Full text: St. Ingberter Anzeiger

Sl. Ingberler Anzeiger. 
der St. Inaberter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗ Donnerstags⸗ und Sonntag 
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— M 
Samstag, den 6. Juni. — I 1874 
Deuteches Reich. 
München, 2. Juni. Der König hat den Professor Dr. 
Zarl v. Viloty zum Direktor der Akademie der bildenden Künste 
ernaant. 
Mäünchen, 2. Juni. Dem Vernehmen nach hat Se. 
Maj. der König den von dem Ministerium des Innern ausgear— 
‚eiteten Gesetzentwurf über die Wahl der Landtagsabgeordneten 
nebst einer Wahlkreiseintheilung genehmigk, und zu dessen Ein— 
bringung in die Kammer der Abgeordneten die Ermächtigung er— 
chcilt. (A. 3.) 
Mümnschen, 2. Juni. Die Abg. Kurz, Herz, Ho— 
renadel und Hauck haben den Autrag eingebracht, an die k. 
Staatsregierung die Bitke zu richten, dieselbe wolle die Central⸗ 
'orstlehranstalt als Fachschule in Aschasenburg belassen und ent 
ptechend reorganisiren. 
München, 3. Juni. Wie uns mitgzetheilt wird beschäftig' 
ich die kgl. Staatsregierung auch zur Zeit damit, dem von Tag 
uu Tag immer mehr überhand nehmenden ärztlichen Pfuschereiwesen 
Schranken zu setzen. Wahrscheinlich wird auch das Baderwesen in 
jer Art organisirl, daß die Baderschulen und hiemit auch die staat— 
ichen Approbationen der Bader aufgehoben werden um nicht das 
dantingent der Pfuscher durch Leute zu vergrößern, denen auch 
noch der Schein einer staatlichen Approbation zur Seite steht. 
Darmstadit, 2. Juni. Der Aufenthalt der Kaiserin von 
kußland in Jugenheim, wo dieselbe am 14. d. M. eintreffen 
vird, wird gutem Vernehmen nach drei Wochen dauern. Der 
Zdaiser von Rußland wird am 19. d. erwartet. Außerdem siehen 
»ie Besuche des deutschen Kaisers, des Herzogs und der Herzogin 
von Edinburg, des Großherzogs von Mecklenbueg und anderer 
ürstlicher Persönlichkeiten bevor. (T. N.) — 
Straßburg, 2. Juni. Dem von Edmont Aboul her— 
zusgegebenen Pariser XIX. Siècle ist der Betrieb in Elsaß auf 
rei Monate untersagt worden. 
Straßburg, 3. Juni. Bei dem Fesimahle im ‚Pariser 
hof,“ das König Karl von Württemberg der Generalität und 
»em Ofsicierscorps gab, brachte der König folgenden Toast 
nus . Unserem vielgeliebten Kaiser Wilhelm ein dreimaliges 
dog!: 
Saarburg, 2. Juni. Der französische Geyeral a. D 
Lolin, welcher, aus Saarburg gebürtig, sich in letzter Zeit besuchs 
veise hier aufhielt, gerieth mit einem Octroibeamten hisiger Stadt 
inem Elsässer, in Wortwechsel. Nah der Anficht des Geuerals 
hidt es sich nämlich für einen Elsässer nicht, deutsche Dienste zu 
iehmen, und er hielt es daher für gerathen, dem Ocltroibeamten 
darüber Vorhalt zu machen. Dies geschah aber nicht in einer 
Veise, wie man es von einem gebildeten Mann erwarten sollte 
der beleidigte Beamte konn!e diefe Liebenswürdigkeiten nicht un⸗ 
eahndet hingehen lassen, sondern hielt es für seine Pflicht, An— 
eige zu erstatten. Der General wurde it Folge dessen heute früh 
xerhaftet und Nachmittags dem Ober-Procurator in Zabern über— 
efert. Wir hören, daß dort der General, auf dringendes Bitten, 
gen Hinterlegung einer entsprechenden Caͤulion vorläufig wieder 
uuf freien Fuß gesetzt worden sein foll. Die französischen Blätter 
urden nicht ermangeln, anläßlich dieses Falles wieder über die 
eutschen Barbaren herzufallen. 
Berlin, 1. Juni. Französische und spanische Blätter be— 
zaͤftigen sich in nenester Zeit wieder viel mit dem Gerüchte, daß 
in deutscher Vrinz, vielfach Friedrich Karl genannt, den spanischen 
chron besteigen soll. Wir können jedoch unmöglich glauben, daß 
dein deutscher Prinz zu einem solchen dummen Streiche bereit 
nden wird. Das Experiment ließe sich machen, wena wir den 
iit. Prinzen mit einem dentschen Armeckorps dotiren könnten. 
dane sind wir aber troh der dMilliarden nicht reich enug. Ohne 
lemeckorps aber als Köniz nach Spanien gehen, das könnte leicht 
Kopf kosten. 
Berlinn, 2. Juni. Der Finanz-Minister hat neuerdings 
inuntliche königliche Regierungen eire Ciercular-BVerfügunz er⸗ 
lassen, wonach die bei den königlichen Cassen eingehenden beschädig- 
ten, aber zweifellos ersatzfähigen Cossen⸗ Anweisungen nicht ferner 
an die Controle der Staatspapiere, sondern an die General Staats— 
'asse abzuliefern seien. Diese Maßregel scheint hervergerufen durch 
die Bestimmung in 8Z 2 des Reichsgesetzes vom 80. Aprilec, be— 
reffend die Ausgabe von Reichscafsenscheinen, nach welcher jeder 
Zundesstaat das von ihm seither ausgegebene Staatspapiergeld 
pätestens bis zum 1. Juli 1875 zur Einlösung öffentlich aufzu— 
ufen und thunlichst schnell einzuziehen hat. I 
Bier lin, 3. Juni. Die „Nordd. Allgem. Ztg.“ erklärt 
die Meldung eines schlesischen Blattes von einem VBesuch des 
Fürsibischofs von Breslau bei dem dort“ anwefenden Cultusminister 
Dr. Falk als falsch und fügt binzu, der Aufenthalt des Cultus- 
ninisters in seiner Heimathsprovinz habe nur privalen Beziehum⸗ 
gen gegolten und sei darauf beschränkt geblieben. D 
Die „Berliner Montags-Zeitung“ meldet aus sicherer Quelle,“ 
daß Fürst Bismarck in Varzin (wohin ihn diesmal nicht Geh. 
degationsrath Bucher, sondern Graf Eulenburg begleitele) drei 
Wochen bleiben und dann bestimmt zur Kur nach Kissingen gehen 
vird. Der König von Bayern hat bezüglich der Aufmerksamkeiten, 
Stellung der Equipagen ⁊c.,welche er dem Fürsten für dessen Auf⸗— 
enthalt in Kissingen anbot, und die der Fürst dankend ablehnen 
zu müssen glaubte, jetzt in freundlicher Weise erklärt, daß er auf 
diese Ablehnung keine Rücksicht nehmen könnꝛ:. 
Frankreich. 
Paris, 1. Juni. Im origen Jahre kam die allgemeine 
Wehrpflicht zum ersten Male in Frankreich zu Geltung.s Nach einer 
amtlichen Aufstellung wirden im Ganzen etwa 16,000 ein- 
ährige Freiwillige eingereiht. Von 808, 000 jungen, waffenpflich— 
tigen Leuten mußte etwa die Hälfte freigegeben oder zurückgestellt 
werden und kamen demnach 151,000 zur Verwendung. Hievon 
wurden 90,000 in die Landarmee, 5000 in die Marine einge— 
reiht und der Rest hat s bis ein Jahr zu dienen. Im selben 
Jahre wurden 116,000 Mann aus dem activen Heere entiafssen, 
wovon 52,000 zur Reserve und 64,000 in die (noch nicht orga— 
nifirte)-Territorialarmee übertreten. —— 
Paris, 2. Juni. Am Donnerstag findet bei der Präsi— 
dentschaft großes Diner zu Ehren des deutschen Botschafters Hohen⸗ 
ohe statt. 
Paris, 3. Juni. Bei dem Empfong einer Deputation 
der in Peru ansässigen Franzosen sprach sich gestern Thier wieder 
übee die politische Lage aus, er entdeckte, wie et aus voller Ueber⸗ 
zeugung Republikaner geworden sei; et betonte unter Hinweisung 
auf die Ohnmacht der Monarchistea die Nothwendigkeit, sich au 
dem Boden der conservativen Republik zu vereinigen. Thiers 
chloß mit dem Ausdruck der Ueberzeugung, daß der Friede, wel⸗ 
hen ganz Europa wolle, erhalten bleiben werde, und daß die 
Wünsche Europas voraussichtlich über den blinden Leidenscaften, 
velche die Ruhe stören könnten, triumphiren würden. 9 
Unter der Aulschrift „Berurtheilungeines preu— 
zischen Spions“ berichten die Lyoner Blätter, daßz das 
zortige Zuchtpoliztigericht einen mittel- und unterstandslosen Vaga— 
zunden preußischer Ablunft, Namens Lubben, zu. 6 Mon. Gefäng- 
niß und 5 Jabre Polizeiaufsicht verurtheilt hat. Man hätte den 
dandstreiber per Schub in seine Heimsth transportiren tönnen, 
aber dann hätte man keinen „Spion“ gehabt und ein Sp'on war 
exr, denn man hat in seiner Tasche“zwar weder preußisches noch 
onstiges Geld, wohl aber eine Landkarte und ein Ferntodr ge— 
unden. Daß Spione gewöhnlich nicht mittellos zu sein pflegen, 
»aran denke der franzosische Chauvinimus in seinem heiligen Eifer 
uicht. 
England. 
Der Strike in den Kohlenbergwerken von Mold (Nord Wales) 
hat mit wenigen Ausnahmen ein schnelles Ende gefunden, da die 
Arbeiter sich der beabsichtichten Herabsetzung der Arbeitzlöhne um 
10 Vroz. nicht länger wiedersetzen