Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberler 2Anzeige 
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der St. Ingbeanter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaliungsblatt, mit der Dienstagt⸗ Donnerstags⸗ und Sonntags 
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M 53. 24 Donnerstaqg, den 4. April 1872 
* St. Ina berr t, den 8. April. 
Still und geräuschlos fand das erste Vierteljahr des heuerigen 
Jahres mit der Charwoche seinen Abschluß. Fast möchte man 
agen, die Politik schläft; „keine Luft von keiner Seite.“ Hohe 
ind allerhöchste Herrschaften sind auf Reisen; Minister und Landes⸗ 
vertretungen kejern ihre Ferien. Auch in der Presse merkt man 
diese politische Windstille. und ist es noch ein Glüͤck, daß Themis 
in leßter Zeit. dieler Zeit des politischen StoffMangels, etwas 
nehr als gewöhnlich thätig ist. Kaum ist das Lied vom Leipzigei 
Social⸗Demokraten Prozeß verklungen, so liefert ein neuer Pariser 
Ztandalprozeß, eine Verläumdungsklage, die der bekannte Ver⸗ 
cheidiger von Paris während der Belagerung und 4. September 
Mann, Trochusgegen eine Pariser Zeitung anstrengte, der Welt— 
d. h. der Presse, Stoff zur Unterhaltung. W 
In der friedlichen Art und Weise der letzten Woche zog je⸗ 
doch das verflossene Vierteljahr nicht an uns vorüber. Und war 
eß auch nur ein Vierteljährchen, so war es doch bedeutungs- und 
ereignißvoll, besonders für das junge deutsche Reich. Hitzige ünd 
heiße Kampfe hatte es auszufechten mit seinen Feinden im Innern, 
den Partikularisten, Ultramontanen u. s. w. In München und 
Herlin erschallte zu gleicher Zeit der Kampfesruf: Hie Welf! Hit 
Waibling! Aber, überall siegte der deutsche Gedanle und Geist und 
die Saai, die man ersticken wollte, wuchs nur um so kräftiger und 
üppiger empor, Dank ibrem Säemann und Pfleger, dem Kanzler 
des deutschen Reiches, Fürsien Bismarck. Er der es verstand au 
»die Stelle unserer frühern zerütteten, macht- und zusammenhangs⸗ 
losen deutschen Zustaände Einheit und Macht zu setzen, der einen 
Uundestag mit seiner Jämmerlichkeit gehen machte und dafür 
Deuischland ein Reichsparlament mit einem Kaiser, der Alten 
Wunsch und Sehnen, gab, er lies seinem Werke nicht das ultra⸗ 
montane Joch auflegen. AUnd wie er schon lange vorher bei allen 
denen, die es mit ihrem Vaterlande wahrhaft gut meinen, als der 
populärste Mann Deutschlands galt, dadurch wurde er noch ge⸗ 
seierter und populärer, und mit Freuden wird man von Herzen 
ich dem Glückwunsche anschließen, den die „Nordd. Allg. Ztg.“ 
dem deutschen Reichskanzler zum seinem 58. Geburtstage, den er 
m verflossenen 1. April feierte, darbringt: „Das deutsche Voll 
welches weiß, wie viel Deutschland seinem ersten Reichskanzler ver⸗ 
zankt, das deutsche Volk, welches weiß, wie sehr das neu erstan⸗ 
dene Reich auch der ferneren Dienste des großen Staatsmannet 
bedarf, — das deutsche Volk wird freudig mit uns einstimmen, 
wenn wir die Hoffnung -aussprechen, daß dem Fürsten Bismard 
dergönnt werde, seine segensreiche Thätigkeit noch viele, viele 
Jahre dem Dienste des Vaterlandes zu widmen.“ — Auch die 
Feinde Bismarcks und Deutschlands, Ultramontanen, Partikularisten 
u. s. w. werden aach ihrer Art diesen Geburtstag feiern, wahr⸗ 
cheinlich jedoch mit einem andern frommen Wuünschlein auf den 
Lippen. Nun, schaden thut es ja nicht! 
Deutsches Reich. 
München, 31 März. Von der lgl. Generalstaatskasse 
werden morgen die ersten bay erischen Reichsgolbdmün— 
zenn — 20.Markstücke — ausgegeben werden; die ersten damit 
zu effektnirenden Zahlungen sind die Diätenbezüge der Abgeordneten. 
Das Münzamt hat bis jetzt im Gesammtwerthe bis über 3 
Millionen Gulden solcher Münzen an die Generalstaatskasse 
abgeliefert. — 
München, 1. April Die Staatsministerien des k. Hauses 
und des Aeußern, dann der Finanzen haben zu demEntwurfe 
eines Gesetzes „die Vervollständigung des Eisen— 
bahnnetzes in der Pfali betreffend' an die Kammer der 
Abgeordneten das Nachtragspostulat von 600,000 fl. als Bau⸗ 
und Einrichtungskapital für eine von Grünstadt nach Eifenber 
(1,09 Meilen lange) zu bauerde Zweigbahn g bracht. 
München, 1. April. Die Arbeiten derßzur Abänderung 
des bisherigen Exerzier Reglements der Infanterie nach preußischem 
Systeme unter dem Vorsitze des Generalmajors v. Orff niederge 
setzten Reglement Kommission sind schon so weit gediehen, daß ge⸗— 
genwärtig probeweise Uebungen vorgenommen werden können. Es 
sind zu diesem Zwecke von den Abtheilungen der hiesigen Garnison 
Unteroffiziere und Mannschaften in bemessener Anzahl zugetheilt. 
In Zukunft wird das Gewehr wieder wie früher auf der linken 
Schulter getragen und wird deßhalb der Gewehrriemen am Wer—⸗ 
dergewehr für gewöhnlich kurz geschnallt; mehrere Griffe und 
Manipulationen mit dem Gewehre sallen weg und werden nur die 
zum wirklichen Waffengebrauche nothwendigen, Twie im preuß schen 
Reglement, fortbestehen; die preußischen Kommandoworte werden 
ingenommen. Als taktische Einheit wird in Zukunft die Com⸗— 
»agnie und die Compagnie⸗Colonne als Grundform der taktischen 
Bewegungen gelten; für das Plänkeln wird das in der preußischen 
Armee eingeführte Gruppensystem angenommen. 
Oifiziöse Berliner Korrespondenten schreiben: Da der Bi— 
ch of von Ermeland fich noch nicht bewogen gefunden hat, 
die an ihn ergangene Anfrage des Kultusministers betreffs der 
Erxkommunications⸗Angelegenheit zu, beantworten, so hat der Kul⸗ 
usminister es für angezeigt erachtet, die Anfrage noch einmal mit 
dem Bemerken zu wiederholen, daß die Staatsregierung nicht in 
der Lage ist, auf ein Hinhaltender Sache sich emzulassen und 
daß ein weiteres Schweigen des Bischofs empfindliche Folgen nach 
iich ziehen müsse. Auch bei der Antwort des Erzbischofs von 
döln: hat der Kultusminister es nicht bewenden lassen können, 
ondern, auch an diesen Prälaten ist die Aufforderung ergangen, 
zu erklären, welche Folgen dier von ihm über die Bonner Pro— 
fessoren verhängte Fourm der Exlommunikation für dieselben haben 
zolle; nach der Beantwortung dieser Frage wird sich selbstverständ⸗ 
lich das weitere Verfahren des Ministers richten. 
.Das vor drei Wochen in Paris erschienene Werk „Le der- 
nier des Napoléons““ wurde in den Leipziger und in Berliner 
Buchhandlungen konfiszirrr. 
Lurxremburg, 29. März. Vor Kurzem wurde zu Die— 
kirch eine Wahlschlacht unter dem Parteirufe: „Hie Preuß! Hie 
Patriot!“ geliefert, und die sogenannten Patrioten, Hr. v. Blochausen 
an der Spitze, haben einen glänzenden Sieg erfochten. Diese 
Wahl ist übrigens nur das Vorspiel zu dem größeten und bedeu- 
tenderen Wahlkampfe, der binnen wenigen Monaten Statt finden 
wird, wo die Hälfte der Kammermitglieder sich einer Neuwahl zu 
unterwerfen hat.“ Das sind gerade micht die besten Aussichten für 
das Zustandekommen eines Eisenbahnvertrags mit dem deutschen Reich. 
— Wien, 28. März. Gegenüber anderweitigen Nachrichten 
erfährt man jetzt mit Bestimmtheit, daß in Mainz und in Mann⸗ 
heim österreichische Consulate nicht errichtet werden. Dagegen ist 
mit Rücksicht auf den zunehmenden Transitverkehr die Creirung 
einiger neuen Consulate in der Schweiz in Aussicht zenommmen. 
Belgien. 
Brüssel. 30. März. Der heutige „Moniteur“ meldet: 
Frankreich hat von der ihm im Artikel 40 des Handelsvertrags 
eingeräumten Befugniß Gebrauch gemacht und den Handelsvertrag 
mit Belgien gekündigt. Die Wirksanikert desselben erlischt demnach 
am 28. März 1873. 
H48ermischtes. 
f Australien, das bekanntlich seinen Sommer während 
unseres Winters hat, war im Januar d. Irs. von einer unge— 
jeueren Hitze heimgesucht. Aus Adelaide wird gemeldet, daß die 
Temperatur zwölf Tage und Nächte lang nie niedriger als 82 
Brad F., wohl aber häufig genug 108 Grad im Schatten war. 
Das Geschäft gerieth fast gänzlich ins Stocken. Die Häuser wur—⸗ 
den tagsüber so heiß, daß die Nacht zur Abkühlung nicht hin⸗ 
reichte und daß es vielen Personen geradezu unmöglich wurde, zu 
schlafen. Selbst ein kaltes Bad wurde zu einem seltenen Luxusar⸗ 
eiikel, da die Temperatur der Wasserleitung auf 79 Grad stieg. 
F. X. Demetz, verantwortlicher Redacteur. 
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