Full text: St. Ingberter Anzeiger

det Stk. Ingber ter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene AUnierhaltungsblati, mit der Dienstagt⸗, Donnerstags⸗ und Sonnta 
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173. Suaunstag, den 2. Novenmlbee 1872 
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Der Prozeß des Marschalls Bazaine. 
Es sind jetzt zwei Jahre her, daß die Festung Mes capitu⸗ 
itte und eine Ärmee von mehe als 17,000 Mann, darunter 8 
Parschälle und 6000 Offiziere, in deutsche Kriegsgefangenschaft 
gerieht. Am 29. October 1870 wurden die Forts und die Stadt 
Netz von deutschen Truppen besetzt. 
Als dieser für Frankreich so furchtbare Schlag gefallen war, 
rließ die Regierungsabtheilung in Tours, an deren Spitze be⸗ 
anntlich Gambetta stand, eine Proclamation, vin der es unter 
Anderem'hieß: „Metz hat capitulirt!Der General, anf welchen 
Frankreich, selbst nach der Expedition von Mexico, rechnete, nimm 
sem Vaterlande in Gefahr mehr als hundertiausend Mann Ver— 
heidiger; Bazaine hat Verrath geübt, er hat sich zum Werkzeug 
Rsß Mannes von Sedan gemacht und zum Mitschuldigen der Er⸗ 
berer, und mit Vernichtung der Ehre der Armee — — hat er 
zie stärkste Festung Frankreichs, jungfräulich bis auf ihn von aller 
hefleckung, den Fremden überliefert. Ein solches Verbrechen steht 
jelbst über den Strafen der Gerechtigkeit; und jetzt, Franzosen, 
nesset die Tiefe des Abgrundes, in welchen Cuch das Kaiserthum 
zestürzt hat. “ 
So wurde also gleich nach der Uebergabe von Metz das 
Thun und Lassen des Marschalls Bazaine als Verrätherei gestem⸗ 
pelt, und diese Meineng fand um so sicherern Glauben bei den 
Franzosen, als selbst nach der Einschließung von Paris die Armee, 
die sich in Metz befand, ihre Hoffnung geblieben war, und als 
die eitle Nation sich keine andere Erklärung von der Ueberlieferung 
einer großen Armete und starken Festung an den Feind geben lonnte 
und wollte. Es kam hinzu, daß in Frarkreich die Kämpfe vor 
Met in den blutigen Augusttagen als französische Siege ausge— 
zeben worden waren und zur Zeit der Uebergabe von Metz noch 
immer dafür angesehen wurden: J 
Für die Deuischen lag die natürliche Erklärung des unab⸗ 
wendbaren Ereignisses ungleich näher, und die leidenschaftliche Be⸗ 
urtheilung der Franzosen hat daher bei uns fast gar keinen An— 
lang gefunden. Die Deuitschen wissen, daß sie am 16. und 18 
AJugust 1870 einem höchst tapferen und beharrlichen Feind gegen⸗ 
ber gestanden haben, den sie nur unter dem äußersten Aufgebot 
aller disponibisen Kräfte und unter den schmerzlichsten Verlusten 
zeider Seiten unter die Forts von Metz zurückwarfen. Kurz nach 
diesen blutigen Tagen wäre aber eine Sammluug der furchtbar 
erschütterten französischen Armee und die Gew'nnung der Straße 
nach Verdun oder einer anderen Straße, um sich mit der Armee 
Mac Mahons in Verbindung zwsetzen, noch viel weniger möalich 
zewesen. Die Unmöglichkeit hatte ja der Tag von Gravelotte dem 
Fuhrer ganz klar gemacht. Die Zeugen, die das in Versailles 
niedergesetzte Kriegkgericht vernommen, bekunden, daß Bazaine über 
die Stellung und die Absichten der Armee Mac Mahon's wohl 
unterrichtet war. Damit sagen sie nichts Unbekanntes. Das 
Schwierige warrnun, die Linie der Deutschen mit einer ganzen 
Urmee und ihrem Bedarf zu durchbrechen. Und hat denn Ba⸗ 
zaine nicht am 30. und 313 August, als er wußte, daß Mac 
NRahon von Reims sich in der Richtung auf Montmedy und Meztz 
n Bewegung gesetzt habe, und als er die dentsche Armee, welche 
Net einschloß, sehr geschwächt sah, (denn mehrere Armee⸗Corps 
derselben hatlen einige Meilen nördlich und nwordwestlich von Metz 
Stellung genommen, um die Armee Mac Mahons in Empfang 
u nehmen, wenn sie etwa der dritten und' vierten deutschen Armee 
nntwischt sein sollte), einen seht geschickt angelegten Durchbruch 
ersucht, der“ nur daran scheiterte, daß Mac Mahon mit seiner 
Armee nicht bis in die Nahe von Metz kam, weil diese Armee 
im 30. August bei Beaumont ünd dann am 1. September bei 
Sedan vollends geschlogen wurde.“Es ist sehr wahrscheinlich, daß 
dazaine am 31. Augnst auf dem rechten Moselufer die äußerst 
seschwächten Lintien der deutischen Cernirungsarmee trotz deren 
Zravour hätte durchbrechen können, aber wenn nicht Mar Mahon 
w der ˖ Nähe war. hätte der Durchhruch keinen Wweck gehabt,. son⸗ 
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dern die Franzosen auf gffenem Felde dem größeren Theil der 
)eutschen Cernirungsarmee ine die Hände geführt, der, wie erwähnt, 
eine Stellung zwischen Metz und Montmedy genommen hatte. 
Das aber war die letzte Möglichkeit eines Durchbruchs. Noch Sedan: 
var die Capitulation von Metz nur eine Frage der Zeit; sie 
sing davou ab, ob Metz nuf viele Monate mit Lebensmitteln ver⸗ 
orgtewar. Und das war bekanntlich nicht der Fall. Für uns 
deutsche hat es nicht dernVeröffentlichung der Prototolle bedurft, 
vorin alle Unterfeldherrn Bazaine's und auch der alte Changar- 
rier die Unvermeidlichkeit der FestungsUebergabe därthun. Aber 
n Frankreich haben diese Protokolle keine Veränderung der Stim⸗ 
nung gegen Bazaine hervorgebracht··.— 
Nichts war natürlicher, als daß Bazaine, als er die Mittel 
)er Festung auf die Neige gehen sah, versuchte, die: Armee durch 
Verhandlung mit der Ex⸗Kaiserin in London und mit dem deutschen 
Zauptquartier zu retten. Er gehörte nicht zu denen, die heute 
»em Kaiser und morgen der Republik ihre Dienste anbieten. Von 
»en Männern, die am 4. September 1870 sich in Paris an die 
zpitze stellten, konnte er kein Heil für Frankreich erwarien. Ihn 
mochte der Gedanke bewegen, die letzte französische Feld Armee, 
wenn er sie auch zur Zeit aus den Kämpfen gegen den auswär— 
igen Feind zurückziehen mußte, doch als eine Säule der Ordnung 
ür die sicher bevorstehenden innern Kämpfe des Landes demselben 
zu bewahren. Daher seine Verhandlungen, die aber zu keinem 
Ziele führten, weil Metz nur noch wenige Tage zu halten war. 
Gambetta's obenerwaͤhnte Proclamation sagt bereits Alles, 
was dem Marschall heute noch die Franzosen zur Last legen. Die 
Berufung eines Kriegsgerichts wider ihn ist so gut wie seine Ver⸗ 
urtheilung. Niemand wagt für ihn in Frankreich das Wort zu 
nehmen. Die Franzosen wollen ein Opfer haben, und als Bona⸗ 
partist eignet er sich am besten dazu.“ Es ist das weiter nichts, 
us ein wenig Revanche, vorläufig gegen einen Mitbürger ! 
F Deutsches Reich. 
München, 80. Okt. Der gemeinschaftliche Bericht des 
„Bayerischen Vereins zar Pflege und Unterstützung im Felde ver⸗ 
vundeter und erkrankter Krieger“ und des „Bayerischen Frauen— 
oereines“ über ihre Thätigkeit in den Kriegsjahren 1870/71 ist 
nun erschienen. Das Buch dürfte der Zukunft ein Denkmal für 
die damalige Liebesthätigkeit der Bayern sein; denn bei allen 
onstigen Anforderungen, welche zu jener Zeit an die Bevblkerung 
zestellt wurden, weist doch der Vereinsbericht den kolossalen Ge— 
ammtwerth der Einnahme in Geld und Naturalien von 8,485,469 
l. 48 kr. aus! Das Werk enthält auch die Verlustliste der frei⸗ 
villigen Krankenpflege Bayerns und eine im iypographischen Buceau 
neisterhaft gefertigte Uebersichtskarte der Vereine und Vereinsan⸗ 
talten. Das Buch ist um 2 fl. durch das Bureau des Central⸗ 
omite's in München zu beziehen. 
Straßburg, 26. Oct. Dieser Tage ist hier nach dem 
Vorbilde einer schon vor 20 Jahren gebildeten Association sämmt- 
icher Kaufleute, ein Handelsverein zur „gemeinschafttichen Wah— 
ung und Vertheidigung der kaufmännischen Interessen und Rechte“ 
jegründet worden. Derselbe richtet seine Spitze zünächst gegen die 
eichsländische Eisenbahnverwaltung, und will, da er die bisherigen 
Mängel im Güterverkehr dem Mangel au Sachkenntniß Seitens 
»er Verwallung zuschreibt, dieser letzteren hierüber Rath“ ertheilen, 
ugleich aber auch durch die „Presse“ dem ganzen Lande zu wissen 
hun, in welche unerträgliche Lage man die Kaufleute verseßzt hat. 
Aus ElsaßLothringen, 28. Okt. Das preußische 
MilitärWochenblatt“ bringt Reisebriese aus Elsaß⸗Lothringen. 
darin heißt es unter Anderm:“ „Es sollte nur vor Allem dahin 
jestrebt werden, daß alle Beamten der; Post, der Eisenbahnen, der 
Stenern und so in jeder Branche, die ausgezeichnetsten wären, 
nicht blos die höhern, auch die niedern.⸗bdie mit den Volke und 
nittelbar in Berührung treten. Viele sehr achtungswerthe Beamté 
er alten Provinzen find eben altpreußische Beamte; ich will hier 
nichf an Stein's harfteßz Mart erinnern. vielmehr rühmend “„das