Full text: St. Ingberter Anzeiger

»en „Sirius“ gereltel, 5 von der Besatzung und 2 Passagiere sind 
im Schiffsboot bei Rügenwalde gelandet. Der Capitän Klein und 
2 Heizer sind ertrunken. 
5 Unter dem Titel „Was Herr Zubov'ts erzählt“ finden 
oir im „N. W. Tgbl.“ folgende Erzählung aus Paris vom 12. 
Nobember: Heute haben die Herren der Deutschen Gesandtschaft, 
herr d. Bülow an der Spitze, dem unerschrockenen Reiler bei 
Zonnefoi am Boulevard Montmartre ein Dejeuner gegeben; morgen 
deranstalten die hiesigen Vertreter der Wiener Ptesse ein solches 
ind nach demselben wird der Oesterreichische Lieutenant einigen 
Franzoösischen Cavallerie-Generalen vorgestellt, — zwischen diesen 
dejeuners, Diners und Vorstellungen kommen alle möglichen wiß- 
»egierigen und neugierigen Besucher und langen ununterbrochen 
D'peschen aus allen Weltgegenden ein, die zum Theil beartwortet 
derden müssen; so gestern erst eine solche vom Englis gen St. 
James Klub (Piccadilly). Es ist daher nicht zu verwundern, 
denn Zubov'is gestern mit einem Male und in der elegischsten 
Tonort ausricf: „Der Ritt hat mich nicht ermüdet, aber die 
siebenhundert Personen, mit denen ich jeden Tag verk ehren soll, 
ie strapaziren mich.“ — Aber für eines hat er denn doch Zeit 
efunden, der angestaunte Reitersmann, dazu nämlich, Ihrem 
rorrespondenten in großen Umrifsen alles Das zu erzählen, was 
r seit seinem Aufbruch von Wien reitend und rastend erlebte und 
hiefe Begegnisse seien in nachstehenden Zeilen getreulich wiedergegeben: 
Am 28. Oktober, 10 Uhr Vormittags, ritt ich von Wien ab 
und inachte im Ansange, vom schönsten Wetter begünstigt, täglich 
I5. Slunden. In den ersten vier bis fünf Tagen schlief ich jedes 
Mal circa fünk Stunden, während später, als „Caradoc“ den 
hetanmen Unfall erlitt, die Touren immer sänger, die Raststunden 
immer kürzer wurden. Mein Ritt durch Oesterteich und Deulsch⸗ 
land glich einem wahren Triumphzuge: man hatte nämlich aller⸗ 
orlen durch die Zeiningen meine Ankunft erfahren und elbst wenn 
ich spat Nachts in einer kleinen Stadt eintraf, erwarteten mich 
hunderte ron Menchen und begrüßten mich auf das Freundlichste. 
Diese Liebenswürdi keit hatte aber auch manche Unannehmlichkeit 
zur Folge, denn man satz mich für eiwas Großes an und ich mußte 
uͤberall horrende Preise zahlen, die Zeitungen hatten ja von einer 
Welte von 80,000 Fres gesprochen. In Birnbach in Bayern z. 
B. hatte ich für den Pferdestand und Fourage für meinen „Cara⸗ 
dac“ füt eine Nacht 17 Bayrische Gulden zu zahlen. Meine 
Rarte, gezeichnet von Major Sedlacek des gesgrapischen Instituts, 
leistete mir treffliche Dienste; dieselbe ist so genau, so unfehlbar 
richtig, daß ich nie über meinen Weg in Zweifel war und ich 
— V—— Karte meine Wette nicht 
gewonnen hätte. Ein einziges Mal nur verirrte ich mich, als ich 
— —— passirte. Es war Nacht und 
in furchtbares Schneegestöber, und ich irtte, trotzdem ich zwei 
Hirten als Führer haile (denen ich 40 Gulden zahlen mußte) zehn 
Stunden lang im Walde herum und litt unendlich von der gräßlichsten 
Ruͤsse und Kuoͤlte. Bis zur Oesterreichischen Grenze ritt ich in 
Aniform, von hier an in einem ganz leichten grauen Anzuge, 
yhne jeglichen Üeberrock, Mantel, Plaid oder Regenmantel, man 
lann sihh daher vorstellen, daß jene Nacht mir noch lange in Er⸗ 
—XXDDO— In Frankreich ging es mir bei Weitem 
aicht so gut wie in Deutschland, das Welter war durchgehends 
chiechier und Regen und Nebel stets an der Tagesordnung. Ich 
defand mich in einer derartigen Aufregung, daß ich z. B. in 
Dieuze während der Nacht aus dem Schlafe aufspraug und mit 
der Hand durchs Fenster fuhr, wobei ich mir die rechte Hand 
berwundete. In den letzten sieben Tagen meines Rittes habe ich 
nur ein einziges Mal, und da nur drei Stunden geschlafen; wenn 
ch auch rastete, ließ mich meine Nervosität und die Angst um 
mein Pferd nicht einen Moment die Augen schließen. Meine 
Sute wollte in Folge der großen Ermüdung durchaus nicht 
fressen, ich fütterte sie daher mit Hafer⸗ Conserve, welche ich ihr 
mir Gewalt in das Maul stopfen mußte. In Frankreich wurde 
ch übrigens fast jede halbe Stunde wegen meines verdächt gen 
Aussehens von einem Gensdarmen aufgehalten, welcher mich um 
neinen Paß fragte; in vielen Ortschaften so in St. Diziere 
n) Fontenoy schrie man mir nach: „Espion prussien!“ ,Cochon 
russien!“ und noch andere solcher Schönheiten. In Cherau, wo 
h einmal meine Karte herausnahm, um mich zu orient'ren, 
ahm das Volk eine drohende Haltung gegen mich an, man schrie— 
Voyez l'espion prussien, comme il regarde son plan!“Ich 
nar sogar gezwungen, meinen Revolver neben mich zu iegen, 
wührend ich frühstückte. — In Champignon hielt man mich für 
inen Räuber oder etwas Aehnliches. In diesen Ort kam ich am 
Abend, man wies mir einen Stall für mein Pferd an, und ich 
egte mich auf einen Strohsack neben meinem Caradoc. Als ich 
abher um 4 Uhr Morgens aufbrechen und meinen Weg forftsetzen 
wollte, war die Stallihüre versperrt; man hatte mich mit sammi 
meinem Pferde eingeschlossen Ich sprengte, nachdem ich vergebens 
nach Befreiung geschrieen hatte, die Thür mit Gewalt und rief 
dann die Leute, um meine Rechnung begleichen zu koönnen. Aus 
Angst vor mir kam jedoch Niemand und ich mußte, ohne zu zahlen, 
weiler reiten. Ueberhaupi wußle man in Fronkreich nicht, ob 
meine Wette echt oder ob der ganze Ritt nur ein Vorwand und 
ich denn doch ein Preußischer Sp on sei. 
— Im Krystalipalast zu London wurde dieser Tage ein Bal⸗ 
lon in die Höhe gelassen, zu dem Zwecke, eine von dem englischen 
Cavallerircapitän Burnaby erfundene Maschine zur Ermittlung 
der Windrichtuns über den Wolken, wenn die Erde unsichtbar ist, 
zu prüfen. Die Erfindung besteht aus zwei seidenen Fallschirmen 
die durch eine Garnwinde von einigen 80 Ellen Länge mit einan— 
der verbunden sind. Wenn einer dieser Fallschirme an der Seite 
der Gondel herabgelassen wird, beginnt er sofsrt zu fallen, aber 
wegen des Widerstandes der Atmosphäre nur langfam, In einer 
andern Setunde wird der zweite Fallschirm losgelöst, und dann 
tonner die Reisenden mit Hilfe ihres Kompasses die richtige Linie 
ihres Laufes erhalten, wenn sie auf ihren Karten die entgegen— 
gesetzten Theile der Linien, auf welche die zwei Fallschirne nieder— 
fallen, notiren. Die Erfindung ist an sich sehr einfach und erwieß 
sich als erfolgreich. 
fChrgago, 29. Okt. Tie Mittheilungen über die 
Hungersnoth in Nebraska lauten sehr beunruhigend, 7000 Män— 
nern, Fraurn und Kindera droht der Tod in Folge mangelnder 
debensmittel. General Ord, der Commandeur des Departements 
der Platte, der persönliche Kenntriß von den Thatsachen hat, 
meldete heute der Handelsbehörde in einfachen Worten die traurige 
Geschichte des durch die Verherheerungen dee Heuschreden verur⸗ 
sachten Nothstandes im wesllichen Nebrasla. Er constatirt, daß 
hereits mehrere Hungertodesfälle stattgefunden haben, daß in Boone 
Greeley, Shermann, Howard, Buffallo und sämmt— 
lichen auderen Kreisen 80 Meilen westlich vom Missouri Flusse 
zwei Drittel der Bevölkerung von allen Bedürfnissen des Lebens 
entblößt sind. Sie befitzen weder Kleidungsstücke noch Schube 
und die Beschaffung von Nahrungsmitteln ist unmöglich. Ein 
Ausschuß wurde ernannt, um Schritte zur Unterstützung dieser armen 
Leute zu thun. 
Landwirfthschaftliches, 
mitgetheilt von Dr. Schneider in Worms. 
(Saubestereu.) Bei der Mistproduction wird nicht sellen 
dadurch gefehli, daß man zu häufig sich noch des Laubes als 
Einstreumittel bedient. Es ist nnausbleiblich, daß der Laubdünger 
schon im Stalle an dem Kapitale des Landwirihs zu zehren be— 
zinnt. Nicht nur, daß er dem Urine einen zu raschen Durchzug 
Jestattet, sondern der Urin schwemmt auch noch andere, leicht lös⸗ 
ͤche Dürgertheile aus, und da er selber nicht gesammelt wird, so 
derliert sich auch m'it ihm ein wesentlicher Theil der festen Aus⸗ 
wurfsstoffe. Zuͤdem ist es bekannt, daß der Laubdünger auch anf 
dem Felde noch die Zerseßung der besseren Düngertheilchen beein⸗ 
trächtigt, und so der Wirthschoft Schaden zufügt. Allerdings zeigt 
sich trotz des so sehr ausgedehnten Getreidebaues häufig Mangel 
an Streustroh; allein nicht die Anwendung der Laubstreu ist das 
Mittel demselben vorzubeugen, sondern bessere Bewirthschaftung 
des Bodens, Hebung des Futterbaues und der Viehzucht, und 
endlich Abschaffung der Laubstren. Um indessen einen entsprechen— 
den Uetzergang zu vermitteln, dürste die Anwendung getrockneter 
Erde mit eiwaä üßs der sonst üblichen Strohstreuungen neben öfterer 
Reinigung des Stalles allen Denen zu empfehlen sein,, die sich 
von der Anwendung der Laubstreu frei machen wollen. 
Höchst beachtenswerth 
für alle diejenigen welche geneigt sind, auf eine solide und 
Erfolg versprechende Weise dem Glücke die Hand zu bieten, 
ist die im heutigen Blatte erschienene Annonce des Hauses 
Bottenie d Co. in IIamburd. 
Illustrirte Wo chenschrift „Deutscher Kriegerbund,“ Nr. 48 der⸗ 
elben enthält: Bekanntmachungen und Sprechsaal in Sachen des 
Bundes; Offner Brief, Skizzen aus dem letzten Kriege: die 
active Dienstzeit im deutschen Heere; Kurzgefaßtes Vademecum zur 
Orientirung im Bureau der Standesbeamten; Verschiedenes; 
Vereinsnachrichten; Eingesandt, über das hundertjähtzrige Jubiläum 
der Jesuiten! Briefkasten ꝛc. Preis pro Quartal nur 75 Pf. 
neue Reichswährung. Zu beziehen durch jede Postanstalt.