Full text: St. Ingberter Anzeiger

Slt. Ingberker AAnzeiger. 
HDer St. Jauberter Anzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstags⸗, Donnerstags⸗ und Sonntag 
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4129. Samstao. beu Cαt. 1874 
Deutsches NReich: 
Muünchen. Wie die „N. N.“ hören, wird das Exercier⸗ 
Neglement der preußischen Artillerie jetzt auch bei der bay 
rischen eingeführt. 
München, 12. Aug. Die vom Erzbischof direkt an den 
dönig abgesandte Prolestschrift gegen die vom allkatholischen Bischof 
keinkens vorgenommene Firmung ist nach der „Allg. Zig.“ au 
das Kulkus- Ministerium im Auftrage des Königs abgegeben worden. 
Schweinfurt, 9. Aug. Der ‚Nürnberger Presse“ wird 
von hier geschrieben: „Aus zuverlässiger Quelle höre ich, daß dieser 
Tage vor dem vom Fürsten Bismarck bewohnten Hause zu Kissingen 
ein Individiuum verhaftet wurde, das sich dort in verdächtiger 
Weise herumgetrieben hatte und mit einem Dolche versehen war. 
Es soll ein Schneidergeselle aus Sachsen sein. Näheres ist bis 
etzt noch nicht bekannt. 
Kissingen, 12. Aug. Fürst Bismarck ist heute Mor⸗ 
gen um 9/ Uhr abgereist. Die Kur hat so günstigen Ersolg ge— 
habt, daß der Reichskanzler sich widerholt aufs günstigste über 
seinen Zustand ausgesprochen hat. Vor dem Hause und auf dem 
Bahnhofe wurden dem Abreisenden die wärinsten Begrüßungen 
dargebracht. 
Dr. Dirauf, welscher den Reichskanzler behandelte, ist zum 
bayrisch en Hofrath ernannt worden. Am Hause desselben wird die 
hiesige Stadtgemeinde zuz Erinnerung an die glückliche Errettung 
des Fürsten Bismarck eine Gedenktafek anbringen lassen, mit deren 
Ausführung der renommirte Bildhauer Arnold hier bereits be⸗ 
ichäftigt ist und dieselbe Ende September vollenden wird. Die 
Tafel ist aus Marmor mit Einfaffang von feinem grauen Sand⸗ 
stein, welche in den Ecken Sterne und an den Seitentheilen, sowie 
im Sockel einen Kranz von Eichenlaub und Lorbeeren als Zierde 
erhalten wird. Die Tafel trägt folgende Inschrift: 
Am 13. Juli 1874 
wurde an dieser Stelle durch Bottes gnädige Fügung 
Seine Durchlaucht 
Fürst von Bismarck 
aus Mörderhand errettet. 
Diese Gedenktafel widmet dem deutfchen Volke 
die Siadigemeinde Kissingen. 
Berlin, 12. Aug. Die „Provinzialcorrespondenz“ bestä⸗ 
idt, daß die drutsche Reichsregierung ihren Vertretern im Auslande 
mittelst eines Rundschreibens die Gründe entwickelt haben, aus denen 
die ungesfäumte Aneikennung der Madrider Regierung zu befür— 
worten sei und bemerkt diesbezüglich: dem durch die Gräuel der 
Tarlisten veranlaßten Vorgehen der Reichsregierung liege jeder Ge— 
danke einer Einmischung in die innere Angelegenheiten Spaniens 
ern. Wenn die Regierung die bisherigen officiösen Beziehungen zu 
-—panien in ein regelmäßiges völkerrechtliches Verhäliniß um 
vandle, so gebe sie damit thatsächlich ihre Achtung vor der Selbst 
dändigkeit und Unabhängigkeit Spaniens kund. Das einmürhige 
Auftreten Europas werde eine moralische Wirkung ausüben, die 
zeeignet wäre, die öffentliche Meinung zu beruhigen und die Aus—⸗ 
ichten auf Beendigung des Bürgerkrieges näherzurücken. Die 
Prov.Corr.“ meldet ferner, daß der Kaiser sich Anfang Septem 
der nach Hannover begeben woerde, um den Tanffeierlichkeiten für 
)en jüngst gebbreyen Sohn des Prirzen Albrecht beizuwohnen und 
odann Truppenmusterungen abzuhalten. Ende September werde 
der Kaiser aach Baden-Baden gehen. Fürst Bigmarck gedenkt ei⸗ 
nige Tage in Berlin zu verweilen. 
Berlhin, 12. August. Aus allen Theilen des Reiches 
ommt die Kunde von Vorbereitungen zur Feier des Jahrestages 
er Schlacht bei Sedan. Die Vedenken, welche früher gegen die 
Auswahl gerade dieses Datums aus den gahlreichen Siegeserinne⸗ 
iungen des deutsch französischen Krieges geltend genacht wurden 
oerden kaum noch gehört; der 2. September wird sich als deut— 
er Nationaltag einbürgern. Nur lene Parteien, welche der Neu— 
gestaltung unserer nationalen Verhältnisse nicht verzeihen können, 
»aß sie nicht nach ihren Theorieen vor sich gegangen ist, eifern 
zuch heute noch aus Leibeskräften gegen jedes Erinnerungsfest an 
die gewaltige Erhebung unseres Volkes, oder suchen wenigstens 
die Freude an der Feier durch giftige Stichelei und gehässigen Spott 
zu trüben. Am meisten lieben sie es, die Sedanfeier als ein von 
oben her künstlich in Scene gesetztes Trugspiel auzuschwärzen. Und 
doch weiß alle Welt, daß gerade der Kaiser, als dei ihm in einer 
Petition angesehener Männer die Anordnung eines Nationalerinne 
rungstages an den letzten Krieg angeregt wurde, zu Antwort gab, 
daß ein solcher aus dem Volke, heraus geschaffen werden müsse. 
Jenen, welchen das neue Deutsche Reich als die Form gilt, inner— 
halb welcher unsere Nation ein ersprießliches Gedeihen bürgerlicher 
Freiheit und allgemeiner Wohlfahri hoffen darf, können diese ver⸗ 
zweifelten Machinationen verbissenster Feindseligkeit nur ein Sporn 
sein, zum Geliagen der schönen Feier mitzuwirken. Gerade der 
Tag von Sedan bezeichnet den stärtsten, folgenschwersten Schlag, 
in welchem der heilige Zorn unseres ganzen Voltes über den fre⸗ 
chen Friedensbruch sich Luft machte. Wenn heute dieselben Schreier 
deren wirkliches Gekläff vor vier Jahren vor eben diesem Zorne so 
Aäglich verstummte, die besten Erinnerungen zu vergiften und das 
erstarkte Nationalbewußtsein zu verhöhnen sich erdreisten, so giebt 
18 darauf nur eine Antwort: eine allgemeine und würdige 
Feier des 2. September. 
Frankreich. 
Aus Paris. 11. August, schreibt man der „Köln. Ztg.“: 
Das officielle Blatt meldet die Fluchi Bazauine's in folgender 
Fassung: „In der Nacht vom H. auf den 10. d. entsprang der 
ẽxeMarschall Bazaine aus dem Gefängniß auf der Insel Mar⸗ 
zuerite. Die Regierung hat eine Unlersüuchung angeordnet. Die, wel⸗ 
he die Flucht vermittelten oder begünstigten, werden den Gesetzeit 
gemäß bestraft werden. Die Regierung ist entschlossen, solche 
DZandlungen nicht unbestraft zu lassen.“ — Die Regierung erhielt 
die Nachricht von Bazaine's Flucht gestern Nachmittag um 21 
Uhr, als Mac Mahon in der Ausstellung war. Der Ministerrath 
vurde sofort zusammenberufen. Die Minister waren sehr erregt 
ind beschlossen, mit äußerster Strenge zu versahren. Der Gefäng⸗ 
aißdirektor Jaillart wurde sofort zur Untersuchung nach Ste. Mar⸗ 
zuerite abzesandt. Außerdem erhielt die Republique —XXD 
jolgende Note: „Mehrere Blätter melden, die Untersuchung gegen 
die bonepartistischen Comites sei beendet, die Aklen befünden sich 
in den Händen der Regierung und der Ministerrath habe darüber 
zerathea. Diese Mittheilungen sind vollständig falsch. Die Unter⸗ 
suchung dauert fort. Das Werk der Gerechtigkeit geht seinen re⸗ 
jelmäßigen Verlauf.“ Die Minister siad so aufgebracht, weil sie 
die Flucht Bazaine's mit bonopariistijchen Inir guen in Verbindung 
bringen. Man erzählt jetzt, doß in bonopartistisch⸗militärischen 
kreisen schon seit einigen Tagen bekannt war, Bazaine werde ver⸗ 
schwinden. Mehrere Generale, darunter Colzon, ehemaliger Direk⸗ 
tor des Kriegsministeriums, und Castelnau, weiland Adjutant Na⸗ 
»oleon II. (bekannt wegen seiner Mission in Mexico) follen von 
Zazaine's Absicht schon am letzten Freitag gewußt haben. (Das 
ind Gerüchte, die jetzt, bis man Verlässiges über die AÄrt, wie 
Bazaine's Flucht bewerkstelligt wurde, wie die Pilze aufschießen 
werden.) 
Paris, 12. August. Der Plan zur Flucht Bazaine?s 
joll bereits seit 6 Wochen bestanden haben; Bazaine sei, sagt man, 
demselben anfangs abgeneigt gewesen und sätte erst zugestimmt, als 
der letzte Versuch seiner Frau, die Umwandlung seiner Gefängniß 
strafe in Verbaunung herbe:zuführen, scheiterte. Das zur Flucht 
benutzte Schiff war ein italienisches. Der Staatsanwalt don Grasfe 
hat den Gefängnißdirektor und die Wärter des Forts verhaftet. 
Die Truppen von Ste. Marguerite sind consignirt; stalt der Trup⸗ 
den hat Gensd'armerie die Posten besetzt. Wo Bazaine ge- 
andet ist, ob in Italien oder Spanien, weiß man nicht. 
Paris, 12. Aug. Uebher die Entweichung Bazaine's wur- 
zen bis ietzt folgende Einzelheiten bekannt: Marschall Bazaine ging