Sl. Ingberler Anzeiger.
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B 197. Samstag, de 7mber. 1874
Deutsches Reich.
Meichstag.) In der Sitzung vom 7. Dez..stand u. A. auch der Etat
der Einvahmen aus den Zoöllen und Verbrauchssteuern für 1875
zur Berathung. Als der Titel 6 diefes Etats, die Brau—
teuer, für welche 13 Millionen Mark als Einnahme angesetzt
aund, an die Reihe kam, äußerte der Abg. Dr. Löwe Gort—⸗
chritispartei) ··
„Es ist ganz richtig. daß der Verbrauch von Branntwein
aicht zugenommen hat. Um mehr als 20 Proz. zugenommen hat
dagegen der Verbtauch des B'eres seit dem Jahre 1872, ohne
zaß freilich in gleichen Maße die Steuerbeträge aus der Malz—
teuer gestiegen sind. Ich habe häufig en dem Zustandekommen
)es Gesetzes wegen Besteuerung der Malzsurrogale (d. i. dem Er⸗
tzmittel für Malz) mitgewirkt, einuial aus fiskalischem Interefse,
odann hauptsächlich in der Erwartung, daß dadurch der Gebrauch
»on gesundheitsnachtheiligen Surrogaten vermindert, dafür aber
Malz gebraut und das Bier seblst also besser werden würde. Mit
dieser Erwartung aber haben wir ein grundliches Fiasko gemacht.
Anstatt eine Vermehruag ist eine Verminderung des Malzverbrauchs
dei den Brauereien eingetreten. Es ist mit Sicherhe t anzunehmen,
paß noch heute ebensoviel Surrogate wie vorher aangewendet wer⸗
den, die aber deshalb aicht zur Besteuerung gelangen, weil sie erst
nach Vollendung des Brauprozesses, in der sog. kalten Gährung,
hinzugefügt werden. Als das am meisten angewendete solcher Sur
cogate wird gegenwärtig die Herbstzeitose gebraucht, und re
nicht in der Gestalt des Samens dieser Pflanze, welcher bekannt
lich als ein Mittel gegen die Gicht offizinell ist, sondern in der
ungleich schädlicheren ihrer knollenartigen Wurzeln. Zweifellos
eestftehend ist, daß das Bier nach unserem Gesetz — ich will nicht
jagen in Folge desselben — schlechter geworden, eine Klage, die
allgemein in Deutschland empfunden wird. Ich höre, daß man
m Bundesralhe mit dem Gedanken einer Biersteuer sich beschäftigt.
Möge man dabei Techniker zu Rathe ziehen, damit der gefunoheits—
eindliche Prozeß der jetzt mit der Fabrikation verbunden ist, mög—
lichst verhindert werde.“
Berlin, 7. Dez. Zum Arnim Proceß ist auch Feldmar⸗
schal Manteuffel als Zeuge geladen. Die Verhandlungen werden
srxei Tage dauern, (F. J.)
Die Frate der Sessionsdauer des Reichtages ist jetzt als definitiv
entschieden anzusehen. Der Reichstag wird nach der ersten Jauuar⸗
woche (es heißt am 7. Januar) wieder zusammentreten, und zwar
nicht allein wegen des Bankgesetzes, sondern auch wegen des Ci—
vielehegesetzes, welches in dieser Session jedenfalls zum ZAustrag
gebracht werden soll. Am Mittwoch beginnen die Berathungen
des Justizausschusses übet die Vorlage unter Hinzuziehung von
Sachverständigen; man nennt zwei Autoritäten auf dem Gebiete
der Kirchenrechtslehre. — Am Donnersstag wird im Reichstag
die Beratbung des Militär Etats beginnen.
Berln, 8. Dez. Der Kaiser ernannte den Grafen
Adolph von Arnim⸗Boitzenburg, bisherigen Bezirkspräsidenteu von
dothringen, zum Oberpräsidenten der Provinz Schlesien.
Berlin, 9. Dez. Proceß Arnim. Der Vorsitzende
derkündigt des Crkenntniß des Gerichts, daß Graf Arnim' den
Einwand der örtlichen Competenz verloren habe, weil derselbe nicht
zei seiner ersten gerichtlichen Vernehmung formell geltend gemacht
worden fei; außerdem liege für das Berliner Stadtgericht das
torum deprehensionis durch die zweite im Novemder erfolgte
Verhafiung vor, es sei also in den materiellen Theil der Anklage
einzutreten.
Es beginnt das Verhör des Angeklagien. Derselbe erklärt
ich nichtschuldig, erkennt die Disciplinargewalt des Auswärtigen
Amtes über die Botschafter an, behauptet aber das Erlöschen
erselben durch seine Zurdispositionsstellung.
Berlhin, 9. Dez Die durch das Gesetz vom 8. Juli
1872 festgestellte Summe von 19 Mill. Thlrn. für den Ausbau
der elsaßlothringischen Festungen soll nach einem dem Reichstag
nerlich zugegangenen Gei⸗etzentwurf auf 21,776. 649 Thlr. erhöh
verden, theils weil, wie die Mot ve sagen, die in den letzten
Jahren eingetretene Preissteigerung es unmöglich machte
mit der ursprürglich bew ligten Summe auszureichen, theils
veil an den von den Franzosen rasch und wenig haltbar ausge⸗
ührten vier älteren Forts bei Metz theilweise Neubauten nothwen⸗
ig geworden sind.
Frankreich. *
Paris, 9. Dez. Carlistische Dep schen dersichern, es sei
»icht wahr, daß der Bischof von Urgel die carlistische Sache ver—
assen habe, und melden, daß Marschall Serrano in Logrono
ingekommen sei.
Schweiz.
Bern, 9. Dez. Der Rationalrath hat bei namentlicher
Abstimmung mit 72 gegen 13 Stimmen dem Beschluß des Stän⸗
zerathes, die Geistlichen von der Führung der Civilstandsregister
zuszuschließe n, beigestimmt.
Amerika.
New York, 8. Dez. Die Neger wollen ihren Angriff
auf Vidsburg wiederholen. Alle Bürgerdstehen unter Waffen und
jaben die benachbarten Städte verstärk.
— Fees.
r, In der Gemeinde Bedesbach bei Kusel ereignete sich am
3. d. ein bededauernewerther Unfall. Ein Arbeiter in einem Kaltk⸗
teinbruche war damit beschäftigt. X Schachteimer
inzuladen und diesen dann den Schacht hinauf winden zu lassen.
Plötzlich riß das Schachtseil, — das übrigens noch ganz neu
jewesen sein soll — und der beladene Eimer fiel dem im
Schachte stehenden Arbeiter Dick mit solcher Wucht auf den Kopf,
zuß er ungefähr eine Stunde darnach seinen Geist aufgab. Der
Berunglüctte ein Tüncher seines Geschästes, ist ein ganz junger
Mann und hinterläßt außer einer trauernden Wiltre noch ein
leines Kind.
7 Das „N. W.“ meldet aus Kirchheimbolanden, 6. Dez.
In der Ritterspachschen Fabrik ereignete sich gestern Nachmittag
ein gräßlicher Unglücksfall. Wir hören über denselben folçende
kinzelheiten: Ein 18jähriger Arbeiter von der Haide kam einem
Trtebriemen zu nahe, wurde von demselben erfaßt, einigemale
herumgeschleudert, ihm das eine Bein gam abgerissen und das
andere mehrmals gehrochen. Der Unglückliche war nach dem Un—
'alle noch bei voller Besinnung. JJ
Aeber den vorslehend erwähnten Unglücksfall in der
Ritterspach'schen Fabrik in Kirchheimbolanden theilt das „N. W.“
nit, daß der Verunglüctte am 7. d. gestorben ist. Das Unglück
vurde am 5., Nachmittags, in dec Ruͤhepause zwischen 4 und 5
Uhr,“ durch zwei andere Fabrikarbeiler herbeigeführt, welche sich im
Ddobelmaschinensaale, wo der Verunglüdkte auf einem Korbe gesessen
uind harmlos sein Abenrod gegessen, gerauft, dabei wider den
siorb gefallen sind und Früauf in einen von den Hobelmaschinen
wbgelegten Treibriemen gerathen ist, welcher ihn einige Male herum⸗
chleuderte, wobei ihm das eine Bein abrissen wurde, das oben
mm der Transmission hängen blieb, während der Koͤrher herun⸗
er fiel.
Boöoblingen, 7. Dez. Gestern Nachmittag ereignete
ich in Schönaich ein entsetzliches Unglück. Sechs Kinder fuhren
nuf Schlitten einen an einen Weiher stoßenden Abhang
zinab, und geriethen sämmtlich in denselben; vier dabon wurden
jerettet, die anderen zwei, worunter ein 11 Jahre altes Mädchen, das
einzige Kind seiner Eltern ertranken, bei einem Dritten wirdan
her Erhaltung des Lebens gezweifelt.
JMunqhen. Prinz Liuitpold hat dem in dünfligen Ver—
zältnissen lebenden Werkarbeiter Anton Letzelter in Schöngn Pfalz),
velcher neulich von seiner Frau mit lebendigen Drillingen beschentt
vurde, durch Vermittlung der „Pfälzer Ztq.“ 18 fl. zuzehen
issen.
Mainz', 8. Dez. Ein Soldat, der sich gegen einen
HAificier vergangen. sosste destern Nachmiftang z ee Mirßinee