Full text: St. Ingberter Anzeiger

sein würden und daß eine Abänderung dieses Gesetzes zur Zeit 
nicht in Aussicht genommen sei, daß die Regierung jedoch vertraue, 
ie würden ihrerseits keinen Anlaß geben, eine solche Abänderung 
cesp. Verschärfung als nothwendig erscheinen zu lassen. 
Berlhin, 31. Juli. Der „Provinzial⸗Correspondenz“ zu⸗ 
folge wird der Kaiser noch vor der am 2. August erfolgenden 
Abreise von Homburg nach Gaftein den Vortrag des Cultusministers 
Falk bezüglich des Bischofs von Ermeland entgegennehmen. — 
aiser Alexander wird am 4. Sept. hier eintreffen und im russi⸗ 
schen Botschaftshotel Wohnung nehmen. 
Der deutsche „Reichsanzeiger“ publizirt heute die Einführung 
olgender Gesetze in Elsaß ˖Lothringen: Gesetz, betr. die Feststellung 
ines Nachtrags zum Landeshaushalt von Elsaß⸗Lothringen für 
das Jahr 1872 vom 15. Juli 1872; Besetz, wegen Einführung 
des Reichsgesetzes vom 10. Dezember 1872, betreffend die Er⸗ 
zanzung des Strafgesetzbuches für das deutsche Reich; Gesetz, betr. 
die Erfordernisse zur Anstellung als Gerichtsschreiber und Gerichts⸗ 
ollzieher in Elsaß-Lothringen; Gesetz, betr. die Einführung des 
z 29 der Gewerbeordnung vom 15. Juli 18723. 
Berlin. Nach hier eingegangenen Nachrichten hat die Ge⸗ 
iellschaft zur Unterstützung der Colonisation und Einwanderung in 
St. Paulo (Brasilien) sich gegenüber der brasilianischen Regiernng 
zeuerdings derpflichtet, im noördlichen Europa 10,000 Auswanderer 
ju engagiren, Dieselben sollen zu MNo aus ländlichen Arbeitern 
bestehen, und die Gesellschaft hat sich berbindlich gemacht, sie als 
Arbeiter oder Knechte oder als Pächter in der Weise unterzubrin⸗ 
zen, daß der Pächter die Hälfte des Ertrages dem Eigenthümer 
ibgeben muß, oder endlich sie als Grundbesitzer auf unurbarem 
don dem Colonist der Gesellschaft abzukaufenden Lande abzufinden. 
Der Colonist kann der Gesellschaft seinen Contract erst nach Be⸗ 
ahlung seiner Schulden kündigen. Die Erfahrung hat hinlänglich 
zezeigt, daß die auf derartige Vorschläge bisher eingegangenen euro⸗ 
päischen Einwanderer ein trauriges Loos gezogen haben. Die Lage 
derselben wird in zahlreichen Berichten geradezu der Sclaverei gleich 
gestellt. Die Staatsregierung warnt daher wiederholt dringend, 
derartigen Aufforderungen Gehör zu geben, indem gleichzeitig be⸗ 
nerkt wird, daß ein Hr. G. A. Schmidt, Ditector aus Assun⸗ 
gzuy, sich nach Europa begeben hat, um für Brasilien Colonisten 
zu engagiren. 
Berlhin. Die langen verschobenen Conferenzen über die 
ociale Frage, woran fich auch Oesterreich betheiligt, sollen hier im 
October beginnen. 
Was von verschiedenen Seiten als wahrscheinliche Folge der 
chnellen Effectuirung und Ueberzeichnung der französischen Anleihe 
»crhergesagt worden ist, daß nämlich das eitle und hochmüthige 
ranzösische Volk in einein solchen Resultate das wiedergewonnene 
Brestige der „grande nation“ erblicken würde, ist im vollsten Maße 
ꝛingetroffen. Besonders aber beutet die republikanische Partei den 
iußerst günstigen Verlauf der Angelegenheit in ihrem Interesse 
nis. So sieht das „Siecle“ in dem Ergebniß der Zeichnung 
enen großartigen Triumph der Republik. „Denn,“ sagt das Blalt, 
„wenn die Völker Europa's nicht dasselbe Vertrauen, wie wir, zu 
der Beständigkeit dieser Republik hätten, die trotz aller monarchi⸗ 
tischen Ränke bereits Frantkreichs Prestige wieder aufgerichtet und 
seinen Credit auf eine Machthöhe gebracht hat, auf der er niemals 
noch gestanden, würde dann der Fremdling, würden unsere verbit⸗ 
ersten Feinde in Deutschland selbst ihre Thaler gegen unser Pa⸗ 
hdier austauschen, und dies in einer Fülle, de uns wahrhaft mit⸗ 
en in's Feenreich versetzt? Wir Alle, die wir unser Leben der 
Gründung der Republik zur Wiedergeburt Frankreichs gewidmet 
jaben, können jetzt mit Stolz das Haupt erheben und in unsere 
datriotischen Schmerzen einige Jubeltöne mischen; wir haben das 
Recht, unseren Neidern, unseren politischen Widersachern zuzurufen: 
In dieser entscheidenden Stunde, wo die unparteiische I1u!) Stimme 
der Interessen spricht, sitzt Frankreich mit Europa auf dem Rich⸗ 
terstuhle, um Eure Thaten zu richlen und die unsrigen. Alle Völ⸗ 
er erklären sich dadurch, daß sie unsere Clierten [U] in Geldangele⸗ 
genheiten werden, gegen Euch; sie bestätigen, daß die Republil in 
hren wie in unseren Augen der politische Organismus ist, der 
inseren Ideen, Sitten und Bedürfnissen am besten zusagt, und 
aß sie ihnen selbst die besten Bürgschaften der Dauer, Ordnung, 
Gerechtigkeit und des Friedens bietet.“ 
Nicht minder prahlerisch drückt sich im „Bien public“ der 
Bertraute der Frau des Präsidenten der Republik aus. „Fünf 
Milliarden in dreizehn Monaten gezeichnet,“ sagt das Organ des 
hrn. Thiers, „und wenn man dazu noch das nicht angenommene 
Anerbieten zählt, zehn Milliarden; das wird in der Geschichte als 
die Stufenleiter der Macht des französischen Credits nach den furcht⸗ 
barsten Kriegen der Neuzeit mit den Auslande und im Innern, 
dastehen; und nicht minder mathematisch und lehrreich wird dies 
zer Coẽfficient des öffentlichen Vertrauens auf die Form und die 
Ausübung, auf die Gesetzmäßigkeit und Ehrbarkeit, auf die Macht 
ind Dauer der austheilenden und erhaltenden Regierung der Re— 
ublik sein.“ Das „Univers“ entgegnet darauf, daß von der 
Darleihern neun Zentel keine Verehrer der Rpublik des Hrn— 
Thiers seien, und daß, wenn die wahre Republik bestände, mit 
pirklichen Republikaner am Steuer, die Anleihe gar nicht noͤthig 
väre; geradezu unanstädig sei es aber, von den nicht acceptirien 
Anerbieten der zehn Milliarden zu reden; denn alle Welt wisse, 
aß bei diesen Anerbietungen drei Viertel bloßer Schwindel seien 
velche an demselben Tage, wo sie verlangt worden wären, sig 
ils unrealisirbar erwiesen haben würden. Die Anleihe werde ge. 
ingen, weil, wo der Patriotismus den Athem verliere die Specu- 
ation eintrete; aber die Republit habe damit nichts zu schaffen.— 
Das klerikale Blatt möchte in dieser Hinsicht nicht ganz Un— 
recht haben. 
Hinsichtlich des Genfer Schiedsgerichts hat die Regiecung zu 
Washington officielle Nachrichten aus Genf erhalten, welche betreffe 
der dem Schiedsgerichte zur Entscheidung vorliegenden amerikanischen 
Ansprüche befriedigend lauten. 
Frankreich. 
Paris, 31. Juli. Die Zeichnungen auf die neuen Anleih⸗ 
ergeben, wie endgiltig festgestellt ist, 43 Milliarden Francs. 
Im Nord-⸗Departement hat die Arbeit in allen Gruben wieder 
zegonnen, außer in Aniche, im Pas ⸗de⸗Calais deßgleichen außer in 
Farvin: mit andern Worten von 14,000 Arbeitern feiern nod 
100. Der Stricke kann also als beendet angesehen werden. 
Italien. 
Rom, 28. Juli. Der verhaftete Correspondent des „Uni⸗ 
zers“, Jacques, soll wichtige Aussagen über den Attentatsversuch 
jegen den König Amadeo gemacht haben. Es scheint in der That 
ils ob die Alfonisten dem Anschlage nicht ferne stünden. Hier im 
Baticane herrscht für dieselben jedoch kein günstiger Wind. Al⸗ 
die Exkönigin Isabella jüngst die Vermittelung des Papstes nach 
suchte, um Don Carlos zu bewegen, daß er seinen Ansprüchen auf 
den spanischen Thron zu Gunsten Alfonso's entsage, weigerte sich 
der Papst entschieden dies zu thun; gewiß ist, daß Don Carlos 
von mehreren Cardinälen pecuniär unterstützt wird. Das hinderle 
jedoch den Papst nicht, dem König Amadeo seinen Glückwunsch 
für seire glückliche Rettung durch den Cardinal Antonelli dar—⸗ 
bringen zu lassen. 
Ueber die bevorstehenden Verhandlangen des von dem General 
der Jesuiten, Pater Beckx, einberufenen Jesuiten⸗Consistoriums er⸗ 
fäührt man, daß man unter Anderem darüber berathen werde, ob 
ind in welcher Weise die Namen und Ordenskleidung der aus 
Deutschland vertriebener Jesuiten zu ändern seien, und auf welche 
Art und Weise es möglich gemacht werden könne, diese Jejuiten 
in andere dort geduldete Orden eintreten zu lassen. 
Rom, 30. Juli. Der Papst ernannie sieben italienische und 
elf ausländische Bischöfe. Bei den Munizipalwahlen der meisten 
Städte des Südens und der römischen Provinz siegten die Libe⸗ 
alen. 
Spanien. 
Der „Irurac Bat“ veöffentlicht folgende Uebersicht der Vir⸗ 
suste der spanischen Armee in Cuba seit Beginn des dortigen Auf⸗ 
tandes. Auf dem Schlachtfelde fielen oder starben an ihrem 
Wunden: 6 Stabsoffiziere, 119 Offiziere und 1677 Soldaten. 
Durch Krankheiten verlor die Armee 14 Stabsoffiziere, 861 Off 
Jsiere und 17,718 Soldaten. Untauglich in Folge von Verwund⸗ 
ungen oder Krankheiten wurden 35 Offiziere und 6104 Soldaten. 
An Gefangenen und Deserteuren zählt man 1 Stabssöfizier, 40 
Offiziere und 635 Soldaten. 
Portugal. 
Lissabon, 30. Juli. Die Stadt ist beunruhigt durqhh 
das Gerücht von einer Verschwörung und durch strenge Regierungs 
maßregeln gegen dieselbe. 
Amerika. 
Der Kongreß der Vereinigten Staaten Amerika's hat den 
Präsidenten Grant zur Niedersetzung einer Kommission behufs Ver⸗ 
retung der Vereinigten Staaten bei der Weltausstellung in Wien 
rmächtigt und zum Präsidenten derselben Mr. Thomos B. Van 
Buren ernannt. 
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Vermischtes. 
fKKaiserslautern, 29. Juli. (3. Pfaälzische Industrie— 
Ausstellung.) Trotz der Hitze war auch in der abgel aufenen Woch 
der Besuch der Aussiellung ein ganz zufriedenste llend er. Im Ganjzen 
wurden in den bis jetzt verflossenen 14 Tagen vereinnahmt: 
An Eisenbahn⸗Billets (7000 Personen.) iji. 8500. 
An der Kasse gelöste Billets (4000 Pers.). fl. 2000. 
Für 911 Abonnements⸗Billetts. il. 2100 
Summa fi. 7600 
Bestern war die Ausstellung wieder außerordent lich zahlreich besucht 
namentlich kamen viele Ladleute, an der Kaffe' gingen ein 456 
J., auf der Eisenbahn gelöste Karten wurden 1633 abgegeben, 
daß — außer den Abonnenten und Freikarteninhabern — 2548 
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