Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
St. Ingberter Anzeiger. 
— 1465. Donnerstag, den 7. Dezember — — 
3 teinhöfer nud Sohn. 
Von Emilie Heinrich s. 
(Schluß.) * . 
Frank wird der Räuber des Kindes ge⸗ 
wesen sein,“ begann Eginhard zu Hartmuth 
gewendet, „wie er sicherlich das Werkzeug 
aller Nersrechen war, welche von dem Unge⸗ 
heuer, das ich als Großvater zu schonen habe, 
ersonnen worden sind. Er war's auch. welcher 
mich in der Schweiz in den Abgrund hinab⸗ 
gestürzt, ich erkannie ihn im Fallen, er 
war's, der meinen Vater in den Seer gesto⸗ 
—A 
Und Eginhard erzählte Alles, was sich 
seit Hartmuth's Flucht mit ihm zugetragen 
dis zu der schauerlichen Katastrophe in der 
Schweiz. Da nahm der alte Höfer das Wort. 
„Ich hatte einen einzigen Sohn,“ begann 
derselbe, „Richard hieß er, ein braver Junge, 
mein Stolz und Trost, da ich die Frau ver⸗ 
lor. Um diesen Todesfall zu überwinden, rei⸗ 
sten wir nach der Schweiz, er stürzte vor 
meinen Augen in einen Fels⸗Abhang, ich fand 
jeine zerschmetterte Leiche. Wie ein Wahn⸗ 
snniger irrte ich umher, mit dem Vorsatze, 
mein Leben auf gleiche Weise zu enden. Ich 
sah die Reisenden, sah den Führer sich ent⸗ 
jernen unddie furchtbare That: es war mir 
in dem Augenblicke als stürze mein Sohn 
zum zweiten Male hinab. Eine unwidersteh⸗ 
liche Macht zog mich an, den Unglücklchen 
aufzusuchen, ihn neben meinem Sohn zu be— 
statten. Rach unsäglichen Schwierigkeiten fand 
— — 
ich ihn; Gebüsch aller Art hatte den Sturz 
gemildert, ein weicher Moorzrund den Körper 
bor dem Zerschmettern geschützt; er athmete 
noch, wenn auch im Uebrigen arg zugerichtet. 
Ich hob ihn auf, nachdem ich seine Wunden 
derbunden und trug ihn mit übermenschlicher 
Anstrengung nach einer Sennhütte, wo ich 
hn für meinen Sohn ausgab und wochenlang 
zeheim verpflegte, bis ich ihn weiter transpor⸗ 
siren konnte. Die Welt hielt ihn für tost, er 
selber schien lange das Gedächtniß verloren 
zu haben, bis er endlich in meinem Hausfe zu 
Ldondon ganz genas. Da kehrte die Erinnerung 
urück, er ergählte mir Alles, sein ganzes 
deben, so reich au irdischen Gut, so arm an 
Glück und Freude, er fühlte sih schon lange 
abgetrennt von srinen Eltern, die er nicht 
sieben und achten konnte und wurde mein 
Sohn mit dem Schwur, als Richard Höfer 
zu ieben und zu sierben. Der Gedanke an 
bdas Pacet des Freundes ließ ihm keine Ruhe, 
nur dieses wollte er noch besorgen und dang 
aus ewig mit der Vergangenheit brechen. Jahre⸗ 
jang bekämpfte ich diesen Entschluß, er konntz 
mir durch die Heimath entrissen werden. 
Endlich mußte ich nachgeben, wir rüstelen 
uns zur Reise uach Deutschland. Da erschien 
die Sängerin Clara Stein auf der Bühne, 
und der erste Riß ging durch den unnatür⸗ 
lichen Schwur. Mein Sohn war zum ersten 
Male von der Macht der Liebe besiegt und 
jaub für jede Mahnung, selbst die Reise trat 
vor ihr in den Hintergrund. Als die Saͤnge⸗ 
rin nach Paris ging, folgte er ihr wie ihr 
Schatten und ich mußte wohl mit. Das 
Uebrige wißt Ihr; mein einziger Trost ist 
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