wahrt wird. So weit wir ersehen konnten, haben sich die Ereig-
nisse der lezten Tage folgendermaßen entwickelt: Der Minister des
Innern Graf zu GCulenburg hat in Kissingen so viel als thun⸗
üch sich mit dem Gang der Untersuchung und den hierbei bereits
meslesitten Ermittelungen vertraut gemacht. Das Ergebniß der
leßteren war gravirend für die ultramontane Partei genug, um
waltere Schriite gegen dieselbe gerechtfertigt erscheinen zu lassen.
Nachdem Graf Eulenburg hier eingetroffen, fand sofort ein Minister⸗
rath statt; das Ergebniß desselben waren die vorgenannten Haus ·
uchungen, bei denen namentlich untes den Papieren, welche man bei
Derrn v. Kehler fand, sich Schriftstücke befunden haben sollen von
höchst gravirender Nalur. So hören wir, daß unter diesen Pa⸗
hieren ganz unzweideutige Beweise sich befinden, welche eine Ver⸗
bindung auler dieser Vereine unter einander und namentlich mit
dem Mainzer Katholiken⸗Verein tkonstatiren. Dieser letzterwähnte
Umsiand soll, wie wir hören, Veranlassung zur Schliebung der
Bereine gegeben haben; analog jenen Maßregeln, welche man gegen
socialdemokratische Arbeiter ⸗ Vereine ergriffen hat. Saarbr. Zig.)
Die „Ptob.Corresp.“ hebt den herzlichen Charakter hervor,
den die Zufammenlunft des Kaisers Wilhelm mit dem Könige
don Baiern getcagen habe, und fügt hinzu, der nationale Sinn
des Königs Ludwig, der aus hochherzigem Antrieb zur Aufrich⸗
jung des Deutschen Reiches die Hand geboten, habe sich in allen
Pruͤfungen bewährt und verbürge volständiag, daß Baiern sich
mmer Hereit finden werde, die Aufgaben der deutschen Politit
zu fördern.
Metz, 20. Juli. Auch hier hat das auf den Reichskanzler
erübte Aktentat große Auftegung hervorgerufen, namentlich
unter dem deutswefeindlichen Theil der einheimischen Bevölkerung,
welche fühlt, daß ein großer Theil der Erfolge des letzten Krieges
auf Rechnung Bismard's zu setzen ist, und daß, so lange dieser
noch am Ruder ist, die Revanche in weite Ferne gerückt ist. Um
so größer war die Freude der deutsch gesinnten Einwohnerschaft,
als sich die Nachricht von dem Mißglücken des Altentats verbreitete.
Fine Versammluug don 300 bis 400 hiesigen Bürgern gasb diese
Freude durch ein nach Kissingen abgesandtes Beglückwünschtelegramm
Ausdruck, — Gestern machte das hiesige Lehrerseminar
anter Betheiligung von Schulinspectoren und Lehrer Lothringens
rinen Ausflug nuch dem hürsch in den Vogesen gelegenen Pyllipps ·
burg. Bei dem im dortigen Schulhause abgehaltenen Mittagessen
wurde von dem Direktor der Anstalt ein Hoch auf den Kaiser, als
dem Förderer des deutschen Schulwesens, sowie auf den aus Lebens
zefahr glücklich erreiteten Reichskanzler auszebracht, in welches die
Zoͤglinge, welche sämmtlich geborene Lothringer sind, jubelnd ein⸗
mmten. Dieses, wie auch die Abfingung verschiedener patrioti⸗
scher Gesünge konnte die Anwesenden davon überzeugen, daß die
dehrerbildung in Lothringen von ächt vatriotischem Geiste ge
eitet wird.
Metz, 21. Juli. Die „Zeitung für Lotht. schreibt: Wenn
französische Desertenre hierher kommen, so wird ihnen, vorausge⸗
setzt, daß sie hier Arbeit finden und sich den bestehenden G. setzen
fügen, der Aufenthajt gestattet. So wurde auch einem vor
einiger Zeit hierher gekommenen Defserteur kein Hinderaiß in
den Weg gelegt; als derselhe aber vor einigen Tagen die ihm ge⸗
währte Gastfreundschaft dadurch vergalt, daß er auf öffentlicher
Straße laut auf die Deutschen schimpfte, die er bei dem nächsten
ffriege alle auffressen wollte, wurde er arretitt. Die Polizei wird
hm die Ausführnng seines Vorhabeus wohl dadurch erleichtern,
daß sie ihn nach Frankreich zurüdschickt, wo er sich nach Herzens-
lust auf seine künftige Heldenthaten vorbereiten kann.
Fraukreich.
Paris 22. Juli. Der Bicepräsident des Cabinetes wird
morgen im Namen der Regierung in der Nationalversammlung er⸗
lären, daß man eine Befeftigung der Regierungsgewalt des Präsi—
denten auf konstitutionellem Wege wohl wünsche, daß man aber
den Antrag Perier bekämpfe, weil derfelbe allzusehr die republika-
aische Parlei begünstige. Die Regierung wird kiin Gegenovroiekt
einbringen.
Paris, 22. Juli. Die „Agence Havas“ meldet: Es wird
persichert, Mac Mahon habe sich für die Verwerfung des Antrages
Perier (welcher verlangt, daß nach dem Ablauf von Mac Masons
Amtsgewalt die Republik definitiv proclamirt werde) erklärt, weil
derselbe auf den alleinigen Triumph der republikanischen Partei ab⸗
ziele, und er den Zweck habe, letztere von der conservativen Partei,
auf welche er seine Regierung stützen wolle, zu isoliren. Die Re—
zierung wird sich morgen für Verwerfung des Intrages Peritr er—
Aaren und die Berathung derjenigen Gesetze fordern, welche sie be—
reits als nothwendig bezeichnet hat. Wenn der Perier'sche Antrag
berworfen werden sollte, so wird Christophle (Linke) einen Antrag
auf Auflösung der Nationaldersammlung siellen.
Paris, 22. Juli. Ein reicher Hamburger, Herr Hagenbeck,
dat dem Zoolozischen Garlen des Boulogner Wäldchens sechs
rachtvose Girgaffen zeum Geschenf gemabt Fie Selhistmord-
tatistik wird immer schrecklicher. Kinder, junge Mädchen, jurg
ind alte Weiber, Männer und Junglinge aus allen Ständen
scheinen von dieser Epidimie ergriffen zu sein. Heute Morgen
wirden nicht weniger als sechs Selstmorde anzeigt. Dies bringt
die Zahl der im Monat Juli angemeldeten Selbstmöcder auf 262 in
zicht ganz drei Wochen! Hierbei sind nicht die gezählt, die in den
Netzen von St. Cloud ausgefischt oder deren Todesart durch die
Familien verschwiegen wird. —
Berfsailles, 23. Juli. Der Antrag Perier, gegen
welchen sich Minister Cissey Namens der Regierung erklaäͤrte, iff
nit 374 gegen 8333 Stimmen verworfen worden. Von dem
Deputirten Malleville wurde sodann ein mit 300 Unterschriftes
Linke und linles Centrum) versehener Antrag auf Auflösung der
dationalversammlung eingebracht, die für denselben beantragte
Dringlichkeit jedoch mit 369 gegen 340 Stimmen abgelehnt.
Spanien.
Madrid, 21. Juli. Der amiliche Bericht über die Ueber—
zabe von Cuenca sagt: Am 18. d., Morgens, griffen 8000 Car—⸗
isten unter Alfonso's Commando die Vorstadt Carreteria an.
Dreimal wurde der Ansturm zurückgeschlagen; dann aber sahen die
Republikaner sich genöthigt, jene Vorstadt zu räumen und sich auf
den großen Plaß von Cuenca zurückzuziehen. Der Commendant
Iglesias verweigerte die Uebergabe. In der Nacht wurde das
Feuer verdoppelt. Vier neue Anstürme wurden zurückzeschlagen.
Am 14. d., Morgens haben die Carlisten nach östündigem Feuer
uch Cuencas bemächtigt. Iglesias gab den Befehl zum Rückzu
ins Fort; aber 4000 Mann frisch angekommener Carlisten schnitten
den Weg dahin ab. Die Einzelheiten der Uebergabe sind noch ua—
zekannt. Die Carlisten gaben das Signal zur Plünderung und
Hhemetzel. Mehrere Gebäude wurden in Brand gestedt, viele
Zäuser geplündert und deren Bewohner ermordet. Wie man glaubt,
daren die Carlisten in einer Stärke von 11,000 Mann unter dem
Befehl von Freixas, dem Pfarrer von Flix und dem Canoricus
von Billalain. Man zählte 150 Todte und 700 Vewundete.
Madrid, 22. Juli. Der Brigade-General Lopez hat
zie ganze in Cuenca gefangen genommene Abtheilung der republi—
anischen Armee wieder befreit und eine große Anzahl Cardiisten,
welche jene Gefangenen zu bewachen haiten, gefangen genommen,
Der Gouverneur von Catalorien machte die Meldung, die Car—
isten hätten 160 gefangene Soldaten erschossen. Der Kriegs
Minister hat dem Gouverneur darauf befohlen, eine außerordent⸗
iche Contribution von allen Carlisten einzutreiben und die Fa—
milien der Erschossenen damit zu enischädigen.
Santander, 23. Juli. Ein carlistisches Corps, welches mit
zahlreicher Artillerie ausgerüstet ist, hat die Defileen in Biscaya
und Alaba besetzt.
In Spanien sind folgende Regierungsdecrete ergangen: ganz
Spanien wird in Belagerungszustand erklärt; Sequester wird ver⸗
zängt über das Besitzthum Aller, welche zu carlistischen Banden
Jehören oder dem Carlismus dienen; aus ven Einkünften dieser
iequestrirten Güter wird eine Summe von je 100,000 Pesetas
ausgesetzt zur Entschädigung für die Familie jedes von den Car—
isten erschossenen hoheren Officiers; desgleichen je 50,000 Pesetas
ür die Familien von Officieren und je 25,000 Pesetas für die
Familien der gemeinen Soldaten oder Freiwilligen, die von den
Farlisten erschossen wotrden sind; jede Uebertragung carlistischen
rigenthums, die nach dem Erlaß dieses Decrets an Andere erfolgt,
ist null und nichtig; alle Vereine, welche die Regierung nicht ge—
aehmigt hat, werden aufgetoben; Nachrichten über den carlistischen
lufstand dürf en nicht veröffentlicht werden, es sei denn, daß sie
uerst in der amtlichen Gazetta gestanden hätten; es werden zur
Formirung von 80 Bataillonen außerordentlicher Reserven
125,000 Mann im Alter von 20 bis 35 Jahren Unverheirathete
ind kinderloser Wittwer aufgeboten; die Einstellung erfolgt vom
23. bis 30. August; mit 1250 Pesetas ist der Freikauf vom
Dienste gestattet. — Diese Maßregeln der spanischen Regierung
zie an Härte und Ungerechtigkest ihres Gleichen suchen, sind offen
har von der Verzweiflung dictirt. — Die Stadt Cuenca (natür⸗
iche Festung auf dem halben Wege zrischen Valencia und Ma⸗
zrid) hat sich am 14. den Carlisten ergeben, die Gefanzenen
wurden nach Chelva geführt. (Allgem. Ztg.)
In Spanien hat die schon neulich avisirte Ausschiffung von
drupp· Kanonen für die Carlisten wirklich stattgefunden; werig
tens meldet eitee aus carlistischer Quelle stammende Nachricht des
Wiener „Vaterland'“ aus Bahysnne, daß in Bermez, östlich vor
Potlugalete, ein englisches Schiff am 10. um Mitternacht 27
Ztahlkanonen von größter Tragweite mit 200 Kisten Munition
zuücklich ausgeschifft habe. Von anderer Seite wird diese Nach—
richt bestätigt und so könnten die Carlisten den Ersatz Bilbao's
eicht verschmerzen; denn sie haben jetzt, was ihnen hauptsächlich
ehlte. Der Streif zug Valdespina's gegen Santander aber hatt
»ffenbar nur den Zwack, die Regierungsschiffe zu täuschen und sie
aeinen anderen KLüstenvunkt zu locken