Full text: St. Ingberter Anzeiger

„O Mutter,“ bat Ktiitty weinend, ‚Du 
verdirgft mir ganz entschieden etwas. Auch 
Lord Cuthbert war sonderbar bewegt und wenn 
ich denle — —“ 
„Denke nicht darüber nach, mein Kind, 
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mich nicht, ob eines Schattens quäle.“ 
.„Wo ist Genevra ?“ fragte Kitty nach 
kurzer Pausee. 
„Sie ist mit ihrem Vatet und vem Gradͤ 
fen ausgefahren.“ 
.„Wus hälist Du von GrafLubin, 
Mama ?“ 
„Ich habe mir lein Urtheil über ihn ge⸗ 
bildet.“ 
.Das dabte ich,“ seufzie Kitih. 
„Das Wetter ist schön und warm, mein 
Nind, und wenn ich wüßte, daß die Auftreng⸗ 
ung Dix nicht schädlich wäre, möchte ich Dich 
wohl in den Garten führen “ 
„O ich weiß. wasß wir ihun Mama; 
gestern wollten mich Lule, und John auf den 
Armen hinauatragen, bitte, laß es geschehen, 
denn das iß ein wahres Ereigniß füu mich, 
und e wird mir zu Muthe jsein. wie einem 
Kinde“ 33 
, Bist ahneben nicht biel mehr. Voch wir 
mollen sehen, waag Lule hazu sugt.“ 
Min der gute Mensch wird sich freuen, 
aber sie sollen mich. nicht; in der Sünfte oder 
den. Tragsessel wogen. iandern anf Kinder⸗ 
manjer.? 
Ea geschah. Welch regenden Geusrebildchen 
als die beiden Diener dos hübsche junge 
Maädchen sprgfültig auf den starlen Armen 
tvngen.mãhrend. sie lündlich sich freute und 
die weißen Händen traulich um die braunen 
Nacken schlang. 7 
In der Laube war's zu sonnig, und Luke 
meinte, unten am Rande des Parkes sei ein 
warmes, trockenes Plaͤtzchen, wo die Voͤnlein 
lieklich zwischetten und. das Bächlein fröhlich 
plätichete. 
Aber Luke, ihr sprecht ja ganz poetisch. 
traot mich zu dem Bächlein. das froöhlich 
plaischert· 
Das reizende Plätzchen entsprach ganz der 
Verheißung des treuen Alten, Luke bewun derte 
NKitthj Cariright. und, hoffte im Stillen, 
fie möchte Lord Cuthbert ebenfalls gefallen und. 
er sie eine Taget als Herrin des Schlofses 
heimführen. 
„So, jett geht Alle fort,“ sprach sie freund⸗ 
lich lächelnd. Du, Mama, ruhe aus und 
schreibe all' Deine Briefe, denn ich bleibe wohl 
den ganzen Nachmittag. Mir ist zu Muthe, 
wie der Königin eines Zauberreiches.“ 
Sie gingen, nicht ohne sich mehrsach nach 
dem lieblichen Bilde‘ umzusehen. Dort ruhte 
Kiny auf dem blumenbesäeten Rasen, die 
Weinxauken. bildeten einen malerischen Hinter⸗ 
grund, das weißße Gewand hob sich leuchtend 
ab und die golddraunen Locken fluteten über 
das Kissen, das ihr Haupt stützte, vährend 
die tiefblauen Augen träumerisch umherirrten. 
All' das sah noch Jemand, dem der Reiz 
des abgelegenen Piätzchens. dessen Stille nur 
dom Gezirhe der Jusecten, dem Zwitschern. 
der Voͤgel und dem monotonen Gemurmel des 
Bächleins unterbrochen wurde, wohl bekannt 
war. Er lehnte auf giner Moosbank hinter 
des Weinranken, die sich von ihren Pfaͤhlen 
aus in die Zmeige der nahen Eiche geschlängel 
hatten, und sa nach und nach ein leichtes 
porhangähsliches Gewebe bildeten, dos der 
leisefte aftzug bewegfhe. 
Kitty lag ruhig und unbefangen, ihr Auge 
solgte mechanisch jeder Bewegung ihrer Um⸗ 
gebuug. Ein Schmetterling sehte sich auf das 
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jein träges, nitzloses Dasein und lachte über 
die eigenem drolligen Einfälle, ein Vdgelchen 
hvüpfta vum Zweige, und auch ihm hatte das 
DPädchen. gar Manches zu sagen, während 
sinter dem rankenden Wein erst in gleicht 
zültigem Wohlgefallen, dann in vagem zunch⸗ 
menden Interesse und endlich in tiefer seh 
aeuder Zärtlichleit sie unnerwandt ein Augenpaar 
beobachtete. 
Die süße Natürlichkeit, die liebevolle 
Herzlichkeit, die sich selbst solch einen Wesen, 
wie Vögel und Schmetterlinge gegenüber, bes 
fundete, hatte auf den rastlosen, von Seldst⸗ 
porwürfen gefolterten Wanderer wunderdar 
verheißungsvollen Reiz. EcIchaute und lauschte 
und seufzte und lauschle' und schaule und 
lächelte. 
Plotzlich horte Kitih leises Rauschen hinter 
fich und hob neugierig das Haupt: Ob wohl 
ein Kaninchen oder Eichkähzchen kommen möchte,