Full text: St. Ingberter Anzeiger

mantischen Ansicht bezüglich chevaleresker 
Ritter. 
Das aber gestand der stolze Geist nicht 
einmal sich selbst, im Gegentheil, sie lämpfte 
heftig gegen das milde Gefühl, das siegreich 
sie zu beherrschen drohte, und hielt immer 
wieder uuleugbare Thatsachen der Vergangen⸗ 
heit aufrecht, um damit ihre Antipathie zu 
nähren. 
Lord Cuthbert machte keinen sichtbaren 
Versuch diese Stimmung zu ändern. Er ließ 
keine Gelegenheit rücksichtsvoller Aufmerksamkeit 
unbenutzt, ohne sich je den leisesten Anslug 
pon Galanterie zu erlauben und war und 
dlieb, wie Kitty lachend erklärte, Tante Bar⸗ 
dara's treuer Verehrer. Vielleicht war auch 
Kitty etwas ärgerlich, daß es ihr nie gelang, 
Lord Cuthverts formelles Wesen zu beseitigen, 
jeue namenlofe Zurückhhaltung, die irgendwie 
eine geheime Bewegung verbergen sollte. Sie 
glaubte, er habe ihr die kindische Unterbre⸗ 
vung seines Gesanges nie vergeben, und doch 
bemerkte sie, daß sein Auge gelegentlich mit 
dem Ausdrucke tiefer Sympathie auf ihr 
ruhe. 
Trotz dieser verschieden Gesühlsströmungen 
genoß die kleine Gefellschaft doch mit vollen 
Zügen des Landlebens Freude und bangte vor 
der Stuude der Trennung. 
»Und was soll heute geschehen?“ fragte 
Benevra an einem Morgen der zweiten Woche 
hres Aufenthaltes. 
„Kitty will ihre Mutter besuchen,“ ent« 
geg nete Tante Barbara, „und ich denke, wir 
müssen ihr nachgelen, mehr um Mrs. Cartright 
als um ihretwillen. Wie wäre es, wenn wir 
Alle hinritten ?“ 
„Prächtig!“ rief Miß Llodd. 
Zitw klatschte in die Hände und tanzte 
vor Freude. 
„Danke, danke, liebes Fräulein. Der Tag 
wird die Perle von Allen.“ * 
Die Gesellschaft brach in heiterster Laune 
auf. Kitty trug ein neues blaues Reitkleid, 
daß sie Genevra's sorgender Liebe verdankte, 
And diese selbst hatte eine Toilette gewählt, die 
se erst für Honeysuckle Cottage zu elegant er⸗ 
klärt hatte. 
Die beiden jungen Mädchen ritten voraus, 
Taute Barbara folgte mit Cuthbert. Sein 
Uuge hing mit leidenschaftlicher Bewunderung 
an jeder Bewegung Genevra's. 
„Ist sie nicht reizend 7* fragte Miß Eves⸗ 
ham lächelnd. 
„Sie ist ein wahrhaft königliches Weih.“ 
„Aber viel zu stolz und unduldsam“ 
„Wer fich selbst rein bewahrt und fleckeu⸗ 
os, mag sich über die Verdorbenheit Anderer 
beklagen.“ 
Tante Barbara blickte ernst aafßf. 
„Liebst Du sie, Cuthbert 7* — 
Er fenkte dag Haupl nicht, schien nicht 
verdrießlich, daß sein Geheimniß verrathen, son« 
dern antwortete offen und männtich: Ja, 
Tante Barbara.“ 
Des alten Fräͤuleins Herz schmolz ob der 
Trauer seines Tones. 8 
„Mir ist's unbegreiflich, wie sie ihren 
diebreiz, ihre Schönheit durch solch unweib⸗ 
liche Hürte verdunkeln mag, das Leben wird 
sie noch in bitteren Stunden Demuth und 
diebe lehren, wenn sie nicht selbst ihren gren- 
jenlosen Hochmuth zügelt.“ 
„Tadeln Sie sie nicht, liebes Tanichen, 
venn sie Ihre großmühige Neigung für mich 
nicht theilt,“ erwiederte Cuthbert trübe lä⸗ 
helnd,ee so weit ging selbsanich nicht in all 
L 
Mißtrauend.“ 
„Ich gebe noch nicht alle Hoffnung auf,“ 
proch Fräaulein Evesham, als Genedra sich 
alötzlich nach den Gefährten umwandte, sie iß 
tolz und eigensinnig, vnd wurde verzätschelt 
hr Leben lang. Unter der harten Hülle aber 
schlägt ein edles, warmes Herz, wohl treuer 
Minne, ja des Dienstes Jacobs werth.“ 
Ja, mahrhaftig dessen würdig.“ 
„Würdig, wer ist würdig )“ sragte Kitty, 
die das letzte Wort gehört hatte, schelmisch. 
„Oder eigentlich, wer ist es nicht 30rief 
Taute Barbara schnell, „sofern ihm nur lie— 
dendes Vertrauen, ermunterndes Entgegen⸗ 
ommen wird 
„Nun, das wird uns doch wohl schließlich 
Allen,“ bemerkte Genevra, Allen, die es ver⸗ 
dienen.“ 
„Ich weiß es nicht, deun Manche sind 
nie zu befriedigen und fordern an Unmöglich⸗ 
deit grenzende Vollkommenheit,“ senfzte Wiß 
Barbara.