, daß Cuthbert gekommen ist, und 
ein paar Tage bleiben will. Ich freue mich 
nun doppelt, daß ihr gerade da seid, damit 
jch dem lieben Jungen, der die Vergnügen 
der Welt dem Besuche einer' alten Jungfer 
opferte, recht angenehme Un terbaltung bieten 
fann.“ — — J ä 3 
Und Miß Barbara faßte die Häude beider 
Mädchen und seufzte vor Behagen. 
Genebra hielt in einem Anfall heftigen 
hustens das Taschentuch vor's Gesicht. 
Kitty erglühte und verwandte kein Ange 
von den zierlichen Händchen,“ die sich rastlos 
bewegten. 
Miß Lloyds Aerger jagke das Blut bis 
in die Fingerspitzen, was aber konnte sie 
thun?“ 
Da saß Tante Barbara voll inniger Freude 
und war folglich zehn Male unnahdarer, als 
in gereizter Stimmung. 67* 
.Macht Euch nur recht hübsch heut Abend,“ 
lächelte fie, „denn wir wollen ein wahres 
Feenleben aufführen, da wir nun einen wirk⸗ 
lichen Ritter haben. Beeilt Euch, ich rufe 
Euch bald··· n 
„Ein hübfcher Ritter,“ zürnte Genevra, 
als Miß Eveshams Schritte verhallt waren, 
„die Geschichte ist mir schredlich zuwider. Was 
in aller Welt sollen wir thun, Kitty?“ 
Ist's denn nicht möglich, daß Du Dich 
irrst, Genevra F würde Miß Barbdara sich so 
innig für ihn interessiren, wenn er schlecht 
wäre ?⁊ 
Hab' ich Dir nicht von seiner Anziehungt— 
kraft gesagt? Er erfuhr sicher unsere Anwesen— 
heit, und dachte nun, Dich unter Tante Bar— 
bara's Schuß, um so leichter zu erobern. 
Uber ich will ihm noch Troß bieten.“ Kitty 
lachte hell auf. 
O Genevra, diese Idee ist zu drollig. 
dord Cuthbert kümmert sich um mich nur in 
so fern, als ich Hugo's Schwester bin. Hät— 
sest Du den Blick gesehen, der Dich traf, 
als er Dir die Lorbeerkrone reichte, so wür⸗ 
dest Du Dich nie wieder um mich ängstigen.“ 
(Fortseßung folgt.) I 
— 
Mannigfalliges. 
Newyork. Der in Erie, Pa, exi— 
stirende Lügenverein hat in seiner kürzlich 
stattgehabdten Jahresversammlung die Ehren⸗ 
präsidentschaft und den damit zu vergedenden 
Lügengürtel einstinmig Hen. Gambetka 
zuerkannt. 
. ** 
und MNaerlag von X. X. Demetz in St. Anabert. —