Full text: St. Ingberter Anzeiger

sugt der Polizei hier und dort in Wesifahlen und am Nieder— 
hein die Spuren ihrer Thätigkeit, immer wieder auf verbotener 
Wegen, wie nach Entwendung von Kleidern, Schubkarren, Leinen— 
seug v. s. w., so auch wieder in Kalk bei Deuß. Der hiesige 
holizeidiener begab sich am Sonnabend nach Köln, nahm sich in 
jer Frühe drei Polizeibeamte zu Hilfe und fand wirklich das 
aubere Paar, die sich überall als Eheleute gerirt hatten, polizei⸗ 
iche Anmeldung unter Verzicht auf nähere Bekanntschaft mit der 
polizei unterließen, in Kalk beim Morgenkaffee. Die beiden stech 
zrieflich Verfolgten wurden wegen Verdachts mehrerer Diebstähle 
ind Betrug in Untersuchungshaft nach Dorsten abgesandt, das 
dind brachte der Polizeidiener zn seinem Vater zurück, den das 
derlorene und todtgeglaub.e Töchterchen äußerst froh und glücklich 
nachte. 
fAus Biblis (Rheinhessen) wird mitgetheill, daß die dorkige 
ZBürgermeisterwahl am 19. d. M. einen Todtschlag und zwei 
chwere Verletzungen im Gefolge hatte. 
Heidelberg, 186. Sept. Die hiesige Heilige-Geist 
citche wurde bekanntlich den Altkatholiken zum Mitgebrauch 
röffnet; dabei fand sich aber, daß die Kirche ausgeräumt war. 
die ganze Orgel war weggeschafft. und zwar bei Nacht und 
ebel auf zwei Wagen über Neckargemünd nach Dilsberg zum 
zortigen Dekan. Ebenso waren die werthvollen Statuen und 
indere Gegenstände von den beiden Seitenaltären weggenommen 
das „Heidelb. Journ.“ erinnert bei dieser Gelegenheit daran. 
aß im 30jährigen Kriege der Papst Gregor XV. mit Hürfe 
Lilly's die großartige Bibliothek Palatina aus der Heiligen Geist⸗ 
dirche anf 50 Wagen nach Rom geschleppt hit. Das Gut wieder 
herauszugeben, ist den Papfte nie eingefallen. (Inzwischen ist die 
Atgel wieder zurückgeschafft worden, Gegen die Urheber der 
HOrgelflucht“ soll Untersuchung eingeleitet werden, was zur Folge 
jaben könnte, daß denselben ein unangenehmes Stücklein 
uufgespielt würde.) 
F Aschaffenburg. 16. Sepi. Die gerichllichen Verhandlungen 
m Conkurs Ph. Dessauer's sücd bercits vor 14 Tagen zum Ab— 
chluß gekommen: Die Passiven betrugen in runder Summe 
1,900,000 fl., die Aktiven bestanden in dem Erlös der Mobilien⸗ 
persteigerung, welcher der Ehesrau des Herrn Ph. Dessaucr als 
ugebrachtes Heirathsgut übergeben wurde. Die Gläubiger erhiel⸗ 
sen nichts. Eine Schuldforderung (6000 Thlr.) des Heren Ph 
Dessauer an eine seiner Familie befreundele Person war von den 
Gläubigern eingeklagt worden. Da die Vecurtheilung zur Zah⸗ 
ung erfolgt und jetzt auch die Zahlung der 6000 Thaler gelei 
tet worden ist, werden die Gläubiger doch ein winzig kleines 
iaum durch die Lupe sichtbares Theilchen ihres Guthabens er 
Jalten. Herr Ph. Dessauer ist jetzt Reisender der Altien-Bunt—⸗ 
zapierfabrik, deren erster Direktor er früher war. 
München, 19. Sept. Das Monument für Köͤnig 
Maximilian II. ist nunmehr in der königl. Erzgießerei so weit 
zediehen, daß es in wenigen Wochen in allen seinen Theilen 
jollendet sein wird. Auch die Arbeiten für den Grundbau des 
MNonuments im Forum der Marximiliansstraße schreiten trotz der 
Sd wierigkeiten, welche sich bieten, vorwärts, es bleibt jedoch 
orerst noch zweifelhaft, ob dieselben so rechtzeitig vollendet werden 
Innen um das Denkmal noch im laufenden Jahre, am 28 
November, dem Geburtstage des unvergeßlichen edlen Königs, 
enthüllen zu können. Sollte dies nicht möglich werden, so wird 
die Enthüllungsfeier jedenfalls im nächsten Frühijahr, am 10 
Marz, dem Todestage des Königs, vorgenommen werden können. 
FLindau, 17. Sept. Der Voralberger Industrielle, 
hern J. Sh. Douglaß, betannt als kühner Bergsteiger, hal 
norgestern an der Saladina-Sp'tze seinen Tod gefunden. Mi⸗ 
tinigen Jägern auf der Gemsjagd begriffen, hatte er das Unglüch, 
jeim Geröll auszugleiten und einen Abgrund zu fahren. Erst gestern 
wurde die Leiche aufgefunden. 
f Um den Mitgliedern der Kriegervereine, namentlich den 
ninder bemittelteit, welche zum Unterhalt von Weib und Kind auf 
ihren täglichen Verdienst angewiesen sind und die nicht leicht einen 
Sparpfennig zurücklegen können, Gelegenheit zu geben, für den 
Fall ihres Todtes ihren Hinterbliebenen eine Versorgung, ein Ka⸗— 
pital zu sichern, hat der Verbandstag der „Pfälz. Kampfgenossen⸗ 
chaft“ am 2. Aug. cr. mit der „Allg. Eisenbahn⸗verficherungsgesell ⸗ 
chaft“ in Berlin, Abtheilung, für Lebensversicherung einen Vertrag 
bgeschlossen, wonach jedes Mitglied der Kampfgenossenschaft mit 
sehr geringen monatlichen oder vierteljährlichen Einzahlungen Ver— 
icherung auf den Todesfall sowie Alters-Versorgungs⸗Versicherungen 
sum Besien seiner Famijienangehörigen abschließen kann. Die nie— 
derste Versicherungssumme ist 300 Reichsmark. An die Oriskassen 
deg Verbandes zahlt dieGesellschaft bei Todesfallsversicherungen 5 
pro Mille, bei Lebensfallsversicherungen 83 pro Mille von der Ver⸗ 
sicherunggssumme. Als Hauptagent der Geselischaft für die Pfal; 
st der Schriftführer des Kampfgenossenvereins Ph. Jak. Jung in 
Kaiserslautern angestellt. 
7 GEin Epitheton für Dr. Sigh. Das Preßorgan 
des Bischofs von Passau nennt den Redacteur des ultramontanen 
„Bayerischen Vaterland', Dr. Sigl). in München, „einen durch 
jeine Preßflegeleien bekannten Generul-Grobian.“ 
F(Bonmoyh. Divisions-General D. zeigt auf einem 
Balle der Wiener Aristokratie seinem ihm u tergebenen Capitän 
die Frau von X., eine wahre Juno, die beim besten Willen 
taum decolletirter sein könnte, als sie in der That ist: „Schauen 
Sie, Capitän! Kennen Sie jene Dame?“ — „EGroͤßtenthe'ls, 
mein General!“ 
7 Die E.kaiserin Eugenie ist mit ihrem Sohne aus der 
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noch Woolwich, wo er die Militärschule besucht. 
F Die Gesetzgebung des Staates Massachusetis in Nordame⸗ 
rila hat ein Gesetz angenommen, welches den Verlauf der Eier 
nach dem Gewichte vorschreibt und das Gewicht von einem Dutzend 
Eier im Minimum auf anderthalb Pfund festgestellt. Bekannilich 
jerrscht nicht nur in der Größe, sondern auch im Gewichte der 
Fier ein großer Unterschied, je nachdem sie von gut oder schlecht 
jenährten Hühnern stammen, und so dürfte sich der obige Be—⸗ 
chluß auch anderwärts zur Nachahmung empfehlen. 
F Zu Fall River in Massachusetts ereignete sich am 19. 
September eine furchibare Katastrophe. Eine Baumwollfabrik 
nicht wie ein Telegramm gemeldet, eine „Granitmühle“) gerieth in 
Hrand, als 700 Menschen in derselben beschäftigt waren. Die 
Treppen, die zum vierten und fünften Stockwerke führten, brannten 
im Nu nieder, und da keine Auswege sich boten, sprangen viele 
pon den 140 jin jenen Stockwerken Arbeitenden hinunter. Dann 
fiel das Dach ein und 40 Personen verbrannten, während 80 
erhebliche Verletzungen erlitten. 
F Einen guten Fang hat das an der Nordwestküste Mada- 
zascars kreuzende englische Kriegsschiff Vulture am 11. August 
zemacht. Es wurde nämlich auf ein Sclavenschiff Jagd gemacht, 
dasselbe geentert und dann das Erlösungswerk vollzogen. Nicht 
weniger als 414 Männer, 59 Frauenzimmer und 187 Kinder 
vurden befreit. Die Sclaven litten ungemein an Schwäche und 
Krampf, da sie seit langer Zeit ihre Stellung nicht hatten wechseln 
können. Drei und vier Tage dauerte es bei vielen Kindern, ehe 
sie nach ihrer Befreiung ihre Gliedmaßen frei wieder bewegen konn⸗ 
ten. Der Capitän des britischen Schiffes, Herr A. T. Brooke, 
nahm die Besitzer der Sclavenladung, fünfunddreißig Araber, nach 
Zanzibar, um sie dort verurtheilen zu lassen. Während'der Ueber⸗ 
fahrt sind jebenzehn von den befreiten Schlaven in Folge von 
Schwäche und an Dysenterie gestorben: Das ist der bedeutenste 
Fang, der seit langer Zeit gemacht worden ist. 
Tan 
M. Stickstoff und Phosphorsäure, diese beiden wesentlichen 
hebel der modernen Bodenkultur, finden sich in keinem konzentrirten 
Düngungsmittel in so überraschend reichen Mengen vor, wie in 
dem Peru-⸗Guano, dieser rationellen Vereinigung fester und 
lüssiger Stoffe. Darum haben auch die Agrilulturchemiker und der 
ntelligente Theil der Landwirthe demselben seit Jahren ungetheilte 
AUufmerkjamkeit geschenkt, und selbst dem vorurtheilsvollsten Pessi⸗ 
nisten muß der wohlverdiente Weltruf dieses Düngungsmittels bür- 
jen für die qualitative Vortrefflichkeit desselben; ausgebaut und 
hefestigt aber hat sich dieses gute Renomme des Peru⸗Guano 
namentlich durch die zweckmäßigere Form, in der er als 
„Aufgeschlossener Peiu-Guano“ in den Handel und zur 
Verwendung gebracht wird. Der chemische Prozeß des Aufschließens 
mittelst Schwefelsäure verändert leineswegs das Substanzielle des⸗ 
selben, erhoöͤht dagegen aber seine wirthschaftliche Bedeutsamkeit so 
wesentlich, daß der „Aufgeschlossene Peru-Guano“ den Rohguano 
mehr und mehr in den Schatten drängt und letzterer nur in selte⸗ 
nen, vereinzeleen Fällen zur Verwendung kommt. Es erklärt sich 
dies aus folgenden, wissenschaftlich festgestellten Thatsachen: Im 
aufgeschlossenen Guano sind die vorhandenen Stickstoffverbindungen 
heständiger Natur und die ursprünglich in schwer löslicher Gesialt 
sich vorfindenden phosphorsauren Verbindungen in weit 
verthvollere lösliche Salze umgewandelt; beim aufgeschlossenen 
Peruguano ist der Werth an Pflanzennährftoffen consiant, beim 
Rohguano verflüchtigt sich derselbe stetig in der Form von 
Ammoniak; beim aufgeschlossenen Peruguano wird ein bestimmter 
Werthgehalt garantirt, beim Nohguano ist dies nicht möglich ꝛc. 
Aus diesen Gründen hat sich der Absatz des aufgeschlossenen 
Peruguano von Jahr zu Jahr außerordentlich gesteigert, nur ist 
in Bezug auf die Bezugsquelle Vorsicht zu empfehlen und bemerken 
vir deßhalb, daß das Haus Ohlendorffu. Cie. in 
damburg in Folge Contractes allein ermächtigt und befähigt ist, 
ichten „Aufgeschlossenen Peruguano'“ in den Handel zu bringen. 
Vor Fälschungen ist allein gesichert. wer von diesem Hause heileßte