Full text: St. Ingberter Anzeiger

Metternich London als Botschafterplatz gefallen; dem österreichischen 
Volke gefällt Fürst Metternich auf dem Londoner Botschafterposten 
nicht. Unser auswärtiges Amt wird sich hoffentlich nicht durch 
Wiederanstellung des Schleppenträgers des Empire in den Ruf der 
Zweideutigkeit bringen. 
Wien, 23. Sept. Gutem Vernehmen nach hat der Kaiser 
Franz Joseph die sämmtlichen deutschen Fürsten, welche in 
Berlin auwesend waren, persönlich zu der Wiener Welt⸗-Ausstellung 
eingeladen und sie ersucht, dazu als seine Gäste zu erscheinen. — 
Der „Koͤln. Ztg.“ wird von hier geschrieben: „Von einer Ein— 
ladung des deutschen und des russischen Kronprinzen zur Theil— 
nahme an den Ischler Herbstjagden, durch den Kaiser Franz Jo⸗ 
seph, die jüngst in alle Welt gemeldet worden, ist hier eben so 
wenig etwas bekannt, als von der beabsichtigten Herbstreise desselben 
Kaisers von Oesterreich nach Petersburg, die gleichfalls die Runde 
durch die Blätter gemacht. Dagegen wird heute aus Dresden 
telegraphisch gemeldet, daß der Kronprinz von Sachsen einer Ein— 
ladung des Kaisers von Oesterreich zu den Gemsjagden bei JIschl 
folgen werde. 
Frankreich. 
Der österreichische Botschafter in Paris, Graf Apponyi 
hat dem französischen Minister des Auswärtigen Grafen Rémusa' 
einen Protest gegen die Ausführung des Gesetzes über die Roh 
stoffe (d. h. über deren Belastung mit Einfuhrzöllen) überreicht 
soweit dasselbe die Erzeugnisse österreichischen Ursprungs betrifft 
welche in dem franzoͤsisch⸗österreichischen Handelsvertrage erwähnt sind 
Belgien. 
Brüuüssel, 25. Sept. Soeben ist es in fünf Kohlenwerken 
des Centrums zu einer Arbeitseinstellung gekommen. Die feiernden 
Arbeiter verhalten sich ruhig; ihr Verlangen geht auf Lohnerhöung 
Schweiz. 
In Züsrich hat sich ein Polpischer social⸗-demokratischer Verein 
gebildet. Seinem Programme entnehmen wir folgende Punkte: 
8 3 lautet: Zar Erlangung der wahren Freiheit für unser Volk 
erachten wir für eine unerläßliche Bedingung den Umsturz der ge⸗ 
genwärtigen politischen, wirthschaftlichen, kirchlichen und rechtlichen 
Organisation der Gesellschaft. 54. Dieser Umsturz der gesellschaft⸗ 
lichen Ordnung ist nur zu erreichen durch einen allgemeinen Auf 
stand und die sociale Revolution. 8 77. Als Gegner aller Staats⸗ 
gjewalt erkennen wir weder histarische noch politische Rechte an. 
Der Vereid hat sein erstes Lebenszeichen durch zwei Feste gegeben, 
deren eines der Theilung Polens, das andere dem Andenken des 
im Kampfe für die Commune von Paris gefalleneun „Generals“ 
Dombrowski galt. Seine Agitation soll sich vorzüglich auf 
Galizien und Posen erstrecken.« 
Bermischtes. 
fSt. Ingbert, 28. September. Kaum hatte unsere gefällige Zwei⸗ 
brucker Nachbarin „Nachrichten für Stadt und Land“ ihr kleines beengendes 
Kleidchen abgestreift, um in einem größern Gewande ihren Gläubigen der 
geistigen Nahrung mehr bieten zu können, — so nahm auch ihr Od Corre⸗ 
spondent die Gelegenheit wahr, um in einem geharnischien, voluminösen 
Artikel wieder gegen uns zu Felde zu ziehen. In dieser seiner letzten Aus⸗ 
lassung ist der gute O» Mann aber so „wuthschnaubend“ oder vielmehr noch 
„wuthschnaubender“ — der schrecklichste der Schrecken, das ist der Mensch in 
einem Wahn — wie jener durchgegangene Fassel des Metzgers J. Hager 
Licentia wegen des profanen Vergleichs); und gedachten wir deßwegen, ihm auf 
eine leidenschaftlichen, böchst persönlichen Ausfälle gegen uns an dieset Stelle 
nicht mehr zu entgegnen, weil, wie einer unserer Weisen sagt, die beste Ant⸗ 
wort auf gewisse Dinge Schweigen ist. 
Doch in diesem Falle hätte der gute Nachrichtenmann glauben können, 
seine Philippika wäre spurlos an uns vorübergegangen. Nein! Und so diene 
denn dem Nachrichtenmann zur Nachricht und Beruhigung, daß allerdings in 
dem ersten Satze des Artikels Nr. 134 unseres Blaties, anläßlich wessen ja 
derselbe sein Müthchen an uns zu kühlen suchte, ein Verstoß gegen die richtige 
Interpunktion vorkam, indem hinter „in's Schlachthausführen“ ein Komma 
deht, das nicht hin gehört und das aus Versehen gesetzt wurde und bei der 
Correktur stehen blieb. Dies einzusehen brauchte uns aber nicht erst der 
Nachrichtenmann zu leuchten; schon vor seiner Aufmerksamkeit gegen uns 
waren wir darauf ausmerksam geworden; glaubten jedoch nicht dieses unbe⸗ 
deutenden Verstoßes wegen berichtigen zu sollen. Uebrigens ersehen wir aus 
Deiner letzten Auslassung, unfehlbarer Kachrichtenmann, daß sprachliche Un⸗ 
jehlbarkeit bei Dir auch ein leerer Wahn ist und daß Dir hie und da auch 
noch ein Lapsus begegnen kann. 
Was das Sündenregister betrifft, das der Nachrichtenmann, der, wie es 
cheint, Praxis in Abfassung solcher besitzt, die Güte hat uns vorzuhalten, so 
merken wir wohl die Absicht. Der Pferdefuß, der da herausschaut. ist, daß 
er damit bei einem Theil unserer Leser Propaganda, freilich fein züchtiglich 
verdeckt, für die „Nachrichten“ machen will; denn dieselben brauchen, wie von 
Zeit zu Zeit ihr Nothschrei lehrt, Abonnenten. Er wirft uns drum, um uns 
bei unseren katholischen Mitbürgern in Mißkredit zu bringen, Intoleranz 
und alles Mögliche und Unmögliche vor, wodurch wir denselben Aergerniß 
geben. Nun, helf, was helfen mag! Nicht wahr, lieber Nachrichtenmann 
Der Zweck heiligt ja die Mittel! Sind wir vielleicht deßwegen intolerant, 
weil wir die politischen Thatsachen und Begebenheiten rein objektiv mittheilen 
und sie nicht durch Deine schwarze Varteibrille betrachten, sehr „toleranter“ 
Nachrichtenmann? 
Was den Vorwurf anlangt, daß wir in faft jeder erscheinenden Rummer 
allem katholischen Wesen den Krieg erklärten, so ist das eine wohlberechnete 
aber plumpe und abgeschmackte Lüge. Uns ist Jeder, der Recht thut, ange⸗ 
nehm, sei er Katholik, Protestant oder Israelite. Drum baben wir auch nie 
—X 
auf Religions- und Confessions⸗Unterschiede aufmerksam gemacht und enr 
halten uns überhaupt einer jeden Besprechung der Bewegungen auf tirhüchn 
Hebiete, sofern dieselben nicht in's Politische übergreifen. Wenn wir nag 
»enjenigen suchen, die auf Religionss und Confessions⸗Unterschiede aufmern 
jam machen, dadurch aber auch den Riß, der in der civilisirten Welt die 
Nenschheit trennt, immer größer machend, so finden wir sie auf Seiten de 
Rachrichtenmannes, der, wie seine letzte Auslassung lehrt, selbst nicht uncn 
ahren darin ist. Und wollten wir aus „Germania“ und „Rheinpfalz⸗ 
„Volksbote“ und „Vaterland“ und wie sie alle heißen die Nährmütter un 
shährväter des Nachrichtenmannes und der „Nachrichten“ eine Blumenle 
halien, so könnten wir schon einen Kranz winden, aus dem das übelriechente 
Blümchen „Intoleranz“ gar grell hervor leuchtet. 
Wie der gute Nachrichtenmann zu dem Satze kommt: „Da der Anzelger 
den Ultramontanen, — also auch denen St. Ingbert's — die Bekampfung 
eines einigen Deutschlands vorwirft, so möchten wir doch die Frage an ihn 
richten, ob die Ultramontanen von St. Ingbert während des letzten deuhg 
ranzösischen Krieges weniger die deutsche Sache fördern halfen als der An— 
jeiger — ist uns nicht begreiflich. Daß der Anzeiger in seiner Entgegnung 
Nr. 144 den Ultramontanen die Bekämpfung eines einigen Deusschland 
vorwirft, wie hier der Rachrichtenmann schreibt, wird jeder als eine Luge 
erkären müssen, der die Enigegnung gelesen hat. Würden die Ultramontanen 
ein einiges Deutschland zu bekämpfen suchen, das nach den Melodien tann 
die sie aufspielen? Daß sie aber das Deutschland unter einem Hohenzoller 
wie es stark und mächtig die Verhältnisse geschaffen und wie wir es heul 
haben in Wort und Schrift, in Bauernvereinen und Casinos, auf der Kanpel 
uͤnd auf der Tribune zu bekämpfen suchen, willst Du es läugnen, sehr patti 
otischer Nachrichtenmann? Und daß es auch in Deutschland Leute gab, die 
(leiderl) Sieg den Franzosen wünschten und Niederlage den Preußen, in 
ebenso wahr, wie wahr ist, daß sich eine gewisse Anzahl bayerischer Abgeord⸗ 
neten bei Ausbruch des Krieges gegen Anschluß an Preußen erklärten. Wie 
man diese Leute nennt, wissen wir nicht; der Nachrichtenmann, dessen Hetz 
wie wir annehmen, damals gewiß warm für die deutsche Sache schlug und 
auch jetzt noch schlägt wird bei seiner bedeutenden Sprachbildung schon daß 
rechte Wort dafür finden. — Daß es auch in St. Ingbert Ultramontane 
gibt, sagt uns erst der Nachrichtenmann. Daß aber St. Ingbert während 
des deuischefranzösischen Krieges seine vollste Schuldigkeit gethan hat, ist al— 
ieitig anerkannt und wissen wir so gut, vielleicht besser, als er. 
Was die persönlichen Anzüglichkeiten betrifft, die sich der tolerante Nach 
richtenmann gegen uns erlaubti, so können wir ihn versichern, daß dieselben 
uns gar nicht Lerühren. Wir geben ihm sogar den guten Rath, fich seiner 
Giftes gegen uns noch öfter zu entledigen falls dieses zur Erhaltung seintt 
Gesundheit und zur Erlangung eines langen Lebens dienlich; vecwunden 
wird er uuns damit nicht. 
Damit Gott befohlen! lieber Nachrichtenmann. 
(Auf weitere Ausfälle des biedern O* Mannes werden wir einfach mi 
Stillschweigen antworten. Daß wir dieses nicht schon auf seine letzten Aus— 
älle thaten und uns in eine Polemik einließen, die wir weder wünschten noth 
juchten, bitten wir unsere verehrl. Leser gütigst entschuldigen zu wollen.) 
Saarbrücken, 23. Sept. Nach einer Mittheilung 
des k. Bergamtes werden die Saarkohlenpreise vom 1. Oklober 
an abermals um 3 Thaler 10 Silbergroschen per 100 Ztir., also 
um 342 Kreuzer per Zentner, erhöht werden. 
fKaifersltautern, 28. Sept. Wie wir hören, wird 
die Verloosung am 13. Oktober beginnen und mindestens8 
Tage in Anspruch nehmen. Verkauft werden 48,000 Loose, welcht 
nahezu vergriffen find. Die Zahl der Gewinne beträgt 24809 im 
Werth von 500 fl. bis zu 2 fl.; der Gesammtwert h der Gewiny 
beträgk 20,160 fl. 
Kaiferslhautern, 24. Sept. Tretz dem heute in 
Kusel stattfindenden Joahrmarkte war der hiesige Viehmarkt ziem⸗ 
lich gut befahren. Es wurden verkauft: 3 Pferde, 1 Fassel, bö 
Qühe, worunter 10 mit Kälbern, und 17 Rinder um den Ge— 
sammtpreis von ca. 12000 fl. Der nächste Viehmarkt wird Diens 
tag den 8. Oktober abgehalten. 
Imsbach, 21. Sept. Gestern Nachmittag hat sich dahier 
durch eine Handdreschmaschine ein sehr trauriger Fall zugetragen. 
Eine Frau, welche an dem kleinen Rade einer Handdreschmaschine 
drehte, hatte des Unglück, die linke Hand in das Rad zu bekommen 
welches ihr augenblicklich 4 Fiuger abriß. 
7 LGegen Verkäufer von Himbeersaftsurrogat, bei 
dem Anilin (arsenikhaltig) als Färbstoff derwendet war, sind in 
sarlsruhe polizeigerichtliche Strafen ausgesprochen worden. 
F München. Die selbstständigen Schuhmacher Bayerns 
jalten hier am 30. September einen Schuhmachertag in 
Schrannenpavillon ab, bereits sind über 300 auswärtige Theil 
nehmer angemeldet. 
Volkswirthschaft, Handel und Verkehr. 
Frankfurt, 26. Sept. Bei der heute stattg'habter 
Ziehung 6. Klasse 162r hiesiger Stadtlotterie fielen auf folgeade 
Rummern die beigesetzten Hauptpreise: Nr. 24430 und 21712 
je 1000 fl., Nr. 11400 10519 und 23730 je 300 fl. 
Vom 1. Ottober ar können von Deutschland nach den 
Bereinigten Staaten von Nordamerika Postanweisunge! 
m Betrag von 50 Dollars Gold — 77 Thaler — 122 
Hulden südd. Währung abgeschickt werden. Die Gebühr belräg 
Silbergreschen — 14 kr. für Summen bis zu 5 Ddollars,! 
Zilbergroschen — 28 kr. für Summen von 5 bis 10 Dollars 
ind so fort für je 10 Dallars mehr weit ere 8 Sgr. oder 28 
FJ. X. Demetz verantwortlicher Redacteur.