Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
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Deutsches Reich. 
Mänchen, 2. Juni. Sitzung der Abgeordnetenkammer. 
1wg. Herz verlies! eine Interpellation über Einführung der obli— 
gatorischen Civilehe. Es sei, sagt er, nicht nothig, die allbekannten 
NRißstünde darzulegen, welche deren Einführung in Bahern und 
inderen deutschen Staaten nothwendig machen; die jetzige Partei⸗ 
age in Bayern mache die Regelung dieses Gegenstandes durch die 
Landesgesetzgebung auf lange hi.naaus unthunlich; er frage daher 
n, ob Ausficht vorhanden sei, daß der Bundesrath mit Zusiim⸗ 
—ER Reichstag 
ine darauf bezügliche Vorlage mache. Der Minister des Innern 
eklärt, die Interpellation in einer der nächsten Sitzungen beant 
vorten zu wollen. u 
Berhin. 831. Mai. Der von der „Independance“ ange— 
eigte Brüsseler Congreß wegen der Kriegsgefangenen wird von 
zem Kaiser Alexander persönlich begünstigt und ist eine Fortsetzung 
der früher ebensalls von Kaiser Alexander angeregten Reform wegen 
er expiodirenden Kugeln. Der Congreß dürfte sich außer mit den 
Kriegsgefangenen auch noch mit einizen die Vorwundeten betreffen⸗ 
den Puntten beschäftigen, in Anschluß an die Genfer Convention. 
Man glaubt, daß nicht nur die Großmächte, sonder noch andere 
Regierungen betheiligi sein werden. Gortschakow hatte hier übri— 
gens während seines Aufenthaltes zur Zeit des Besuches des 
Haisers Alexander mehreren Diplomaten von der Sache gesprochen. 
Frankreich. 
Paris, 28. Mai. Der Gerichtshof von Versailles hat 
zegen den Fürsten Metteraich und den Grafen von Montebello 
vegen ihres Duells die Untersuchung eingeleitet. 
Paris, 29. Mai. Einer großartigen Schwindelindustrie 
ist so eben die Pariser Polizei auf die Spur gekommen. Unter 
der Leitung eines Hrn. Oliver, ehemaligen Redactionsfekretärs des 
Public,“ einer offiziösen Zeitung des Kaiserreichs, bestand hier 
eine im großen Sihl angelegte Agentur, welche sich den foͤrmlichen 
ommerciellen Vertrieb auswärtiger Ordensdecorationen zur Auf- 
jabe gestellt hatte. An der Spitze des Unternehmens stand, außer 
zem Genannten, noch ein anderer Journalist, und von beiden be 
ehligt funktionirte ein ganzes Häuflein von Agenten, Mittelsper- 
onen, Ordensfabrikanken und endlich ein Lithograph; denn man 
hat bereits erralhen, daß sämmtliche von dirsem Dureau geführte 
Decorationen auf gefälschten Diplomen beruhten. Ungluublich, aber 
vahr: die Agenlur hat, natürlich gegen gute Bezahlung, ar 
2000 Orden ausgegeben. 
Die „Gazette de France“ hat in Erfahrung gebracht, daß 
er Unterrichts⸗ und Kultusminister bestimmt habe, daß am Ende 
edes Schuljahres in jeder Klasse zwei Preise und sechs accessite 
Belobungsschreiben) denjenigen Schülern zu ertbeilen feien, die sich 
im Studium der deutschen Sprache hervorgethan. 
Schweiz. 
Der schweizersche Arbeiterkongreß in Winterthur hat den An- 
rag, die Gewerkschaften nach internationalem Programm zu orga⸗ 
usiten und mit den Gewerkschaften anderer Länder in Verbindung 
qu setzen, abgelehnt; indessen wurden der internationalen Arbeiter— 
issociation- die Sympathieen des schwetzerschen Arbeiterbundes aus 
esprochen. Der Kongreß nahm einen sehr ruhigen und würdigen 
Zerlauf; der zum großen Theil aus deutschen Flüchtlingen, exal⸗ 
sirten Menschen, bestehende deutsche Arbeiterverein Zürich, welcher 
zekanntlich vom Bunde ausgeschlossen wurde, hatte zwar Stoͤrun⸗ 
gen beabsichtigt und wollte, über 100 Mann stark, geschlossen in 
das Kongreßlokal marschiren, wurde aber von der Polizei daran 
yerh'ndert. 
Spanien. 
Die schon mehrfach erwähnte badische Offizier, wel— 
her als Freiwilliger bei den Truppen der spanischen Republik dient, 
hr. v. Brandeis, hat beim Sturm auf die Höhen von Vitoria 
in der Spitze seiner Abtheilung einen Schuß durch den Oberschen ⸗ 
lel erhalten. Die Wunde ist übrigens keine lebensgefährliche und Hr. 
. Brandeis befindet sich in der besten Pflege. 
Santauder, 31. Mai. Der carlistische General Li z- 
arraga hat die Verbindung zwischen Hernani (an der geoßen 
Straße nach Frankreich) und San Sebastian unterbrochen. Zwi— 
chen der Garnison von Hernani und den Carlisten haben lebhafte 
Befechte statt zefunden. Die Verluste waren auf beiden Siiten 
nicht unerheblich. 
Amerika. 
New⸗York, 81. Mai. Die Journale veröffentlichen 
zin Schreiben Rochefort's, worin derselbe die von der Pariser 
Tommwune“ vollzogenen Hinrichtungen, sowie die anderen von ihr 
zegangenen Gräuel als Reptessalien gegenüber dem Verfahren der 
Regierungstruppen rechtfertigt und die Leiden der deportirten Com— 
nunisten während des Transports und des Aufenkthalts in Neu— 
Taledonten schildert. 
Mn 
fZweibrücken, 2. Juni. Gestern ist dem Rehbau 
des neuen Bahhofgebäudes der letzte Stein eingefügt 
vorden. Zu Ehren dieses Ereignisses wurde von den dort beschäf- 
tigten Arbeitern in der Zeit von 2—4 Uhr eine Anzahl Schüsse 
abgefeuert und auf das Wohl der pfälz. Bahnen mancher längere 
Zug verübt. Daß in Folge des letzteren Umstandes eine Entglei— 
sung vorgekommen, haben wir nicht gehört; es wird also wohl zur 
cechten Zeit gebremst worden sein. (3w. Ztg.) 
.Im Wortesaal erster Klasse der Nekarbahn zuFrankfurt 
rat ein fein gekleideter Herr zu einer auf dem Sopha sitzenden 
Dame hin und machte derselben bemerklich, sie könne mit dem in 
hrer Hand befindlichen Billete mit dem betreffenden Zuge, (Kurier⸗ 
zug) ohne ein Zusatzbillel nicht sahren. Der Dame, welche darob 
in Verlegenheit gerieth, erbot sich der Kavalier das Billet zu holen, 
ließ sich die Karte und das Geld einhändigen, ging scheinbar nach 
der Kasse, machte sodann, als er bemerkte, daß es abläutete, Kehrt, 
tieg in den Zug und fuhr mit demselben fort. DieDame wartete ver⸗ 
gebens auf die Rückkunft dieses neuen Industrieritters. 
München, 31. Mai. Daß an Kaulbach's Stelle Hr. 
Professer v. Pilotiy zum VDireltor de k. Alademie der bildenden 
zünste ernannt werden wird, ist nunmehr nicht mehr zweifelhaft. 
(Fr. Kur.) 
4 Die im Bezirksgerichts-Gefärgnisse an der Landstraße in 
München inhaftirte Adele Spitzeder befindet fich zur Zeit 
n einem sehr leidenden Zustande. Dieselbe ist stets bettlägerig, 
veßhalb von einer Ablieferaug an einen anderen Strafort noch 
ange keine Rede sein kann 
FHof, 29. Mai. Gestern Mittag brach in dem circa4 
Ztunden von hier entfernten Dorfe Ahornberg, Bezirksamt Münch— 
berg. Feuer aus und äscherte 40 Häuser und 60 Nebengebäude, 
darunter auch die Kirche und Schule ein; es ist das ganze Dorf 
ais auf einige Häuser ein Raub der Flaminen geworden. Die 
Entstehungsursache ist uns bis zur Stunde nicht bekannt. 
7 8 ut ab! In Würzburg ist unter denen, welche das 
Freiwillige-Examen bestanden haben, ein Schreinergeselle. Der— 
elbe hat im ganzen Jahre keinen halben Gulden für Bier und 
Tabak ausegegeben, da er alle seine freie Stunden m't dem Er— 
lernen der deutschen und französischen Sprache, der Mathematik 
und mit Lesen der Volksbibilothel zugebracht hat. Sein bisher⸗ 
iger Meister erklärle ihn für den fleißigsten und solidesten Arbeiter, 
den er je in seiner Werlstatt gesehen habe. 
7Dresden, 26. Mai. Gerüchtweise theilt die „Dr. Vr.“ 
mit, daß am dritten Pfingstfeiertage die erste unter den gewöhn'ichen 
Ceremonien bis zum Ziele geleitete Leiche in der Siemens'schen An— 
stalt für Leichenverbrennung auf der Tharander Straße verbrannt 
worden sei. 
Die in Dijon erscheinde „Côte d'orx“ zeigt an, daß 
das Haus Dollfuß von Mühlhausen Anstalten treffe, seine groß— 
artigen Webereien dort zu installiren.“ 
Paris, 29. Mai. In Bourbonne les Bains erhängten 
sich deei Weinbauern, weil die letzten Nachtfröste ihre Ernte vder 
nichteten.