Full text: St. Ingberter Anzeiger

der Debalte über das Rekrutirungsgesetz behauptet. die Anfangs⸗ 
färke der französischen Armee in den ersten Wochen des Krieges 
habe 250,000 Mann betragen. Dieser kecken Fülschung stellt ein 
Artikel in der „A. A. Z.“ folgende Berechnung entgegen: Bis 
zum Abend des 18. August geriet hen franzdsische Soldaten in 
Vefangenschaft: 
bei Weißenburg 
bei Woͤrth 
bei Spicheren 
bei Beaumont V 
bel Sedan 
durch die Kapitulation von Sedan 
Toul 
—9— Straßburg 
(ohne National ⸗Garden) 10,300 
durch die Kapitulation von Meß 153,000 
Verwundete in und bei Sedan 44,000 
— d — — * Meß 20,000 
J In Summa 349.000 
Dies sind allein schon 100,000 mehr 
als die Thiers'schen 2850,000 Mann. 
Dazu kommen noch: 
vdei Sedan noch Belgien übergetreten 3,000 
unter Vinoh nach Paris 12,000 
Befangen in Schletistadt, Verdun und 
indern kleinen Festungen (ohne Na⸗ 
ionalgarden) 
2* 
c. 
2 
F 
6,000 
370,000 
Endlich find die Todten doch auch zu rechnen, und zwar minde⸗ 
stens bei Weißenburg 1000, bei Wörth 6000, Spichern 8000 
Beaumont 4000. Sedan 6000, in den Metzer Schlachten 22,000, 
da General Cofsiniéͤxes in seiner Bekanntmachung vom 27. Oc— 
sober sagte: es seien von der Metzer Armee 42,462 Mann den 
feindlichen Geschossen erlegen, worunter wir die 20,000 Verwun⸗ 
deten, welche in der Kapitulation von Metz in Gefangenschait ge⸗ 
riethen, mit verstehen müsser. Im Ganzen also werden die Fran⸗ 
josen in den acht Schlachttagen bis zum 18. August wenigstens 
44,000 Todte gehabt haben. — Diese Summe zu jenen 870,000 
Mann hinzugerechnet, ergibt einen Bestand von 414,000 Mann, 
was freilich sehr von Hrn. Thiers Rechnung abweicht. 
Der Bischof von Ermland bezieht ein Staatsgehalt 
bon 35,000 Thlr., das ihm in vierteljährlichen Raten aus der 
Regierungshaupttasse in Königsberg bezahlt wird. Vor sturzem 
langte aus Berlin die Ordre an, die am 1. Juli fällige Rate 
dem Bischof nicht auszuzahlen; diese Ordre ist aber vor einigen 
Tagen widerrufen und angeordnet worden, dem Bischof vorläufig 
die Zahlung am 1. Juli noch zu leisten. 
Frankreich. 
Versailles, 3, Juli. Berathung der Vorlage über 
Besteuerung der Rohstoffe. Thiers spricht sich zu Gunsten derselben 
aus und wiederholt, daß Italien, mit welchem Fraukreich in guten 
Beziehungen sei und bleiben wolle, Letzterem keine Schwierigkeiten 
in den Weg legen werde (Murren rechts.) Thiers erwiedert darauf, 
er sei es nicht, der diese große Macht geschaffen habe. Sie bestehe 
und sei eine Thatsache, die man achten müsse, wenn man den 
Frieden wolle. Buffet antwortet Thiers. Die Beratbung wird 
morgen fortgesetzt werden. 
Das Verlangen, daß der Herzog d. Montpensier 
als in den Prozeß wegen Ermordung Primo« verwickelt, an 
Spanien ausgeliefert werde, ist in der That nun in Paris gestellt 
worden. Der fürchterliche Schtag, den Thiers durch Gewährung 
desselben den Prinzen don Orleans versetzen kann — wobei na⸗ 
ürlich von dem Gebote der Gerechtigkeit ganz abzusehen ist — 
wird die Heißsporne der Rechten vielleicht etwas einschüchtern. 
England. 
London, 29. Juni. Wie die „Morningpost“ mittheilt, 
hat fich der Kaiser Napoleon in England so vollständig alklimati⸗ 
sirt, daßß er sich neuerdinas avch die englische Nationalkrankbeit, 
das Podagra, angeschafft hat. 
Amerika. 
WNewyork, Z. Juli. Nach Berichten aus Kuba, die aus 
panischer Quelle herrühren, ist der Dampfer „Fannie“, welcher 
mit 56 Freib utern und einer Ladnng Kriegsmaterial in Kubo 
andete, verbranut, die Ladung weggenommen und der Comman 
dant getödtet worden. Die Mannschaft ist zum Theil erschossen 
zum Theil gefangen. — Dem monatlichen Ausweise des Finanz⸗ 
ministers zujolge hat die Staatsschuld der Vereinigten Staaten 
eit dem 1. Juni vm 2,000,000 TDoll. abgenommen. Der Metiall⸗ 
»orrath im Staatsschatze beträqgt 83,000,000 und das Papiergeld 
15.000.000 doll. 
Vermischtes. 
Sit. Ingbert, 5. Juli. Wie wir aus den Zeitungen 
ersehen, hat der ĩrühere practische und Eisenhüttenwerks-Arit dahie 
derr Dr. Krieger, jetzt in München, in den neuen Reichslande; 
ine seiner hohen wissenschafilichen Bildung angemessene Stellung 
zefunden als Medizinalrath bei der kaiserlichen Regierung zi 
Straßburg. 
rZweibrücken, 4. Juli. Gestern ist Se. Erxzellenz hi 
Beneral Frhr. v. Hartmann zum Besuch einer ihm befreundeier 
Familie per Bahn in unsrer Stadt eingetroffen. Trotzdem er in 
Zibilanzug kam, wurde er doch sosort erkannt und von der aut 
Anlaß eines auf Tivoli stattgehabten Militärkonzerts anwesenden 
Menge mit kebhaftem Hochrufen bewilllommnet. 
f Speier, 3. Juli. Gestern erschoß sich hier ein Unter. 
yffizier des 6. Infanteris Regiments, wie man sagt, aus Anlai 
einer von seinem Vorgesetzten erhaltenen Zurechtweisung. 
Der frühere Pfarramtscandidat Dr. Friedr. Moot don 
Bergzabern hat nach der „Pf. P.“ jetzt foörmlich seinen Austrit 
aus der protestuntischen Kirche erklärt; derselbe hat bekanntlich die 
Stelle eines Sprechers der freien Gemeinde iu Nürnberg an- 
genommen. 
Auf dem Personen⸗Bahnhof in Mannh ei mstürzte letzten 
Samstag das eiserne Dach eines Maschinenhauses ein und todten 
einen verheiratheten Arbeiter aus Karserslaulern, während zwe 
andere schwer verwundet wurden. 
Auf der Heidelberger Güter-Expedition blieb ein Ballen 
der als Eilgut von Leipzig nach Mannheim gehen sollte, volle fünf 
Tage liegen. Wohl nur ein Versehen, aber für die Betreffenden 
ein sehr unangenehmes. Die Eilguttaxe wurde aber punktlid 
erhoben. 
FMe stz, 29. Inni. Wie dieser oder jener der nach Fram 
reich ausgewanderten wieder zurückkehrt, davon hier ein Beispiel 
Ein Brauereibesitzer von Plantieres verkaufte vor einem halben 
Jahre seine Brauerei um 47,000 Fr., ging nach Frankreich, fand 
aber, daß nicht alles Gold ist, was glänzt, kam wieder zurück und 
taufte seine Brauerei um 53,000 Fr. wieder. Miederrh. C.) 
Ein Schneidergeselle in Augsburg, Namens Glückstein 
jat das Glück gehabt, iu der am 14. v. Mts. stattgehabten Zieh⸗ 
ung der Mailänder 10 Frarcs Loose das große Loos zu gewinnen 
nämlich Serie 58812 Nr. 97.5 100,000 iFrcs. Die Freude de 
zlüchllichen Herrn Glückstein läßt sich denken. 
r Aschaffenburg, 2. Juli. In der „Aschaffenburgu 
Zeitung“ findet sich folgendes Eingesandt: „Nach einer Ministerial 
perorduung ist jede Sammlung in den Voltsschulen verboten. Wi 
sommt es nun, daß die Schüler der Agathaschule immer noch an⸗ 
Jjehalten werden, Geld für die Heidenkinder — eines der vielen 
Mittel, womit man Geld erpreßt — mitzubringen ?“ 
4 Würzburg, 2. Juli. Das hiesige Bezirksomt ersucht u 
offentlichen Ausschreiben sämmiliche Distrilts- sowie Localpolizeibe⸗ 
jörden: umherziehenden Musikanten, Harfenisten, Harmonika ode 
Drehorgelspielern, Dudelsadpfeifern, Schaukastenbesitzern, Bären⸗ 
reibern ꝛc., wenn sie bei der Durchreise durch die jenseitigen 
Bezirke die Absicht kundgeben sollten, bei diefer Behörde um di 
Erlaubniß zu Productionen im Amtsbezirke Würzburg nachzusuchen 
eroöffnen zu wollen, daß ihnen eine Aussicht und Hoffnung au 
Gewährung solcher Bitte nicht gegeben werden lönne, und sie die 
Reise dahin sparen können. (Brapo! Verdient Nachahmung.) 
Laudwirthschaftliches. 
Worms, am 18. Juni. 
Stand der Früchte. In Frankreich ist derselbe im Allgemeinen keu 
erfreulicher. Wolkenbrüche, Hagel, Frost und schließlich Ueberschwemmungt 
haben Vieles, bejonders— in dem östlichen und südöstlichen Theil des Landet 
derart verdorben, daß es selbst durch das besie Wetter nicht wieder erseß 
werden kann und dieses wird bei dem anhaltend kalten Reaenwetter natürlis 
um so weniger der Fall sein. 
Etwas desser sind die Ernteaussichten im Norden und Westen-⸗ aber arqh 
hier muß sich, wenn fie verwirklicht werden sollen, die Witterung noch allr⸗ 
diger gestalten. 
Ebenso berichtet man aus England, daß durch kalte Winde, Hagel⸗ und 
Regenstürme die Fruchternte theilweise zjerstoͤrt worden sei und die naßlalt 
Witterung der lezien Wochen die Lage der Dinge eben nicht zu einer hoß 
angsvollen mache. Während in den westlichen Ländern Europas Regenb 
herfluß und kalle Winde die Ernteaussichten beeinträchtigen, beklagt man fid 
in den östlichen Laändern, Ungarn, Galizien, Sudrußland, Rumänien, über 
ju große Hiße und Trocenheil. Rach den neuesten Rachrichten soll jett end 
lich der langft ersehnte Regen gefallen und die Hoffnung auf eine gule Ernt 
die gunftigste sein. In der Molidau, der Wallachei, sowie in Schweden si 
die Äussichten agf eine gute Ernte so ausgezeichnet, wie es kaum jemals de 
Fall war und die Witterung soll nichts zu wunschen übrig lassen. Aus Po⸗ 
en lauten die Rachrichten sehr verschieden; während die Winterfruchte bb 
einigen Landestheilen, wie z5. B. im Lamzyner Kreise, vortrefflich stehen 
gingen sie in andern wegen mangelnden Regens völlig zu Grunde. 
Außs den meisten Gegenden Deutschlands, sowie aus Belgien lauten de 
Nachrichten uͤber den Stand der Getreide und Rapesaalen gunstig; die jesig 
naßtalle Witterung ist aber ganz dazu angethan die Oofinungen ver 
damd sehr herabzuimmen