Full text: St. Ingberter Anzeiger

ju Haud, überlas die Sielle noch einmal, 
Fießmal aber laut, daß man jedes ihrer 
Worte deullich verstehen konnte: 
Mee. .., den 8. Juli. 
Heute wurde die Falschmünzerwerkstatt 
des früheren Technikers, jetzt Lithagraphen 
Hofmann von den Gerichten verschlossen. Der 
Besiher hat nämlich durch Lithographie und 
sonstige Hilfamittel so täuschende Nachbildun⸗ 
gen preußischer und englischer Banknoten ge⸗ 
sertigt, daß ein geübter Fachmann dazu gehört, 
bieselben als Fälschungen zu erkennen. Die 
Falsifikate sollen die Höhe von ziemlich 800,000 
Thalern erreichen. 
Leider hat sich der Betrüger durch die 
Flucht den Armen des Gerichts entzogen, allein 
man glaubt, desselben binnen Kurzem hadhaft 
werden zu tönnen, da nach allen bedeutendern 
Orten telegraphische Depeschen und Stedbriefe 
entsendet worden sind. 
In einem Schreiben, das er zurüdgelassen, 
giebt er unter Anderem an, daß der den 
Lesern dieses Blattes durch die Rettung des 
Mädchens, der Thürmerstochter zu St. Jacob, 
bekannt gewordene und verunglückte Bruno 
Hell, in dessen Brieftasche, wie wir sei⸗ 
nerzeit mittheilten, gefälschte Banknoten und 
ein verdächtiger Brief aufgefunden wurde, 
ganz und gar unschuldig sei, daß er vielmehr 
die Falsifikate in die Brieftasche Hells gebracht 
habe, um einen möglicherweise eintretenden 
Verdacht von sich abzuwälzen. 
Wir bringen diese Nachricht um so lieber, als 
der betreffende Hell, dessen Gebeine auf unserm 
Nirchhofe ruhen, vor aller Welt nun cerecht⸗ 
fertigt dasteht. Bei der Hausdurchsuchung sind 
auch einige uneröffnete Briefe an Fräulein 
Helene Hell aufgesunden worden. Dieselben 
sünd von Gerichtswegen eröffnet worden und 
enthalten für diese nicht unwichtige Mittheil⸗ 
ungen. Der Aufenthalt der genannten Dame 
ist seit Jahren nicht mehr bekannt. Sollte sich 
die betreffende Eigenthümerin melden, so stehen 
ihr die Briefe jederzeit zu Gebote.“ 
In diesem Augenblicke knarrte die Garten⸗ 
thüre. Helene blickte hin und gewahrie den 
greisen Pastor. Sie flog auf ihn zu, daß der 
alte Mann verwundert den Kopf schüttelte. 
Er konnte kaum fein übliches „Grüß' Gott, 
meine Tochter!“ anbringen. 
Helene konnte nicht antworten. Sie klam⸗ 
nerte sich fest an den Arm des Greises und 
sog ihn in ihrer ungewoͤhnlichen Aufregung 
hach dem Tische, auf dem' die Zeitungen 
agen. 
.Ach, Ehrwürden,“ sagte sie hier, das 
Zeitungsblatt vom Tische nehmend, „et ist 
ine Nachricht, eine bedeutende Nachricht ein⸗ 
gelaufen “ 
Worüber, wein Kind ?“ fragte er. 
O lesen Sie, lesen Sie!“ 
Helene reichte ihm das Zeitungsblatt, be⸗ 
zeichnete ihm die betreffende Stelle und bes⸗ 
bachtete dann mit gespannter Aufmerksamleit 
die Züge des Pastor. 
Nun, was meinen Sie, Ehrwürden 7 
frag?e Helene, als er das Zeitungsblatt 
jenkte. 
„Was ich meine! Je nun! Ich denke 
daß es recht gut ist, daß Bruno auf diese 
Weise gerechtfertigt ist und daß alles Böse in 
der Welt seinen verdienten Lohn empfängt. 
Wohl begabt unser allmächtiger Schöpfer den 
Bosen mit Falschheit und List, seine dunklen 
Teaten auszuführen, doch schlägt er ihn auch 
gerade mit Blindheit, wo er am meisten seine 
verbrecherische Thätigkeit zu verdecken noͤthig 
sätte und gebietet ihn ein allmächtiges don⸗ 
nerndes Halt. Das Maß war voll, es mußte 
überlaufen“ 
Die Gartenthüre knarrte abirmals, als 
der ehrwürdige VPastor geendet. Die beiden 
Forster traten durch dieselbe, um die Gesell⸗ 
schaft zu vervollständigen. * 
Helene sprang ihnen ebenfalls entgegen, 
führie sie an den Tisch und theilte auch ihnen 
das frohe Erlebniß des Tages mi. 
Der Pastor versprach nun gleich am 
nächsten Tage nach Me.. schreiden zu 
wollen, damilt man in ungefähr vier Tagen 
im Besitz der Briefe sein önne· 
Der Leser lann sich denken, daß sich das 
Gespraͤch an diesen Abend uun keinen anderen 
Gegenstand drehte. Die ganze Erlebnisse He⸗ 
lenent kamen dabei wieder zur Sprache und 
boten durch ihre Mannichfaltigkeit reichlichen 
—A die eben 
geführt wurde, als die Gartenthür wieder ge⸗ 
öffnet wurde. e eaa 
Der Fine der Förfter nahm die unterdeß