Full text: St. Ingberter Anzeiger

rüheren Schüler im Lyceum von Montpellier, Hauptmann vom 
Heneralstabe, lam eines Tages mit Büchern« unter dem Arme in 
nein Studirzimmer und bat mich, mit ihm auf ver Stelle die 
deutschen Stunden wieder aufzunehmen, welche ich ihm früher ge⸗ 
zeben,“ und die erz wie biele seiner Kameraden von St. Cyr, nur 
zazu benutzt hatte, um nicht unreif für die Schule zu sein. Ich 
nachte bei seinem Verlangen ein ungläubiges Lächeln, da ich aus 
ziemlich langer Erfahrung wußte, daß man Kinder und Jünglinge, 
aber niemals Erwachsener das Deutsche lehren kann. Mein Ge⸗ 
reralstabs⸗ Capitäͤn hatte im Lyceum Beweise von Fähigkeit und 
Eifer abgelegt, und in der Militärschule tapfer vergessen. Ich 
ragte ihn nach dem Grunde dieser plötzlichen Liebe für die in der 
xanzösischen Armee so wenig beliebte Sprache, uundich erfuhr von 
hin was ich heute ohne Indiscretivn (im Jahre 1866) gestehen 
kann, nämlich, daß man sich (immer noch interessant genug!) auf 
dem Kriegsministerium, auf eine Expedition gegen ... Preußen 
zorbereite! Man könnle von einem Augenblicke zum anderen abgehen, 
mnd als wern die Wissenschaft sich eben so schnell abmachen lasse, wie 
on Paar Schuhe, sollte man das Deutsche in ein oder zwei Monaten 
eenen, um den Damen von Potsdam ein wenig die Cour machen 
u. sich eine bequeme Reiferoute vorzeichnen zu lönnen. Nach Berlin! 
Nach Berlin! Dieser unheilvolle Ruf, welcher im Juli 1870 unsere 
Voulevards erschinterte, ich werde ihn mein Leben lang hören, 
und mit welcher Erregung, guter Gott! Die Unglücklichen! „Ich 
zin“ — so fuhr mein Capitän fort —., von Sr. Erxcellenz mit 
ninem gewissen Theile der Vorarbeiten betraut. Unglücklicherweise 
tehlen mir und meinen Cameraden zwei wesentliche Dinge: weder 
die einen nach die anderen verstehen Deutsch, und dann fehlen 
uns im Ministerium die Documente, die nothwendig sind, um die 
Reihenfolge unserer Etappen und unserer Transporte im feindlichen 
Lande aufzustellen, fast vollständig. Gedrängt durch die Zeit und 
den Minisier, servirle der Kapitän die unrichtigen Uebersetzungen 
des Joanne () der in Deutschland am meisten Ruf hat, des 
—3 in dessen Reisebuch mit, gewissenhafter Genauigkeit die 
Zahl und die Preise der Städte und Flecken verzeichnet sind, 
velche an den Eisenbahulinien des Landes liegen, in welchem sich 
Berlin befindet. Nach zwei Monaten stellte mein ehemaliger 
Schüler, den seine Machtlosigkeit ohre Zweifel etwas confus ge— 
macht hatte, seine Stunden ein, blieb zu Hause und ich sah ihn 
nicht wieder. Es wurde ihm klar, wie es heute mehr denn je 
für uns Alle ist, daß das Studium von Bädeker, ohne Schwierig— 
feit Handlungsreisende und Touristen nach Berlin führen kann, daß 
es aber Armeen nicht hinführt, selbst wenn es die französischen 
wären. J 
Die Kommission für den Antrag des Herrn Buisson, be⸗ 
treffend die National⸗Substriptiption, hielt in den letzten Tagen 
zwei Sitzungen, ohne noch zu einem Beschlusse zu gelangen. Daß 
s für die Nationalversammlung dringend sei, thren Standpunkt 
in dieser Frage kundzugeben, darüber waren alle Mitglieder der 
dommisston einig; in materieller Hinsicht aber liefen die Anfichten 
weit auseinander. 283 
SEchweißzßzz. 
—Bern s8. Febr. Hier verweilen zur Zeit drei Kommissäre 
det franzosischen Regierung, um nachträglich eine Revision der von 
der Schweiz aufgestellten Rechnung über die Kosten der Internirung 
der Bourbalischen Armee vorzunehmen. Wie es heißt, sollen die 
derren sehr gründlich perfahren. (A. J.) 64. 
74 3 England. ad 
VLondon, 9. Febr. Napoleon hat dieser Tage den Ankauf 
»er großen, dem Fürsten zu Schaumburg⸗Lippe gehörenden Güter 
n Slavonien abgeschlössen. 
mischtes. 
7 Mannheim, 7. Febr. Vorgestern Abend halb 7 Uhr 
gerieth der 66 Jahre alte, verwittwete Eisenbahntaglöhner Haas 
von Ilbesheim am Nedarauer Uebergang aus Unbersichtigkeit uͤnter 
inen der sich gerade kreüzenden Eisenbahnzüge. Derselbe wurde 
örmlich geviertheilt und war sosort eine Leiche. — Heute früh 
ad Uhr' ereignete sich in der Nähe des Bahnwartshäuschen beim 
sdeckarauer Uebergang wiederhott ein Unglücksfaff. Dem Eisen⸗ 
ahntaglöhner Martin Probst von Fricdrichsfeld wurde von dem 
gahnzuge ein Bein abgefahren.“ (M. J,) I 
Hundete von Gästen auf dem jüngsten Hofballe in 
Nümnschew sind Zeugen gewesen, wie fein König Ludwig ohne 
Porte seinen Ministern für ihren siegreichen Römerzug gedankt hat. 
die uralte Etikette, die Bibel des Hofmarschalls und Oberceremo⸗ 
rienmeisters, gebietet, daß der Königne beim „Souper“ im eesten 
Zimmer nur mit fürstlichen Personen zu Tische sitzt, die Minister 
ehören in's zweite Zimmer; aber siehe da, diesmal saßen die 
Ninister Hegnenberg und Luß an der Tafel des Königs und ihm 
ur Rechten und Linken. Manchein alten Hofmann gab's einen 
Ztich in's Herz und dem päpstlichen Nutius fiel ein biterer Trop⸗ 
en in den funkeluden Römer, die andern aber freuten sich des 
dönigs und tranken ein stllles Glas auf den Münchener Römerzug. 
fFGelsenkirchen, 83. Febr. Gedankenloser Unvorsichtig⸗ 
eit find leider gestern Abend wieder zwei Menschenleben zum Opfer 
jefallen. Ein Vergmann in Braubauerschaft hatte in unbegreiflichem 
Leichtsinne eine größere Ouantität Dynamit hinter dem Ofen auf⸗ 
Jehängt.“Er selbst war zur Arbeit gegangen, während seine Frau 
nit zwei Kindern zurückblieb. Plötzlich eutzündet sich das Dyna- 
nit hinter dem heißen Ofen — das Häuschen liegt sofort zu 
Oreiviertheilen in Trümmern. Ein Knabe wird durch eine auf⸗ 
jerissene Wand ins Freie geschleudert unq scheint weiter keine Ver⸗ 
etzungen davon zu haben. Das andere Kind war sofort todt und 
st am Körper schwarz angelausen. Die Mutter der drei Kinder 
st aber entsetzlich verstümmelt; Theile von ihr lagen weit und 
zreit umher. 
7 Berlhin. Die „Volksztg.“ erzählt: Eine alte Dame, 
die den Werth und Grund des Bodens in und bei Berlin nicht 
annte, verkaufte vor Kurzem einen Komplex in der Nähe des 
dreuzberges für den ihr enorm hoch erscheinenden Preis von 
22,000 Thlr. mit einer Anzahlung von 8000 Thlr. Kurze Zeit 
arauf kam zu dem neuen Besitzer ein Commissionär und bot ihm 
30,000 Thlr., wurde aber abgewiesen, da das Terrain parjzellirt 
und zu Baustellen eingerichtet werden solle. Einige Tage später 
am ein anderer Commissionär, und frug nach dem Preise pro 
ZQuadratruthe. Man verständigte sich und der Preis des ganzen 
domplexes stellte sich nun auf 2580,000 Thlr.!!! die dem Ver⸗ 
säufer won einem hiesigen reichen Speculanten baar ausgezahlt 
vurden. 
F. X. Demesz, verantwortlicher Redactem. 
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Redattion. Drud und Verlag von F. X. Demetz in St— Inabern