Full text: St. Ingberter Anzeiger

Unterhaltungsblatt 
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St Ingberter Anzeiger.— 
Vr. 149. Sonutag, den 17. Dezember — — 
Auf deim Throne.“ 
—, Historische Nodelle von J * 
* Robert Franz. J 5 
F GForisetzung) 9 F 
— VI. 
Waährend der Herzog bon Suffoit Tag 
für Tag eifrig darnach strebte, seinen Feind 
Wolsey von dem Köonige zu entfernen, und 
denselben auf dessen Eigennutz, Habgier und 
Hochmuth aufmerksam zu machen, ahnte er 
wohl wenig, wie schon das Gewitter über 
seinem Haupte schwebte, das mit einem Schlage 
alle seine kühne Hoffnungen und Glücksträume 
vernichten würde.. 
Der Konig hatte entweder nicht den Muth, 
ihn mit seinen Plänen bekannt zu machen, 
oder er hielt es nicht für nöthig, seinen Freund 
schon jetzt von den nahebevorstehenden Ereig 
nissen zu unterrichten. Allerdings hatte die 
Ernennung des Bischofs von Lincoln zum 
Erzbischof von York den Herzog nicht wenig 
hbeunruhigt, denn es zeigte ihm, wie hoch der 
jelbe noch in der Gunst des Königs stand, 
aber einestheils gab sein jugendlicher, heiterer 
Sinn es nicht zu, sich daxüber weitere Ge— 
danken zu machen, anderntheils fühlte er sich 
selbst zu sicher, um seinen eignen Sturz zu 
fürchten. 
Die Prin jessin Mary sah er oft. Der 
Herzog von Suffolk, als unzertrennlicher Be 
gleiter des Königs, genoß häufig das Vorrecht 
den Cavalier derselben abzugeben. 
Der Konig selbst freute sich über das 
schöne Paar, wenn es strahlend vor Glück und 
Freude auf den beiden Rappen dahin sprengte, 
und die Prinzessin mit so sicherer, zierlicher 
Haud die Zügel ihres Renners regierte, als 
lenne sie keine andere Beschäftigung. 
. Ahnungslos rückte für Beide der Tag 
der Trennung heran, ohne daß die kleinste 
Wolle diese letzten glücklichen Stunden trübte. 
Mittlerweile flogen unaufhörlich Couriere 
von London nach Paris und wieder zurüch; 
der Erzbischof wurde pon Tag zu Tag heiterer 
und besser gelaunt, denn der erwählte Weg 
bot ihm nicht die geringsten Unebenheiten, 
alles schien sich se nen Wunsche gemäß zu ge⸗ 
stalten und zu ordnen. WW 
Die Millionen Goldkronen dünkten Lud⸗ 
wig. XII. für eine sc schöne, jugendliche Ge⸗ 
nahlin, wie die Prinzessin Mary, nicht zuviel. 
Er hatte alle Freuden des Lebens gelostet, 
und jetzt, wo ein vorzeitiges Alter ihn an 
das Bett fesselte, lag für ihn ein eigener 
Reiz darin, noch ein halbes Kind zu seiner 
Gemahlin zu erheben, und sich durch ein hei⸗ 
jeres, lebendiges Wesen die trüben, von Gicht 
geplagten Stuuden vergessen zu machen. 
Odb sich dieses schöne, junge Geschöpf zur 
Königin von Frankreich erheben lassen wollte, 
ob es Lust und Reigung hatte, ihr volles 
deben an das eines Greises zu tnüpfen, 
darum kümmerte sich VLudwig wohl wenig, 
dachte kaum darüber nach, denn ohne seine 
Lebensweise in Anrechnung zu bringen, hielt 
er sich noch in seinem Alter berechtigt, nach 
jeder kostbaren Blüthe die Haud auszustrecken. 
Im August des Jahres 1514 wurde der 
Friede zwischen England, und. Frankresch