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M IDV. Eamstaa, den 3. Februr 1872
Chronik der Ereignisse des Jahres 1871.
28. Januar. Nachdem die Vorwerke von Paris und die Stadt selbst
mit gutem Erfolg von der diesseitigen Artillerie beschossen worden, trifft
Jules Favre aus Paris in Versailles wiederholt ein und unterzeichnet mit
dem Reichskanzler Grafen v. Bismarck einen dreiwöchentlichen Waffenstillstand
zu Wasser und zu Land. Die Linie und Mobile außer 12,000 Mann der
hariser Belagerung werden kriegsgefangen und bleiben. in der Stadt in⸗
crnitt. Die Garde national sedentgire übernimmt die Aufrechthaltung der
Ordnung. Die deutschen Truppen besetzen alle Forts. Paris bleibt cernirt,
darf sich verpflegen, wenn die Waffen ausgeliefert find, und zahlt eine Con⸗
sribution von 200 Millionen Fran⸗s. — Eine Constituante wird nach Bor⸗
deaut in 14 Tagen berufen. Die Armeen im freien Felde behalten ihre
reͤpektiven Landstrecken besetzt Rücksichtlich der Suüdarmee bleibt die Ent⸗
scheidung über den Beginn des Waffenstillstandes nch vorbehalten.
Ss hat denn in kaum siebenmonatlichem Feldzuge die deutsche Herres⸗
leitung zwei feindliche Armeen in die Kriegsgefangenschaft des eigenen Lan⸗
deß aogeführi, eine dritte vorläufig in der feindlichen Hauptstadt ohne Waf⸗
fen und Kriegsmaterial kriegsgefangen eingeschlossen und die vierte gezwun⸗
en, auf neutralem Gebiete sich interniren zu lassen. Außer diesen groß ar⸗
sugen Erfolgen aber hat das Cernirungsheer durch die Erzwingung der Ca⸗
puͤulation der stark befestigten, überreich armirten Landeshaupistadt mit ihren
wei Millionen Einwohnern und etwa einer halben Million Truppen eine
der größlen Aufgaben der Kriegführung aller Zeiten gelöst. Wohl nie sind
in einem so kurzen Zeitraume so viele, so bedeutende Feldschlachten fiegreich
geschlagent, eine so lange Reihe von Belagerungen glücklich durchgeführt, so
ahlreiche Festungen und feste Plätze des Feindes genommen, vier große
Armeen für den weitern. Verlauf des Krieges unfähig gemacht worden. Die
riegsgeschichte kennt keine Beispiele ähnlicher Leistungen in einem siebenmo⸗
natlichen Feldzuge.
* St. Jagbert, 2. Februar.
Noch heute sind die meisten Zeitungen angefüllt mit Berichten,
üüber die Verhandlungen des bayerischen Landtages betreffs der
Beschwerde des Bischofs:von Augsburg. Alle stimmen, mit Aus—
nahme der Ultramontanen natürlich, mit mehr oder minder be⸗
geisterten Worten in die Freude mit ein über den glücklichen Aus-
gang der Affaire und weiden sich an den Klagetönen, die die ent⸗
sauschten Ultramontanen gepreßtlen Herzens in ihren Organen
ausstoßen, sintemal und alldieweil mit der Nichtanerkennung der
zischöfl. Beschwerde die Infallibilität nicht zur bayerischen Staats⸗
religion gestempelt wurde. Ja, dieses liegt unseren Ultramon⸗
zanen gar schwer im Magen und macht ihnen, wie es im Volks⸗
liede heißt, groß' Schmerzen; besonders auch noch deßhalb, weil
ihnen die Niederlage vom Samstag für die Zukunft nichts Gutes
oerheißt und für die Pläne, die man noch in petto- hatte, nun
Bayern vollständig zur Domäne des Jesuitismus und Ultamon⸗
tanismus. zu machen, dasselbe Schicksal des Durchfallens befürch⸗
len läßt. Und so gaben denn schon einige ihrer Organe den un⸗
fehlbaren Abgeordneten den Rath, sammt und sonders ihre Mandate
niederzulegen, da ja doch die Mühe unnütz sei, die man sich gebe,
um gegen den Strom zu schwimmen. Diesen Grund dürfen wir
wohl als eine Unfehlba'r e Wahrheit hinnehmen: Tenn die
Zeit, in der der Ultramontanismus in Bayern seine schönsten
Spiele spielte, ist vergangen, um nie wiederzukommen und die
Strömungen des Zeitgeistes werden mächtig über denen zusammen
schlagen, die sich gleich unseren unfehlbaren Abgeordneten ihnen
entgegeustemmen werden, Wie wir jedoch unsere Pappenheimer
kennen, wird man ulttamontanerseits immer noch hoffen — „Wenn
die Hoffnung nicht wär', so lebt ich nicht mehr“ — und vorerst
nicht an das Aufgeben der Abgeordnekensitze denken, und so warnt
auch schon die „Augsb. Postzeitung“ davor, sich der Politik der
Verzweiflung hinzugeben; fie meint, das Bleiben auf dem Posten
—
sprechend. Die Lectionen müssen aber noch anders kommen.
Und solche zu geben, werden auch die liberalen Elemenke stets
auf dem Posten stehen und hat die Krone Bayerns schlagfertige
und gewandte Berather. Wie Keulenschläge trafen die Worte der
Minister von Lutzz und von Hegnenberg-Dux, alle Angriffe, Ber⸗
ljumdungen und Sophismen der Feinde zerstörend und in ihrer
Nichtigkeit zeigend, sich stütßzend auf Recht und Wahrheit. Ver—⸗
weisen wir nur auf die nebenanstehende ernste und gewaltige Resde
des Ministerpräsidenten v. Heguenberg⸗Dux, mit welcher er den
Reigen der Debatte über die Beschwerde schloß. Vor ihm haätte
Fultusminister v. Lutz gesprochen, der in zweistündiger Rede die
iltramontanen Redner, die in der Sache gesprochen hatten und
ich grade nicht als gewaltige Ritter vom Geiste zeigten, glänzend
viderlegte. Der erste Theil seiner Rede galt den Angriffen
Jörg's welcher die Gesammthaltung des Ministeriums der kath.
dirche und dem Concil gegenüber verdammt hatte. v. Lutz erwies
run, daß das gesammte dentsche Episcopat seiner Zeit dieselben
gefürchtungen vor den Beschlüssen des Concils geäußert habe, wie
ie Regierungen. Das Ministerium hindere Niemanden, an die
Anfehlbarkeit zu glauben, zwinge aber auch eben so wenig Jeman⸗
en gegen sein Gewissen an dieselbe zu glauben; allein es sschütze
ie Verfassung Bayerns vor allen Conjequenzen, welche aus diesem
Dogma erwahsen könnten. Nach dieser Ausführung bestreitet der
Minister, als ob die jetzige Regierung eine Parteiregierung sei,
vie ihr don der Rechten vorgeworfen wird, und läßt sich von der
rdinken bestätigen, daß sie in vielen Dingen nicht mit den Hand⸗
ungen des Ministeriums übereinstimme. Endlich beleuchtet er
rochmals gründlich die Entstehung und Geltung des Placetum
tegium in Bahern und zeigte, wie alle Fürsten, namentlich auch
Zudwig J., eifersüchtig über den Rechten des Siaates gewacht
hätten. D RP
. Noch in der zwölften Stunde erinnerten sich, wie sich der
Pfälz. Kurier“ ausdrückt, drei der hartgesottenen Mitglieder der
„atriotischen Fraktion ihres beim Eintritt in die Kammer geleisteten
Fides, stets nach ihrer innern Ueberzeugung, frei von allem Partei⸗
Terrotismus, ihr Votum abzugeben. Sie wollten sich nmicht nach
)er Rede des Ministerpräsidensen, der! Verantwortung aussetzen,
zen letzten Nagel in den Sarg des bürgerlichen und confesfionellen
Friedens Bayerns schlagen zu helfen. Die Namen diesersdrei Ehrenmän⸗
jer, die freilich wegen ihrer Ehrenthat von der ganzen ultramontanen
Bresse jetzt mit Koth beworfen werden, sind: Ma yer, Bezirksamtmann,
presiene, Bürgermeister, Kastner, Magistratsperson, alle Drei
Angehörige der Diöcese des beschwerdeführenden Bischofs.
Auch der edlen Selbstverleugnung und Aufopferung eines
Ffälzischen Abgeordneten ist mit das günstige Resultat der Ab⸗
ummung zu danken. Es ist dies der Abgeordneté Julius Müller,
Ztaatsanwalt zu Frankenthal, der vor einiger Zeit das Unglück
jatte, einen Fuß zu brechen, sich dessen ungeachtet aber, sein Bein
n einem großen Gypsverbanbe, am entscheidenden Tage in die
dammer bringen ließ, um, getrieben von dem reinsten und edelsten
Patriotismus, sein Votum gegen die Beschwerde abzugeben und
o den Sieg der Wahrheit und des Rechts an die liberale Fahne
zu feffeln.
Rede des bayerischen Ministerpräsidenten
v. Heguenberg. —E
Aus den Debatten der bayerischen Abgeordnetenkammer über
ie Beschwerde des Bischofs von Augsburg bringen wir ihres hohen
Interesses halber die Rede des bayerischen Ministerpräsidenten.
Der Ministerpräsident von Hegnenberg sprach sich etwa folgender⸗
naßen aus:::
„Ich möchte Ihre Blicke statt zurück nach vorwärts richten.
Nach meiner Ueberzeugung bildet die Kammer ein richtiges Bild
zes Landes, der Riß, der durch die Kammer geht, geht durch's
dand, die Gegensätze scheinen ungusgleichbar, die Träger der ent-
gegenstehenden Pricipien sind unbersöhnlich, aber nicht nur schroff
tehen- die Parteien sich gegenüber, sondern auch in einem numer⸗
schen Verhältnisse, welche es absolut unmöglich macht, daß eine
dartei die andere bewältige; unter diesen Umständen erscheint ein
riedliches und einträgliches Zusammengehen hoffnungslos, und ich
zewinne mehr und mehr den Eindruck, daß es beinahe nicht mehr
erwünscht sei. Unter diesen Umständen ist es gleichgültig, wer auf
diesem Stuhle sitzt; einer Majorität in partibus hat noch kein
Ministerium folgen können; lehnt fich aber das Ministerium auf
zie eine oder die andere Seite, so wird es stets die Hälfte des
dandes gegen sich haben; es ist auch gleichgültig, wer auf dem