Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
St. Ingberter Anzeiger. 
Nr. 147. Dienstag, den 12. Degember — I81. 
Auf dem Throne.“* 
Historische Novelle von 
Robert Frauz. 
(Fortsetzung.) 
III. 
„D.is Königs Majestät hat heute den 
Ritter Charles Brandon zum Herzog von 
Suffolk erhoben!“ 
Wie von einer Natter berührt fuhr Bi⸗ 
schof Wolsey bei diesen Worten seines Kam⸗ 
merdieners von seinem prächtigen weich gepol— 
sterten Canapee auf, während der Diener 
ehrerbietig sein Haupt neigte. 
„Mensch, bist Du wahnsinnig? Zum Her⸗ 
zog von Suffolk?“ keuchte der Bischof athemlos. 
„Zum Herzog von Suffolk,“ beflätigte der 
Kammerdiener mit einer Verbeugung. „Der 
ganze Adel ist im Aufruhr über diese Erhebung 
eines Mannes, der nicht die geringsten An— 
sprüche darauf erheben kann.“ 
Ohne weiter auf seinen Kammerdiener zu 
achten, durchschritt der Bischof jetzt mit langen 
Schritten das Gemach. In diesem Augenbüucke 
war nicht die geringste Spur von Milde und 
Sanfimuth in seinem Gesichte, sondern die 
Dämonen des Neides, des Hasses und der 
Wuth wechselten darin mit üherraschender 
—AI 
stalt konnte der Bischof unmöglich etwas an⸗ 
deres als Furcht verbreiten. 
„Sind Deine Nachrichten sicher ?“ herrschte 
ex endlich den Kammerdiener an. 
„Ich glaube, Ew. Gnaden, meine Nach⸗ 
richten sind immer sicher,“ entgegnete dieser 
keineswegs erschrocken, sondern eher beleidigt. 
„Dei beste Beweis für die Wahrheit dieses 
Gerüchtes ist indessen wohl die Thatsache, daß 
der erwähnte Ritter am heutigen Nachmittag 
den König und die Prinzeß Mary auf einem 
Spazie tritte begleitetett.“ 
Der Bischof sagte nichts mehr; er winkte 
dem Kammerdeiner, sich zu entfernen, welcher 
Aufforderung dieser erst nach einigem Zögern 
Folge leistete. Dann warf sich der Bischof in 
einen Sessel, der in der Nähe des Kamins 
stand, und saß kurze Zeit in düsteres Sinnen 
verloren. 
„Herzog von Suffolk!“ murmelle er wieder 
und wieder. „Herzog von Suffolk! Trotz 
meiner Fürsorge diesen Knaben, der durch 
seinen Einfluß meiner Stellung nur zu gefährlich 
werden kann, von dem Könige fern zu haltenl 
Trotz meiner Bemühungen diesen Jüngling 
als einen ehrgeizigen, hochmüthigen Menschen 
hinzustellen. Also darum dieser kühle Gruß, 
als ich im Vorzimmer an diesem Brandon 
⸗»orüberging — der Knabe war seiner Sprache 
schoon gewiß, und ich habe mich durch die 
Bleichgültigleit des Königs, womit er in lehter 
Zeit von diesem Brandon sprach, taäuschen 
lassen. Wenn ich mir selber eine Vrube ge⸗ 
zraben hätte!“ fuhr er nach einer Pause in 
einem Selbstgespräche fort, und seine Züge 
ꝛerfinsterten sich immer mehr. „Wenn Alles, 
was ich von diesem neuen Herzog sagte, auf 
mein eigenes Haupt zurückfiele l“ 
Unruhig schritt er über den weichen Teppich, 
der seinen Gang unhörbar machte, tahin. 
Die Rachricht seincs Kammerdieners beun⸗