Sst. Ingberlker AAnzeiger.
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482. Donnerstag, den A. Januar — 1872
—
). Nov. 1867 bezüglich der Dauer der Dienstipflicht der Einjährig⸗
Freiwilligen unterm 28. Dez. Folgendes bestimmt:
1) Einjährig Freiwillige, welche sich am 1. Jan. 1872 noch
n Ableistung der einjährigen activen Dienstzeit befinden, wie jene
Wehrpflichtige, welche als einjährig Freiwillige in der bayerischen
Armee zugelassen waren und am 1. Januar 1872 bereits in die
Reserve überwiesen sind, haben ein viertes Reservedienstjahr —
demnach eine Gefammt-Militärzeit von 10 Jahren — zu über⸗
tehmen.
2) Vom 1. Januar 1872 ab zum einjährig Freiwilligen-
zienst zugelassene Wehrpflichtige sind wie bisher nach einjähriger
zetiver Dienstzeit in die Reserve zu beurlauben, in welcher dieselben
odann den Rest ihrer nunmehrigen siebenjährigen Dienftzeit im
tehenden Heere abpuleisten, demnach sechs Jahre zu verbleiben
haben.
3) Für Wehrpflichtige, welche als einjährig Freiwillige in der
hayerischen Armee zugelassen waren und am 1. Januar 1872
hereits in die Landwehr überwiesen sind, findet eine Verlängerung
der bisherigen Gesammtdienstzeit von elf Jahren nicht statt.
München, 1. Jan. Mit dem Befehle zur Abrüstung unserer
Armee nach ihrer Rücktehr ins Vaterland wurde auch zugleich au⸗
zeordnet, daß — mit der Demöbilisirung gleichen Schrilt haltend
— alle auf den Mobiliñrungsplan für das Jahr 1872 bezüglichen
Vorkehrungen bis zum 1. Januar genannten Jahres bewerksielligt,
zeziehungsweise beendigt zu sein hästen; dieser Termin ist nunmehr
»a, und sind die nöthigen Arbeiten zu Ende geführt. Es sind
onach alle Bestände an Waffen, Munition, Monturen und Aus⸗
üstungsgegenstärden sowie alle zur Mobilmachung nothwendigen
ßequisiten so vollständig kompletirt, daß in genauer Befolgung des
Hobilmachungsplanes das gesammte Heer innerhalb der vorgestrecktten
Zeit vom liefsten Friedensfuße auf den Kriegsfuß gesetzt werden
ann, was bei einer ähnlichen Herausfordernng wie im Jahre
i870 in Folge der gehabten Ersahrungen ohne Friktion und noch
eichter geschehen wird, als im Juli des vorsergangenen Jahres.
Da das Vorgesagte für alle Kontingente des deusschen Reiches
zleichmäßig gilt, können wir allen- Eventnalitäten ruhig entgegen⸗
ehen, und dieses umsomehr, als der Kitt, welcher die deuischen
Urmeen im letzten Kriege gegen Frankreich verband, schon vorhanden
ist und nicht mehr erst sich bilden muß ·
München 1. Jan. Der II. Ausschuß der Kammer der
Abgeordneten hat dem Ankrag der Staaisregierung auf Remune⸗
tation für außerordentliche Leistungen des Personals der Verkehrs
anstalten während der Kriegszeit die Zustinemung ertheilt und ist
uuch damit einverstanden, daß fragliche Remuneration aus den
aufenden Eiunahmen der Verkehrsanstalten pꝛo 1871 gedeckt
werden. Dieses Einverständniß hat jedoch nur darin seinen Grund
daß die Befürchtung auftauchte, die Auszahlung der wohlverdienten
Remuneration könnte bei der Anregung einer Differenz darüber,
zus welchen Mitteln sie zu bestreiten sri, verzögert werden. Der
Ausschuß war nämlich der Ausicht, daß diese Remuneration als
Hurch den Krieg veranlaßt aus der Kriegsentschädigung zu bezahlen
sei und hat auch den Beisatz beschlossen: „gegen seinerzeitige Reiun⸗
dirung aus den Kriegsentschädigungsgeldern.“ F
Die G.Ztg. schreibt: Erst das Geschäft und dann — die
Revanche!“ denken die frauzösischen Industriellen. Die Pariser
spekuliren auf den deutschen Patriotisiaus und haben namemlich
zum-Weihnuchtsfeste eine Menge Artikel fabriziri, die eben nur
im kaiserlichen Deutschland verkäuflich sind; fle haben Bonbonieren,
Damentaschen, Lederkästchen u. dgl. /m. hergesandt, welche theils
mit dem Wappen und den Farben des Reiches, theils mit den
Portraits des deutschen Kaisers, Bismarch's, Moltke's u. A. ge⸗
chmückt sind. In der Konditorei wvon Schilling“ in Berlin war
eine ganze Gallerie solcher franjösisch-patriotischen —Arbeiten
— — — zu schauen.
Deutsches Reich. Pater Hyacinah hat seine Abreise nach Rom, wo er mit
MuUnqhen, 30. Dez. Der Konig hat fürr den Vollzug des dem Bischof Stroßmayer fich besprechen will, noch etwas verschoben.
norddeutschen Bundesgesetzes über die Krieasdienstverpflichtung vom Letzterer hatte vor knrzem Audienz beim Vopst welder unverhohlen
Ehronik der GEreignisse des Jahres 1870.
80. Dez. Eilige Verstärkung der Deutschen vor Belfort; die Deut—
chen legen Befestigungen bei Cranvillars an.
— Der preußische Oberst Wittich mit einer fliegenden Colonne nimmt
vei Souchez (zwischen Arras und Bethune) 5 Ojfiziere und 170 Mann ge⸗
angen. I s
ngegi Dezember. Forigesetzte Beschießzung der Forts von Noisy, Rosny
und Nogent, vor Paris (80. und 81. Dez.) Die Franzosen räumen ihre
Stellung vor diesen Forts.
— Gefecht bei Abbeville; eine Abtheilung mobilisirier Nationalgarden
efangen.
bet se Angriff von fünf preußischen Bataillonen (von Manteuffels Armee)
von Rouen aus auf das linke Seine⸗Ufer; die Franzosen theils zersprengt,
iheils in das feste Schloß Robert⸗le⸗-Diable geworfen, dieses erstürmt; 100
befangene, viele Todte.
VBeginn der Beschießung von Mezieres. Fortwährend kleine Gefechte
mit Franctireurs. (Die Festung ergibt sich nach 2 Tagen.)
St. Ingbert, 4. Januar.
Wir können es uns nicht versagen, aus einem Artikel der
Wiener „N. Fr. Presse“ folgendes auf das deutsche Reich und
das deutsche Bolk bezügliche mitzutheilen:
„Die germanische Cultur und Thätigkeit ist denn doch
etwas anderes, als die der auderen Völker. Ruhig und sicher
schreitet sie los auf das bestimmte Ziel, und wenn dasselbe erreicht
ist, zieht sie sich auf sich selbst zurück. Das neue deutsche Reich
ist heute die erste und stärkste Macht der Erde; es könnte die
Welt beherrschen; es könnte seine Herrschaft noch gewaltig erwei—
tern. Aber der Geist der Mäßigung und Seldsibeschränkung, wel⸗
her im deutschen Volke lebt, wehrt solchen Ausschreitungen und
würde ihnen, selbst wenn der Drang dazu bestände, einen unüber⸗
ichreitbaren Damm entgegenstellen. Deutschland schlägt feine Feinde
nieder; aber es unterjocht sie nicht. Es siegt, aber es besroht
Niemanden. Die Macht, zu welcher Deutschland sich mehr und
mehr erhebt, dankt es vor Allem der Geistesarbeit, welche der heu⸗
tigen Entwickelung voranging und die Grundlagen derstlben wissen⸗
shaftlich feststellte. Wie es ein Bolksheer war, das in den Kawpf
zog, war es auch die hohe Bildung und das unvergleichliche Ta⸗
lent der Führer, welche den Sieg gewissermaßen verbürgten. Dies⸗
mal war das Schwert im Dienste höherer als nationaler und
Machtzwecke; es siegte im Namen des Selbstbestimmungsrechtes
eines grofen Culturvolkes.“ J
Auch das Londoner Weltblatt „Times“ spricht sich in einem
Artikel, welcher eine Uebersicht über die Verhältnisse der einzelnen
dänder Europas am Schlusse des Jahres gibt, sehr günstig übet
die Lage Deutschlands aus. Das siegreiche Deutschland sei das
einzige Land, in welchem Regierung und Volt Hand in Hand
gehen. Während Frankreich durch seine Träume nach Rache nur
zur Consolidation Deutschlands beitrage und am Abhange der
Anarchie zittere, suche Deutschland seine Sicherheit in Loyalität
und Disciplin....
In Frankreich arbeitet man über Kopf und Hals an der
Reorganisation der Armee. Die Commission zur Armeeredrgani⸗
sation hat beschlossen, daß der active Militärdienst 5 Jahre zu
dauern hat. Hierauf bleibt der Mann 4 Jahre in der Reserde
und 6 Jahire in der Landwehr. Allen voran aber ist es Präsi⸗
dent Thiers, der am eifrigsten in Militärangelegenheiten macht,
obgleich das Land furchtbar darunter leidet und die Hdhe des
Militärbudgets geradezu eine unsinnige ist. Die „Times“ geifeln
die milit rischen Bestrebungen der französischen Machthaber strenge,
meinen, man hätte eher an Erörterung, Aufftellung und Verein⸗
barung eines plausibeln Finanzplanes denken sollen, ols an eine
Armecreorganisation und sagen dann (den Franzosen zum Nach⸗
denken zu empfehlen): „Zu viel Eile und Eifer, die Rachsucht zu
befriedigen, könnten übrigens für Frankreich eine Erbschaft von
Elend nach fich ziehen, welche vorhalten dürfte noch lange nach
der Zeit. wo hoffentlich die Mutb noch Rache sich gelegt hat.“ —