Full text: St. Ingberter Anzeiger

gefesselt, plöͤßlich stehen. Auf dem moosigen 
Vrunde lag eiue duntle Gestalt, die Arme 
uͤber das Haupt geworfen, das bleiche Antlitz 
doll Herzeleid und tiefem Weh. Sollie sie 
vorwäris schreiteun, ihre Gegenwart verrathen? 
Wollte Gott, ich wäre gestorben,“ rief 
Tothbert inzwischen trostlos, ‚und die blauen 
Wogen rollten über meinem Haupie, statt über 
dem Seinen!“ 
Tiefe Stille folgte dem schmerzlichen Aus⸗ 
ruf, und das Maädchen stand noch immer 
—XV ängstlich, daß des Kleides 
Rauschen, das Knittern eines Aestchens ihre 
Vegenwart verrathe. 
O Genevra,“ begann die Stimme bei⸗ 
nahe schluchzend wieder, welch hehre Mission 
tdnntest Du erfüllen. Dein Lächeln würde 
mich hoch über des Lebens Mittelmäßigkeit 
erheben, mich zu hohen, edlen Thaten be⸗ 
geistern !“ 
Genevra's Blut rollte heißer durch die 
Adern, um zu entkommen, machte sie eine 
schnelle, und wie sie glaubie geräuschlose De⸗ 
wegung und trat auf ein dürres Reischen, 
das krachend brach. 
Lorde Cuthbert wandte sich und er⸗ 
plictte fie. 
Sie haben meine Rhapfodie gehört,“ 
begann er nach kurzer Pause bitter, „und 
perden mich nun auch noch für verruͤckt er⸗ 
flären.“ 
Zum ersten Mal im Leben verließ die 
stolze sichere Haltung die schoͤne Tochter des 
Banquiers. In mädchenhafter Verwirrung 
stand sie da und wußte nicht, was sie zu sagen 
habe. 
Kann ich Ihnen irgendwie dienen, so 
berfügen Sie über mich,“ sprach Lord Lule 
milde. 
„Ich wollte Sie bitten zurückzulommen und 
mit ins zu fingen,“ entgegnete Genevra 
ewwas gefaßler, „Kitth ist über die unfrei⸗ 
willige Störung sehr betrübt und Tante Bar⸗ 
Fara vollkommen unglücktich über diese erste 
Woltke am sonnigen Horizonte der Honeysuckle 
Tottage“ 
„Sie mußte mich fortlassen, ich bat sie, 
mich nicht aufzuhalten.“ 
,„Nun am Ende sollen wir ihre barm⸗ 
zerzigen Pläne nicht sidren. Koemmen Sie 
also und vergessen Sie das unglücdliche In⸗ 
termezzo.“ 2 
Wie leuchtete das bleiche Antliß im Wie⸗ 
derscheine ihres Lächelns! 
Genevra wäre kein Weib gewesen, wenn 
sie nicht Mitleid gefühlt hätte, und doch 
fürchtete sie sofort, zu weit gegangen zu sein, 
Nur um Tante Varbara's willen wünsche 
ich, daß sich Alles freundlich gestalte,“ be⸗ 
merkte sie kalt. 
„Ich verstehe, und umn ihretwillen werde 
ich auch all das ertragen,“ entgegnete Cuthbert 
würdevoll. 
Miß Lloyd erröthete, schritt hastig vor⸗ 
wärts und blieb dann plötzlich stehen. 
Wir benehmen uns wie Kinder. Diese 
Comödie aber ist pwecklos, denn erheuchelte 
Freundlichkeit täuscht Miß Evethams fscharfes 
Auge nicht, Deshalb will ich, so lange wir 
hier beisammen sind, die Vergangenheit ver⸗ 
zessen und Ihnen wirklich freundlich entge⸗ 
genkonmen.“ 
„Die Veirgangenheit!“ wiederholte er 
langsam, „bitte welche Beleidigung meinerseits 
säge in ihr ?“ 
,„Sie lasen meine Antwort auf ihren 
XX 
„Ich habe Ihre Zeilen nicht gelesen, aber 
ich sah, wie das Blatt in tausend Fetzen zer⸗ 
rissen wurde. 
JZerrissen ? 
„Ja, in wahnsinniger Aufregung. Der 
bloße Gedanke an jene Scene verursacht mi 
bitieres Herzeleid. Ich kann Ihnen die Verr 
hältnisse jetzt nicht erklären, aber ich bitte Sie 
zu glaubeu, daß ich nie an Sie schrieb. Ich 
hätte die Verhältnisse wohl besser zu beurtheilen 
verstanden, hätte begriffen, daß des Mannes 
dand fleckenlos sein müsse, wenn er einen 
Stern erküren wolle, auf daß er leuchtend 
seine Heimath schmüdte.“ 
„Sie behaupten also, Sie hätten jenen 
mit Ihrem Namen unterzeichneten Brief nicht 
geschrieben ?! 
„Nicht eine Silbe. Weitere Erklärung 
lann ich jetzt nicht bieten, sie soll Ihnen aber 
werden sobald die Verhältnisse es gestatten.“ 
Genevra folgerte schnell. 
Vord Lyle hatte mehrere leichtsinnige 
Kameraden mitgenommen; vielleicht hatte