Sl. Ingberker Anzeiger.
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Samstag, den 28. März 14112372
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Deutsches NReich.
München, 20. März. In nachstehenden Garnisonen wer⸗
den vom 1. April an Proviantämter errichtet werden und zwar.
in Ingolstadt, Germersheim, München, Ulm, Augsburg, Nürnberg
und Würzburg; jedes dieser Aemter erhält einen Proviantmeister,
einen Proviantkontroleuu und zwei Proviantamitsassisten⸗
ten, mit Ausnahme von Ulm und Germersheim, welche
nur je einen Assistenten erhalten; an denselben Orten werden auch
Lazareth-Inspektionen errichtet mit je einem Lazareth⸗Oberinspekteur,
einem Lazareth-⸗Inspekteur — nur München erhält deren drei —
und einem Apotheker.
München, 20. März. Der oberste Gerichts hof hat die
Nichtigkeitsbeschwerde des katholischen Pfarrers Lechme r von
Hoͤrgertshausen gegen das Urtheil des Appellationsgerichtes von
Oberbayern, das ihm wegen Majestätsbeleidigung eine sechsmonat-
iche Festungsstrafe zuerkannte, verworfen und den Appellanten auch
in die Kosten dieser Instanz verurtheilt. Als völlig grundlos
vurde Lechner's Behauptung erklärt, er habe mit seiner Aeußerung
man wisse nicht, ob die deutschen Fürsten von Gottes⸗ oder voñ
Teufels-Gnaden seien,“ kei neswegs den regierenden König von
hahern treffen wollen.
Mäünchen, 21. März. Durch königl. Eutschließung vom
20. d. ist der Landtag bis zum 13. April verlängert.
In Bamberg ist, wie der „Volksbote“ schreibt, eine Wei⸗
ung der k. Regierung, von Oberfranken eingetroffen, nach welcher
allen jenen Beamten, welche Polizeibeamte sind, verboten ist,
Mitglied des katholischen Casinos oder des liberalen Bürger.
ereins zu sein. J U
Karlsruhe, 18. März. Die vorläufigen Ergebnisse der
Bolkszählung vom 1. December v. J. sind nuumehr ausammen⸗
zestellt. Darnach betrug am Zählungstage die anwesende Bevol⸗
erung des Großherzogkhums Baden 1,461, 428 gegen 1,434,970
im Jahre 1867. Unter den Einwohnern waren 712,763 NMaän—
ner und 748,665 Frauen. Die größeren Städte hatten folgende
anwesende) Bevdlkerung: Mannheim 839,614, Karlsruhe 36,622,
Freiburg 24,559, Heidelberg 18,988, Pforzbeim 19,801, Rastatt
11,33559, Baden 10083, Constanz 10,052, Bruchsal 9786, Lahr
7710, Weinheim 6350, Durlach 6327, Lörrach 6085, Offen
vurg 5756, Villingen 5366, Ettlingen 8092. Alle diese Orte
haben an Einwohuerzahl, zum Theil sehr Jerheblich, zugenommen.
Unter den übrigen Städlen hat die I Jabgenommen;
bben so die Zahl der ländlichen Gemeinden. ————— —
Diese Verhältnisse beruhen offenbar auf einem wachsenden
Zuzuge aus den kleineren Slädten umd vom Lande in di grö⸗
zeren Städte. Am deutlichsten spricht sich diese Ersche nung daͤrin
aus, daß die Zunahme der Bevölkerung der fünf größten Städte
19,067 beträgt, also nahezu eben so diel, wiedi— Zunahme der
Janzen Landesbevölkerung. Der Geburienüberschuß in den vier
Jahren von 1867 bis 1871 war 13601. du bi. Bevollerung
nur um 26,458 wuchs, so müssen 17,143 Personen durch den
Austausch der Bevoͤlkerung mit dem Auslande, vornehmlich durch
Auswanderung nach Amerika, dem Lande entzogen worden sein.
NMaunz. Ber Franz Kirchheim in Mainz ist eine Schrift vom
Bischof Freiherrn v. Ketteler erschienen:; undi Centrumsfraction
zuf dem ersten deuischen Reichstage.“ Neben der Motivirung der
Riederlegung seines Mandats beabsichtigt er damit zugleich, „noch
ainmal den vielen Mißdeutungen entgegenzutreten, welche über diese
Fraction des Reichstages von Anfange an mit unermaͤdlicher Ge—
Haftigkeit verbreitet worden sind und zugleich Manches klar zu
lellen, was zur richtigen Beurtheilung dieses für unser Vaierlans
o wichtigen Abschnitts seiner Geschichte dienlich sein kann.
Darmstadi, 20. März. Das „Franks. Journ.“ meldet,
daß Prälat Dr. Zimmermann von seinen dienstlichen Geschäften
suürüdgetreten ist und um Versetzung in den Peusionsstand nach⸗
nn hat.
ulda, 20. März. Das „Frankf. Journ.“ vernimmt, daß
)ie neueste Bischofskonferenz nicht, wie es anfänglich hieß, in einer
rheinischen Stadt, sondern wieder (zum vierten Male) in Fulda
tattfinden wirdr.
Berfin. Der „K. Zig.“ wird von hier geschrieben: „Der
Bau des Nordostsee⸗Canals, welchen der Handelsminister wiederholt
dem Projecte des Suezcanals an die Seite gestellt und dessen
Ausführung er als ein europäisches Ereigniß bezeichnet hat, isl
je tzt von einer beträchtlichen Anzahl von Capitalisten als eine
erfolgreiche Anternehmung in das Auge gefaßt worden. Dieselben
haben sich soeben in einer Eingabe an das Handelsministerium
gewendet und ihren Plan vollständig entwickelt; das Weitere hängt
von der Rückäußerung des Ministeriums ab ·
Die Geistlichen der evangelischen Landeskirche sind angewiesen
worden, vom Sonntag Palmarum (24. d. M.) ab in das allge⸗
meine Kirchengebet die übliche Fürbitte für die Frau Kronprinzessin
die sich in gesegneten Umständen befindet, aufzunehmen.
Berslin, 16. März. Eine Privatdepesche des Rh. N.“
meldet: „Das Minifterium hat sich entschlossen, die Zeitungsstempel·
steuer vom 1. Jannar 1873 an fallen zu lassen. Der Finanz⸗
minister hat hierüber bereits vor einigen Tagen in einer Kommis ·
ionssitzung des Abgeordnetenhauses feste Zusage gegeben.“
Berlin, 18. März. Die Eindberufung des Reichs⸗
tages auf den 8. April, wie dies vor einigen Wochen in
Aussicht genommen war, steht, der „Corr. St.“ zufolge, nun
definitiv sesft.
Der Siegdes Fürsten Bismarck in der Schul ⸗
Inspectionsfrage wird auch von den englischen Wochenblättern mit
eler Theimahme besprochen. Die „Saturday Rebiew“ saßt die
Sache mehr von ihrem europãischen Gesichtspunkte ins Auge, indem
sle die Ansicht ausspricht, daß ihre Wirkungen weit über die Gren⸗
en der preußischen Schulen hinaus, schließlich in Frankreich und
Italien zur Gellung kommen werden.“ Die Ziele der clericalen
Partei — sagt die „Review“ in ihren Auseinandersetzungen —
ind entlarvt und mauche Franzosen werden sich fragen, ob sie
reneigt sind, dergleichen Bestrebungen zu unterstützen. Man bieiet
Frankreich seine Rache und die Erneuerung seiner politischen Su—
prematie in Europa und das sind für jeden Franzosen lockende
Anerbietungen. Allein dagegen soll Frankreich das gefügige Werk-
jeug, der Sclave der Jesuiten werden. Fürst Bismaärck ihat das
gebildeten und patriotischen Franzosen lebhaft vor die Seele gerückt.
Er hat außerdem schon Manches gethan, um demjenigen, der nach
der Rolle eines Beschützers der Ultramontanen Verlangen tragen
'ollte, die Aussicht aus Erfolg zu benehmen. Er hat an Itauen
sowohl wie an Deutschland appellirt und gezeigt, daß beide den
jleichen Gefahren ausgesetzt sind. Angesichts der Umtriebe einer
Jartei, welche nicht ohne bedeutende Hoffnung auf Erfolg sich die
derrschaft über die franzöosische Politit zu erringen sucht, müssen
Deutschland und Italien fest zusammenhalten. Fürst Bismard hat
chon Vieles geleistet, was die Aussichten. dieser Verbjndung in
hellem Lichte erscheinen läßt. Etr hat die Einheit und damit die
Ztärke Deuischlands gesichert; er hat Italien zu gleicher Zeit ge⸗
varnt und ermuthigt und Frankreich Gelegenheit geboten, sich det
Zeiten zu überlegen, ob es die Unterstützung clericaler Wühler an—
nehmen will und ob es sich überhaupt der Mühe verlohnt, diese
Auterstützung zu gewinnen. — Der Spectator“ faßt in jseiner
Betrachtung vorzugsweise die wirklichen Absichten des Fürsten Bis—
marck ins Auge. Daß derselbe in allem Einste Befürchtungen in
Betreff eines vündnisses zwischen Rom und Frankreich hegen sollte,
vill dem philosophisch ·radicaien Blatte nicht einleuchten, selbst wenn
ein solches Bunduitz bestäͤnde oder demnächst zu Stande käme.
Den Schlüssel zu der Politik des Premiers findet der „Spectator“
vielmehr in dem ernsten Wunsche des Fürsten, sich mit Rom zu
verständigen, und weil ihm nichts dabei so sehr zu Statten fläme,
venn es gilt die Ultramontanen zahm zu machen, als wenn er sie
;inmal gründlich seine Macht fuhlen lasse, so seisct in dieser eigent⸗
eich sehr unwichtigen Sache zu stark inis Zeug gegangen. Er“hat,
Jeißt es gegen Ende des Arlikels, eine offentliche Gelegendeit wa hr⸗
zenommen, den Politikern dis Vatican seine Sitäcke zu zeigen und