Full text: St. Ingberter Anzeiger

internationalen' Conferenz wurden die Protokolle sämmtlicher 
Sitzungen verlesen und genehmigt. Der Tag der nächsten, wahr⸗ 
scheinlich letzten Sitzung soll heute festgestellt werden. 
Holland. 
Haag, 25. August. Laut Nachrichten aus Atschin vom 
17. August haben die holländischen Truppen das befestigte Lager 
„Poede“ und eine andere verschanzte Stellung der Atchinesen mit 
geringem Verlust genommen. Toekoenek ist gestorben. Der Gesund— 
heitszustand der Truppen ist befriedigend. 
Italien. 
Ueber das Räuberunwesen auf Sicilien wird der „N. Zür.; 
Ztg.“ aus Rom, 18. August, geschrieben: Die Stärke des sicili- 
mnischen Banditenwesens in der Maffia. Die Namen führt ein 
ursichtbares, doch allgemein nur zu gefühltes Institut, in dim die 
Fäden der Banditenorganisation zusammenlaufen. Tausende von 
Hiitgliedern zählt dieses Institut, dessen Hauptzweck gegenseitige 
Unterstützung bei Banditenunternehmungen ist. Die Maffia schützi 
ihre Miiglieder mit dem Dolch des Meuchelmörders. Sie ver 
hindert in den meisten Fällen die Versolgung und Gefangennahme 
der Missethäter, indem sie den nachsehenden Behörden Schwierig- 
keiten in den Weg legt, und wenn es doch einmal gelingt, einen 
Maffiasten festzunehnem, verhindert, durch ihren Einfluß auf die 
Zeugen und Geschworenen, welche die Dolche der Maffia fürchten, 
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renen den Muth der Ueberzeugung, und so kommt es, daß die 
meisten augeklagten Banditen freigesprochen werden. Wird aber 
ein Angeklagter verurtheilt, dann erfährt die erschreckte Bevöllerung 
am nächsten Tage, daß einige der Geschworenen von Meuchelmör ˖ 
dern überfallen und erdrosselt oder zum mindesten verwundet wur— 
den. Selbstverständlich ermuthigt diese Nachricht den guten Buüͤrger 
nicht, und immer größer und größer wird der Einfluß der Maifia 
durch solche Schreckensthaten. In der Haupistadt der Insel, in 
Palermo jelbst, ist dieser Einfluß ein geradezu ungeheuer; ja, er 
macht sich sogar auf öffentlichen Plätzen bemerkbar. So ist es keine 
Selienheit, daß ein gewöhnlich aussehender Mann auf einen 
Fremden zu geht und ihm, unter Berufung auf die Maffia, 
IOoo, COo0O bic 200,000 Lire (man schätzt die Forderung nach den 
Vermögensverhältnissen des Angegriffenen) in der höflichsten Form 
abverlangt. Der Angesprochene kann den Attentäter den überall 
sauernden Carabinieri übergeben; allein er ist klug genug, das 
nicht zu thun, da er wohl weiß, daß er binnen 48 Stunden zu 
leben aufhören wücde, während der eigentliche Schuldige mit einer 
einfachen Untersuchungshaft davon käme. Er findet sich deshalb 
lieber mit dem Maffiasten ab und erlaubt sich blos in den meisten 
Fallen, über die Höhe der zu zahlenden Contribution zu mäckeln, 
was den Dogmen der Maffia nicht widerspricht, weshalb dies auch, 
ohne das Leben zu riskiren, gestattet is.. Von den Heldenthaten 
der durch die Maffia geschützten Banditen, welche bei helllichtem 
Tage in ein Haus einbrachen, um einzelne Familienglieder als 
Geisel für die pünktliche Bezahlung einer hohen Contribution fortzu⸗ 
führen, will ich schweigen. Diese Thatsachen sind so bekannt, daß 
es unnöthig ist, sie besonders zu erwähnen. Die Regierung hat 
bisher versucht, durch Entfaltung bedeutender militärischer Kraft 
dem Räuberwesen zu steuern; mit welchem Erfolg, beweist die gegen 
wärtige Lage der Insel. In der Provinz Palermo, wo nicht weniger als 
14,000 Mann liegen, in der Hauptistadt selbst, sind die Sscherheits— 
zusiände trotz des ungeheueren Militäraufgebots geradezu schrecklich, 
und allgemein verlangt man nach anderen Maßnahmen. Es giebt 
nur ein Mittel, dem Uebel zu steutrn, und das ist die Suspendi⸗ 
rung der constitutionellen Garantieen, die Suspendirung der Ge— 
schworenengerichte, der nackte strenge Belagerungszustand. Politische 
Rücksichten, die Furcht vor der Opposition, ließen die Regierung 
bisher diesem äußersten Mittel ausweichen. Das Ministerium 
Minghetti wird von einem großen Theile der Bevölkerung mit 
scheelen Blicken angesehen, und im Bewußtsein dieses Mißtrauens 
fürchtet es, den entscheidenden Schritt zu unternehmen, der mög— 
licher Weise zu gefährlichen Mißdeutungen Anlaß gegeben hätte. 
Allein wie die Verhältnisse jetzt liegen, ist die Proclamirung des 
Belagerungzustandes eine unbedingle Nothwendigkeit.“ 
Spanien. 
Madrid, 35. August. Das „Diario Espannol“ bezeichne 
die Nachricht der „Daily News“ von einem Trutz- und Schutz 
bündnisse zwischen Deutschland und Spanien als eine reine Erfin 
dung. Spanien bedürfe, um die Carlisten zu besiegen, keiner 
fremden Macht. 
Perpignan, 28. August. Die Carlisten haben heute das 
Geschützferer gegen Puigcerda den ganzen Tag hindurch lebhaf' 
fortgesezt. Kugeln und Sprengstücke fielen dabei auf französisches 
Gebiet. Alle Angriffe der Carlisten wurden von den Belagerter 
nachdrücklich abgewiesen. Die Carlisten erlitten beträchtliche Ver—⸗ 
luste. Bei einem Ausfalle, welchen die Belagerten machten, er 
beuteten dieselben einiges Kriegsmaterial. 
Bourg Madame, 286. August. Die aus Olot herbei 
geschaffte große Kanone der Carlisten ist demontirt worden und hat 
mehrere Leute der Bedienungsmannschaft getödtet. Ueberhaupt haben 
die Carlisten vor Puigcerda ernste Verluste erlitten. In der 
Festung ist ein Thurm eingestürzt, wobei jedoch nur ein Manp 
verwundet wurde. Die Frauen helfen thätig bei der Vertheidigung. 
Der Carlistengeneral Tr'stanhy konmt den Belagerern mit 1000 
Mann zu Hilfe. 
Eungland. 
London, 26. August.“ Der Prinz don Wales ist gestern 
über Dover und Brüssel nach Potsdam abgereist, um der Coufir— 
malion des ältesten Sohnes des Deutschen Kronprinzen beizuwoh— 
nen. (Der Confirmand yeißt Fr'edrich Welhelm und ist gekoren 
am 27. Januar 1859.) 
London, 23. August. Das Projekt zur Herstellung eines 
Tunnels zwischen Frankreich und England scheint in eine praktische 
Phase getreten zu sein. Die an diesem gigantischen Unternehmern 
interessirten Kapitalisten und Ingenieure wünschen eine Concession 
von 30 Jahren statt der den Eisenbahngesellschaften üblich gewähr⸗ 
ten von 99 und verlangen weder tine Garantie noch Subsfidien, 
Ferner sind sie bereit, eine Summe von 4 Millionen Francs für 
vorläufige Untersuchungen vorzuschießen. Das in Rede stehende 
Projekt besteft in der Versenkung eines Ganges an der englischen 
und sranzösischen Küste und der Bohrung zweier langen Gallerieen 
bon jeder Seite aus. Ueber das Resultut des Unternehmens — 
sagt das „Journal de Calais“ — kann kein Zweifel obwalten. 
Es interessiren sich für das Unternehmen besonders Michgel Che⸗ 
dalier, Leon Say und Rothschild, Lavallay. ein Ingenieur, der 
die größten Schwierigkeiten in der Herstellung des Sue,kanals 
iäberwunden hat. Lavally schätzt die Kosten des Werkes aul 
150 000,000 Franken. 
Türkei. 
Konstantinopel, 20. August. Wer hätte es gedacht 
ichrcibt man der „N. Fr. Pr.“, daß im Jahre des Heils 187 
in Europa eine Schlacht zwischen Herren und Sklaven stattfinden 
verde? Sind ja schon fast achtzehn Jahre verstrichen, seit die 
tiomänische Regierung feierlich und gesetztich die Sklaverei im 
zanzen großen Reiche abgeschafft hat! Und doch fiel in der Näh— 
»on Adrianopel im Dorfe Durbce-Durbee, bei dem Städtchen 
Tschorlu, eine wirkliche Schlacht zwischen Stlavenhaltern und deren 
Stlaven vor. In dem genanntden Dorfe hausen die neuesten 
Unterthanen des Sultans, die halbwilden, unbezähmbaren Söhne 
des Kaukasus, die nach der Sitte ihres alten Vaterlandes, auch in 
der Türkei Sklaven hielten, welche sie noch von den heimatlichen 
Bergen mitbrachten. Nach mannigfachen kleinen, wenn auch blu 
tigen Zusammenstößen rückten dreihundert Sklaven aus, bewaffnet 
heils mit guten, theils mit Waffen, die einem längst entschwundenen 
Zeitalter angebörten, und stellten sich am linken Ufer des kleinen 
Flüßchens Tschorlu-Suion auf. Am rechten Ufer kampirten die 
Stlavenhalter, fünfhundert an der Zahl, die gute Cavallerie und 
Hatagans führten. Nachdem das beiderseitige Parlamentiren frucht 
os verlaufen, griffen die Gegner zu den Waffen und den für ihte 
edle“ Sache begeisterten „Herren“ gelang es, in die Reihen der 
Ztlaven einzudringen und da ein furchtbares Blutbad anzurichten. 
Dabei erhob sich ein zum Himmel dringendes Geschrei, wie eben 
Tscherkessen in solchen Fällen es stets zu erheben pflegen. Kaum 
aber begann die launische Göttin des Sieges sich für die Sklaven⸗ 
halter auszusprechen, da erschien unvermuthet Hilfe für die Be— 
drängten. Drei Schwadronen Dragoner, zwei Compagnien Ni⸗ 
zams und drei Colonnen Gendarmerie à cheval, die in aller Eile 
aus Adrianopel abgesendet worden, langten noch zur rechten Zeit 
an, um dem traurigen Blutvergießen ein Ende zu machen. Bei 
dreißig „Herren““ wanderten in die Gefängnisse. Die Sklaven 
werden aile nach den Donauvilajet geschick,, wo sie Grund und 
Boden erhalten werden. Die Rädelsführer dürften eine sehr strenge 
Bestrafung erfahren, da die kaiserliche Regierung schon längst einen 
Modus vorschrieb, nach dem die Herren sich mit ihren Sklaven 
abzufinden hätten. Die Ersteren bestehen aber auf ihrem vollem 
„Rechte“, das sie sich selbst zu verschaffen trachleten. 
Vermischtes. 
Kaiserslautern, 27. August. Gestern Abend er⸗ 
eignete sich ein betrübender Unglücksfall. Ein Solbat der hier 
garnisonirenden Abtheilung des 5. Jägerbataillone, Namens Haag 
aus Elmstein, half beim Abladen von Baumpwollballen in der 
alten Ritter'schen Scheuer, als ein loser Balken herabstürzte und 
hn am Kopfe lebensgefährlich verwundete. Deiselbe, ein blühender 
unger Mann von 21 Jahren, wurde sofort in das Spital ver— 
zracht, wo er heute Morgen 5 Uhr verschied