Full text: St. Ingberter Anzeiger

werden, sondern aus Varzin selber, wenn nicht direct, so doch 
indireci, d. h. aus der unterrichtesten Quelle, Mittheilungen in 
die Welt gelangen, welche jenen tendenzirten Auffassungen nicht 
zerade widersprechen. Wir denlken dabei nicht an officibse Stim— 
men. Sie verkünden eben nur das, was sie sollen. Wir denken 
an gelegentliche Aeußerungen aus der Umgebung des Fürsten. 
Solche findet man von Zeit zu Zeit in Correspondenzen gewisser 
Blätter, die nur ganz außerordentlich und mit der Seltenheit von 
someten am publicistischen Himmel erscheinen, ihren vornehmen 
Ursprung aber deutlich an der Stirne tragen. So wird der 
Südd. Reichspost“ geschrieben: ‚Den Kampf mit den Ultramon⸗ 
janen wird Herr Dr. Falk allein ühren müssen und dabei viel⸗ 
leicht noch oft des Wortes von Waterloo gedenken: Ich wollte 
es wäre Nacht, oder die Preußen kämen!“ Den Herren von der 
außersten Rechten wird unendlich wohler zu Muthe sein, wenn die 
großen scharfen Augen des Premier nicht mehr über den berühm⸗ 
den gelben Kragen zu ihnen herüberleuchten, namentlich bei ge⸗ 
wissen Abstimmungen, bei welchen er seine Leute oft sehr genau 
auf's Korn zu nehmen pflegte.“ Mit andern Worten: Bismard 
hat es für gut befunden, den Cultusminister die wichtigste Sache 
der Gegenwart allein ausfechten zu lassen. Doch fügte derselbe 
Varziner Correspondent hinzu, es sei damit nur eine interimistische 
Simation geschaffen, Wir haben also abzuwarten, was weiter 
lommen wird. 
Berlin, 24. Dec. Der Kreuzzeitung“ zufolge hat der 
Reichskanzlet den Präsidenten der beiden Landtagshäuser am 22 
de seine Entbindung von dem Ministerialpräsidium, sowie dessen 
llebernahme durch den Kriegsminister v. Roon, als ältesten Staats⸗ 
minister, angezeigt. Letzterer hat heute mehrere höhere Ministerial- 
heamten empfangen. 
Ber lin, 25. Dec. Der Kriegsminister, Graf v. Roon, 
empfing gestern Mittag als Vorfitzender des Staatsministeriums 
die höheren Beamten desselben. 
Nach der „Voss. Zig.“ soll sich die bevorstehende Theilung 
der Kriegsbeute auf die genommenen Geschütze, Waffen, Gelder 
und das erbeutete Armeematerial beschränken. Bezüglich der rie⸗ 
sigen Beute an Geschützen liegt die Absicht vor, dieselben zur 
Ausprägung von Bronce⸗Scheidemünzen zu verwerthen. Was die 
Trophäen des letzten Krieges angeht, so sollen, soweit die einzel⸗ 
nen größeren deutschen Staaten nicht die von ihren Truppen er 
oberten Adler, Fahnen und Standarten schon unmittelbar an sich 
zenommen und über deren künftige Aufbewahrung verfügt haben, 
dieselben im preußischen Besitz oder mindestens doch an der Reichs- 
Tentralstelle verbleiben und dort aufbewahrt werden. Es gehdren 
dazu 86 erbeutete Adler, Fahnen und Standarten, die Schlüssel 
—— 
franzöfischen Kaiserz und die Degen und Warschallstabe der vier bei 
Sedan und Meß gefangenen französischen Marschälle, wofern an— 
ders die Uebergaͤbe dieser Beutestücke wirklich erfolgt und nicht 
aus Courtoisie auf deren Abforderung Verzicht geleistet worden 
ist, wie endlich noch eine Anzahl durch ihr Alter oder die Kunst 
hter Ausführung oder durch ihr Größe besonders ausgezeichnete 
Geschützstücke wie z. B. die auf dem Mont Valerien erbeutete 
Valerie. 
Frankreich. 
Paris, 23. Dee. Der Brief des Herzogs von Gram⸗ 
mont über die angeblichen Zusicherungen, die man ihm in Wien 
‚or Ausbruch des deutsch-franzöfischen Krieges gemacht habe, hat 
n diplomatischen Kreisen einigermaßen Aufsehen erregt. Die Worte: 
Dies bin ich der franzosischen Regierung zu sagen beauftragt 
worden,“ ließen schließen, daß der Herzog jene Zusicherungen zu 
der Zeit erhalten haben wolle, wo er franzöͤsischer Gesandter bei 
der kaiserlichen und königlichen Regierung war, also geraume Zeit 
hor seiner ÜUebernahme der ausmärtigen Geschafte und vor dem 
Auftauchen der Hohenzollernschen Thronkandidatur, und es würde 
sich in diesem Falle nur um eine ganz allgemein gehaltene unbe⸗ 
timemte Erklärung handein können, die die Urheber der Kriegser⸗ 
lärung von dem auf ihnen ruhenden Vorwurfe grenzenloser Leicht ⸗ 
fertigleit nicht zu befreien vermoͤchten. Nunmehr läßt jedoch der 
Herzog in mehreren Blättern, u. A. im „Moniteur universel“, 
zestimmt versichern, „daß jenes ihm bereits in Wien gegebene Ver⸗ 
prechen später, nachdem er Minister war, und zwar nach der 
Friegsertlarung in oöfficieller (7)) Weise (officiellement) erneuert 
worden sei,“ und wird hinzugefügt, daß man fogar nähere Daten 
Jeben könne. Wie die „Patrie“ wissen will, hat die Enquoöte⸗ 
Zommission des 4. September, nachdem sie von der Entgegnung 
des Herzogs v. Grammont auf die Aussage des Herrn Thiers 
Zenniniß erhalten, den Wunsch ausgedrückt, den kaiserlichen Minister 
noch einmal über die e Angelegenbeit zu hören. 
England. 
London, 20. Dec. In Nhiesigen amerikanischen Kreisen 
wird dem Präsidenten Grant die Absicht zugetraut, ehestenẽ 
was gegen die spanische Herrschaft auf Cuba zu unternehmen 
Quell dieser Annahme ist der anbefohlene Bau von 6 neuen 
triegsschaluppen und die Sendung Delano's nach Cuba, damit 
dieser sich von der Wahrhaftigkeit der spanischen Regierungsberichte 
über die dortigen Zustände überzeugt. 
Italien. 
Wie man der „N. Fr. Pr.“ aus Rom berichtet, erwartet 
man dort für nächsten Monai den Besuch des deutschen Kron⸗ 
prinzenpaares, sowie des großherzoglichen Paares von Baden, 
wvelche Rom und Neapel besuchen und die Gäste des Koͤnigs Viltor 
Emanuel sein werden. 
Rom, 24. Dee. Der Pabst hat gestern eine Sitzung des 
Consistoriums abgehalten, welcher 22 Cardinäle beiwohnten. In 
dieser Sitzung hat derselbe, der „Voce della Verita“ zufolge, eine 
iangere Ansprache gehalten, in welcher er u. A. erklärte: Die 
rirche werde noch immer hestig verfolgt. Die Verfolgung habe den 
Zweck, die katholische Kirche zu vernichlen und es trete diese Ab⸗ 
icht besonders in den Acten der italienischen Regierung zu Tage, 
velche die Geistlichen zu Militärdiensten herangezogen, den Bischöfen 
zie Befugniß zur Ertheilung von Unterricht genommen und die 
Züter der Kirche mit schweren Steuern belegt habe. Besonders aber 
greife die italienische Regierung die katholische Kirche durch den 
etzt dem Parlamente vorgelegten Gesetzentwurf, betreffend die reli⸗ 
ziösen Korperschaften an, durch welchen das Besitzrecht der Kirche 
jeschädigt werde, und welcher in sich eine schwere Verletzung der 
jem Pabste zustehenden apostolischen Rechte enthalte. „Angesichts 
dieser Gefetzoorlage“, fäͤhrt der Pabst fort, erheben wir vor Ihnen 
ind der ganzen Kirche unsere Stimme, indem wir jedes Gesetz 
derdammen, welches die religiösen Verbindungen in Rom oder in 
den benachbarten Provinzen vermindert oder unterdrückt. Wir er⸗ 
klären demgemäß auch jede unter irgend welchem Titel geschehene 
Erwerbung von Gütern der Kirche für null und nichtig. Hierauf 
hrachte der Pabst den Urhebern des besprochenen Gesetzentwurfs 
Jegenüber die Kirchenstrafen in Erinnerung, welche gegen die Räuber 
zer Rechte der Kirche auszusprechen sind und fuhr sodann fort: 
Der Schmerz über die der Kirche in Italien zugefügten Unbilden 
vird aber noch gewaltig gesteigert durch die grausamen Verfol- 
gungen, deren Gegendstand die Kirche im Peutschen Reiche ist. 
Dort ist man nicht dloß mit List, jondern sogar mit offener 
Bewalt bestrebt, die Kirche zu vernichten, indem Personen, die nicht 
allein nicht zu den Bekennern unserer Religion zählen, sondern 
die auch unsere Religion gar nicht einmal kennen, sich d'e Befug⸗ 
niß und Macht anmaßen, die Dogmen und die Rechte der latho⸗ 
lischen Kirche zu definiren. In dieser ihrer Anmaßung gehen diese 
Männer so weit, den Katholiken selbst auch noch die Ursache 
der Verfolgung zuzuschreiben und richten heflige Anklage gegen 
die Bischöfe, den Klerus und die gläubige Bevölkerung, indem fie 
die Gesetze und den Willen des Deutschen Reichs über die gehei⸗ 
ligten Gebote der Kirche zu stellen bemüht sind. Die Männer, die 
an der Spitze der oͤffentlichen Angelegenheiten stehen, sollen doch 
bedenken, daß von den Unterthanen keine mehr, als die Katho liken 
hdem Kaiser geben, was des Kaisers ist, daß dieselben aber deß⸗ 
halb eben auch Gott geben, was Gottes ist. Der Pabst erklärt 
veiter: Auch in einigen Theilen der Schweiz scheine man auf 
denselben Wegen zu wandeln, wie in Deutschland; die Vorkomm⸗ 
nisse in Genf seien hierfür ein schlagendes Beispiel. Das in 
Spanien zu Stande gekommene Gesetz über die Dotation des 
lerus laufe der Gerechtigkeit und den abgeschlossenen Concordaten 
uwider und müsse er gegen dieses Gesetz nachdrücklichst Verwah ⸗ 
üng einlegen. Die Armenier in Constantinopel, welche sich im 
Schisma befänden, beharrten bei ihrer Rebellion und beraubten 
in hinterlistiger Weise die Katholiken ihrer wohlerworbenen Ge⸗ 
echisame. Die Standhaftigkeit des Epicopats und des Klerns in 
allen Ländern, welche vereint mit dem glänbigen Volke die Ver⸗ 
heidigung der Kirche sich angelegen sein ließen, gereiche ihm da⸗ 
gegen zur höchsten Freude und Anerkennung. Schießlich forderte 
der Pabst die Metropolitanbischöfe auf, ihre Suffraganbischöfe zu 
versammeln und sich mit ihnen über den gemeinsamen Kampf 
gegen die Ungerechtigkeit zu berathen. Er flehte Goit an, der Kirche 
zu Hilfe zu kommen. Nach dieser Allocution wurden 11 neue Bi⸗ 
schöfe, darunter 6 für Italien, Z für Spanien, 2 für andere Länder 
ernannt. Es fand endlich hierauf der Empfang der Cardinäle statt, 
welche dem Pabste ihre Glückwünsche zum Jahresw echsel darbracht en. 
Schweiz. 
In Genf, dem europaischen Sammelbeden, befinden sich, 
nach der „N. fr. Pr.“ gegenwärtig über 400 französische Deser- 
eure, ein seltsamer Comnentar zu dem so laut verkündeten En⸗ 
thusiasmus für das neue Militärgesetz, das aus jedem Franzosen 
einen Soldaten macht. 
Amerika. 
Ueber den jetzigen Stand des Heeres und der Flotte der 
Vereinigten Staaten entnehmen wir den vom amerikanischen Kriegs⸗ 
ekretär, General Belknapp, und vom Flottensecretär Robeson her⸗ 
rusgegebenen amtlichen Berichten einige interessante Daten. Die