Full text: St. Ingberter Anzeiger

Schulter gelegt und blickte mit freudig glän⸗ 
jenden Augen zu ihm auf, während er ernst 
und innig zu ihr sprach. 
Als der junge Edelmann die beiden Mäd⸗ 
chen eintreten sah, flog ein Schatten über 
seine Züge. Miß Evesham wat hastig vor. 
„Da seid Ihr ja, Kinderchen, und hier 
ist min Junge. Komm, laß Dich vorstellen, 
Cuthbert. Miß Lloyd, und Miß Cartright — 
Lord Cuthbert Lyle. So, nun unterhaltet Euch 
zut und werdet gute Freunde.“ 
Lord Cuthbert verbeugte sich ernst und 
bderührte kaum der Damen Fingerspißen. Sein 
achtungsvoller Gruß schien zu sagen: „Fürch⸗ 
jen Sie nichts, ich werde den günstigen Zu⸗ 
full nicht mißbrauchen.“ 
Benebra schrift zun Piano und spielte um 
ihre Aufregung zu verbergen. Es gelang; die 
jüßen Töne nahmen leise die nervöse Stim⸗ 
wung ihr vom Herzen, und als fie sich wieder 
erhob, geschah es mit strahlendem Lächeln. 
Spiele doch weiter,“ bat Kitty. 
Wen⸗vra blickte auf Lord Cuthbert, der 
noch immer sinnend am Fenster stand. 
Cuthbert brauchen Sie nicht zu fragen,“ 
lächelte die alte Dame, „der ist ja stumm vor 
Entzücken. Komm, Cuthbert, gib ein Lebens· 
eichen,· Dein Schweigen wird miüverstanden.“ 
Er wandte sich langsam und sprach mit 
einem Ausdruck unbegrenzter Bewunderung: 
„Miß Lloyd muß wissen, daß ihr Spiel mich 
— 
Fottsezung desselben zu bitten, als wenn 
Sania Cäcilia selbst uns beglückt hätte.“ 
Bielleicht singen Sie auch und können 
mich begleiten d9 fragte Genevra freundlich. 
Sie schlug die Noten auf und fing zu 
präludiren an. Lord Llvle trat schweigend an 
ihre Seite. 
Des jungen Mannes prachtvolle Stimme 
zarmonirie vollkommen mit Genebra's Gesang. 
Sie selbst widerstand dem Zauber der Melodie 
nicht, und Tante Barbara's Augen funkelten 
zor Freude. 
Als das Dueit geeudet und Genevra ein 
anderes veginnen wollte, bemerkte sie Kitty's 
Aufregung und erhob sich schnell. 
Was fehlt Dir 7) fragte fie innig, und 
das zitternde Mädchen, das sichtlich und 
seuchtlos die innere Bewegung zu beherrschen 
gesucht, brach plözlich in Thränen aus. 
„Lord Lyle's Stimme klingt gerade wie 
hugo's, ich kann nicht fassen, nicht begreifen, 
daß er es nicht selbst ist. O mein Bruder! 
nein armer, armer Bruder!“ 
Einen Augenblick wars, als wolle der 
junge Mann mit offenen Armen auf sie zu⸗ 
eilen, dann trat Genevra vor und umarmte 
keitty. 
„Beruhige Dich, lieb Herz, wir wollen 
jaa nicht mehr singen, wenn es Dir wehe thut. 
Weine nicht, Kitiy, denk' daran, daß das 
leckenlose Andenken, welches Dein Bruder 
ziuterließ, mehr werth ist, als das ehrlose 
Leben so vieler Anderer.“ 
Sie hatte keine harte Rede beabsichtigt, 
hatte nur an Kitty's Schmerz gedacht und 
zemerkte den verletzz nden Doppelfinn ihrer 
Worte erst, als Lord Cuthbert bleich und trübe 
das Zimmer verließ. 
Tanute Barbara sah ganz nuglücklich aus, 
und Kitty rief schmerzlich: „Nun hab ich 
anabfichtlich Eure ganze Freude zerkört. O 
rufen Sie ihn zurück, Tantchen, dann will ich 
aicht mehr so kindisch sein.“ 
Miß Evesham schritt nach der Thür und 
blieb dann zögernd stehen. 
„Willft Du mit uns singen, Kitty, oder 
kannst Du Dich wenigstens beherrichen d 
fragte Genedra ernst. 
„Ja o ja,“ schluchzte Kitty, wie ein Kind. 
das Besserung gelobt. 
„Dann werde ich ihn selbst holen,“ ent⸗ 
zegnete Miß Lloyd und die beiden Damen 
wunderten sich über diesen Entschluß mehr, 
als über einen Blißz aus heiterem Himmel. 
„Das ist großmüthig,“ rief Tante Bar—⸗ 
bara; Kitty blichte mit den feuchten Augen 
auf, aber Genevra war schon fort. 
Sie trat in den Gar en und als sie den 
Besuchten nicht erblickte, huschte sie die Allee 
entlang, welche zu dem kleinen Tannend ickicht 
ührte, unter dem so frisch und fröhlich ein 
Quelichen rieselte, als wäre es Meilen weit 
jeder menschlichen Wohnung sern. Dort mochte 
fie wohl Cuthbert finden, denn es war so 
recht ein Pläßchen für ein gequältes Herz. 
deicht und geräuschlos schritt sie dahin und 
zlieb endlich, von Sympathie und Mikleid