Full text: St. Ingberter Anzeiger

Er fügte hinzu: „Ich sterbe zufrieden, weii ich in dieser Weise die 
Ehre meiner Frau und meiner Kinder rette. Ich habe alle Bor⸗ 
kehrungen getroffen, und N'emand wird je erfahren, wer und wo— 
her ich bin.“ Mit der großlen Laltblütigkeit ertrug er die Vor⸗ 
hereitung der Toslette für den letzten Gang. Auch auf dem 
Wege zum Richt platz bewahrte er eine volllommene Ruhe, und, 
duf dem Scaffot angelangt, betrachtete er mit einem Lächeln die 
Fuillotine. In dem Augenblicke, als er den Hals unter das 
Fallbeil legte, bat er, noch einige Worte zur Menge, die fich aus 
dem Richtplatz eingefunden hatte, zu sprechen. Er wiederhbolte hier, 
daß er zufrieden sterbe, weil Niemand seinen Namen wisse und er 
dadurch die Ehre seiner Familie rette. Kaum hatte er das letzte 
Wort gesproven, als das Fallbeil niederfuhr. 
F Prüfung des Rothweines auf jeine Keinheit. Die Fälschung 
jast aller Nah ungsmittel hat einen so erschreckenden Höhepunlkt 
erreicht (Cin Amerila wird sogar Schinkeu aus Bast fabricirt!). daß 
es als ein lobencwerthes Streben unserer Chemiker anerkannt 
werden muß, wenn sie das Publikum in etwak vor dem Treiben 
der Betrüger dadurch sich stellen, daß fie »Mittel an die Hand 
geben, durch welche sich die Fälschungen als solche erlennen lassen, 
noch ehe uns der Magen davon in Kenntniß setzt, daß wir ihm 
Fortrebande zugeführt haben. Kein Genußmittel ist nun so fehr 
Falschungen ausgesetzt, als der Wein; Tden Rothen] hat man 
srüher doch wenigstens mit den deidelbeeren hergestellt, allein jezt 
cheinen auch die zu theuer zu sein, denn man färbt nun das Ge⸗ 
misch von Kartoffeln, Spirisus und Weinsteinsäure, das man Fals 
Wein verkauft, mi:! dem Safte der „Schwarzen Malbe“. Prof. 
Boͤttger gibt uns ein Mittel an, wodurch man die Gegenwart 
dieser rothen Brühe im Weia leicht erkennen kann: Man misch 
10 Cub. Cti. Rothwein mit 90 Cub. CEtm. destillirten Wassers 
nimmt von diesem Gemisch 30 Cub. Ctm. und setzt 10 Cut 
Ttm. einer concentrirten Loͤjeng von schwefelsaurem Kupferoxyd 
Kupfervitriol) zu. Ist der Wein ächt, so wird er sofort entfärbt, 
ist er dagegen mit „Schwarzer Matve“ gefaärbt so entsteht eine 
prachtvolle violett aussehende Flüssigkeit. 
'In Sacramento würde dieser Tage zur großen Er 
heilerung des Publilums eine eigenthümliche Fußschau in Scene 
zesetzt. Des Morgens erschienen nämlich in den Straßen zahl⸗ 
reiche Polizeibeamten. die jeden Chinesen anhielten und ihr. dann 
wangen. die Sohle seiner Fußbegleitung zu zeigen. Die Poli— 
temen hielten der Fuß empor und besichtigten ihn, wie es ein 
dufschmied bei den Pferden thut. Der Grund zu dem eigenthüm— 
schen Verfahren war, daß chinesische Einbrecher des Nachts einen 
Schuhladen ausgeräumt hatten, desien Besitzer auf alle Sohlen 
unten sein Stembpel aufgedrückt hatte. Die Diebe wurden auf 
diise Weise auch richtig gefangen. V 
FParis. s(Prozeß Wimpffen gegen Cassagnac.] General 
Wimpffen äußerte zur Begründung seiner Klage, die übrigens, wie 
hekannt, abgewiesen wurde, in der Schwurgerichtssitzung vom 18. 
Jebruar'etwa Folgendes: Die Arlikel des „Pays?“ beschimpften 
ihn und sagten, er habe den Kaiser verrathen, indem er dem Sou⸗ 
verän allein die Rathschläge gab, weiche mit seiner Stellung 
anverträglich waren. Der General fügte dann hinzu: „Ich bin 
lein Mann einer Paetei. Ihh diente der Restauration, der JInli 
Regierung und dem Kaiserreich; ich diente, nie äner Partei 
sondern immer dem Lande und mich klagt mar dekß Verraths an. 
Die Commune nahm mich fest, und ich wäre beinghe erschossen 
wocden. Kommt das Kaiserreich zurück, so werde ich ein Ver— 
räther sein und man wird mich wahrscheinlich niederschießen. 
Meine Ankläger sind Agitatoren. Der Kriegsrath erklärte, daß ich 
für die Capitulation von Sedan nicht verautwortlich fei. Mit 
welchem Rechte klagt man mich deßhalb noch au? Ih gehe nuß 
zu einem sehr peinlichen Gegenstande über, zur militärischen Frage. 
Ich kenne den Krieg. Ja der Krim, in Italien lernte ich un— 
ere Gewohnheiter, sowie die Schwierigleiten unserer Militärorgani- 
jation kennen. Ich kannlte unsere schlechte Lage au Zahl der Leute 
und Kriegsgeräth. Außerdem überredete man den Karser, der sich 
jür einen Gencral hielt, aher keiner war, seine Truppen an der 
Brenze zu zerstreuen. Beim Beginn des Feldzugs perlangte ich 
in Commando in der Rheinarmee, man antwortete mir, man 
habe mich in Algier nothwendig. Am 24. August wurde ich nach 
Paris berufen. Ich kam am 28. dort an. Der Kriegsminister 
agte mir, daß ich eventuellen Falles den Marschall Mac Mahon 
zu ersezen haben werde. Ich kam nach Beaumont und faud das 
dritte Corvs auf der Flucht. Ich sammelte es, und es hielt bis 
d Uhr Abends Stand. Der von meiner Ankunft Lin Kenntniß 
esjetzte Marschall ertheilte mir den Befebl, mich zurückzuziehen, was 
ich auch that. Auf dem Plateau von Sedan angekommen, konsta⸗ 
sirte ich den Marsch zweier feindlicher Armeen, die uns umgehen 
wollten. Am 1. September mußle die Rückzugsidee Angesichts 
des deutschen Planes, uns zwischen einen Flusse und einer Festung 
einzuschließen, aufgegeben werden. Der Rückzug bätte bewerkstel⸗ 
igt werden koͤnnen, wenn der General Ductot, anstait bei Illy 
dalt zu machen, bis nach Donchery vorgegangen wäre. Aber die 
kruppen hatten Munition und Lebensmittel nothwendig, und 
nußten deßhalb unter den Mauern von Sedan Halt machen. Der 
Beneral Ducrot sfagte Richts von der Armee des Kronprinzen von 
Zachfen; er glaubte seinen Rückzug ausführen zu können, was 
inmöglich war. Unsere Armee hatte schon zu viele Niederlagen 
erlitten, als daß sie die zum Mandoriren nothwendige Freiheit des 
Heistes gehabt haͤtte. Das Terrain war außerdem nicht güustig. 
Der Rüchzug würde also die Auflosung gewesen sein und um die 
u verhindrn, übernahm ich das Commando. Ich sprach von dem 
Siege, um die Trupyen hinzureißen. Der Kriegstath erkanute an, 
daß ich das Commando der Lage halber übernommen habe. stann 
nan mich deßhalb des Verraths beschuldigen ? Mein Plan, über 
Balan durchzukommen, war übrigens der Plan des Marschalls Mac 
Mahon. Ich gab die nöthigen Befehle, aber als ich in den Wald 
der Garenne kam, fand ich, daß dir Preußen Illy beseßt hatien. 
Ich kam deßhalb auf meine erste Idee zurück, mit allen verfügba ren 
Streitkräften, den Kaiser an der Spitze, auf Ballan zu mar⸗ 
ch'ren. Der Kaiser verweigerte es. Ich wariete bis 3 Uhe. Da 
zie Generale nicht kamen, so führte ich meine Bewegung mit 
inigen Truppen der Generale Lebrun und Duerot aus. Wenn 
ziese Herren anwesend gewesen wären, so hätten sie mir andere 
Truppen zugefuüͤhrt. Ich allein hatte 6-2 7000 Mann gefammelt, 
velche ich gegen die schwierigsten Stellungen führte. Ich bedacerte, 
aß der Laiser nicht kam. Sein Name wäre mächtig genug 
Jeweser, um alle Teuppen gegen den Feind hinzureißen, den wir 
vahrscheinlich durchbrochen hätten. Die Führer und der Kaiser 
elbst hätten sich opfern müfsen. Der Grund der Menschlichkeit 
ristirt; er existirt nicht m Kriege. Wenn der Kaiser meinen 
Rath befolgt hälte, so würde, wenn nicht er, doch sein Sohn 
nuf dem Throne sitzen. Der Kaiser schadete der Altion des Ober⸗ 
Benerals, indem er die weiße Fahne gegen dessen Willen auf⸗ 
flanzen ließ. Es ist also infam, daß man mich so beschim pft 
wie es geschehen ist. Man will sagen, daß ich keinen meiner Grade 
derdient habe. Habe ich sie denn gestohlen? Es ist scheußlich, zu 
agen, daß ich der einzige Urheber des Unglücks von Sedan sei, 
ind mich Verxäther zu nennen. Es ist unmöglich, meine Herren 
Beschworenen, daß Sie solche Beschimpfungen zulassen, und ich 
erlange Gerechtigkeit. 
Ein sehr bemerkenswerthes Zengniß legte der Oberst Marlin 
jetzt pensionirt) ab; derselbe berichtete: Der General v. Wimpffen 
lam am 30. Aug. bei der Armee an. Seine Rolle begam im 
Augenblick, wo das 4 Korps sich nach dem Gefechte bei Beaumont 
in voller Flucht befand. Er traf auf dem Schlachtfelde ein und 
ttellte sofort die Ordnung her. Am Tage von Sedan blieb er 
den ganzen Tag auf dem Schtachtfelde. Ich sah ihn am Thore 
yon Balan, wo er alle Truppen um fich versammelte und zum 
Angriff blasen ließ. Mit 60,000 Mann hätte man ein Resultat 
zrzielen konnen. Man hat diesen Akt des Generals als eine 
Tollteit bezeichnet; Dies ist eine Schlechtigkeit Seitens Derer, 
velche brave Leute beschimpfen, die es vorzogen, eher den Tod zu 
uchen, anstatt sich zu ergeben. (Diese letzten Worten erregen 
großes Auffehen im Saale.) Ich besuche später das Schlachtfeld 
hon Sedan. Um sich von Sedan nach Mezieres zu begeben, gibl 
s nur einen Engweg au der Mündung der Maas und der Grenze. 
dieser war in erster Linie von dem fünften und in zeiter von 
em elften preußischen Korps besetzt. Ich durchzog mit meine 
Regiment in voller Ordaung ganz Sedan und begab mich nach 
dem Balaner Thore, um an dem Ausfall des Generala⸗ Wiwpffen 
Theil zu nehmen. Wenn der Kaiser in diesem Augenblick zu 
Pierde gestiegen und in unsere Mitte gekommen wäre, so hätte 
ich Niemand feinem Durchbrechen widersetzen können. Aber der 
daiser glaubte nicht, so handeln zu dürfen, und zog vor, ohne 
rgend Jemanden zu befragen, die weiße Fahne aufzuzieheu.“ (Diese 
Worte riefen große Erregung im Saal hervor.) Paul de Cassag⸗ 
ac' verlangt, datz die bereits vernommenen Generale nochmals por 
den Gerichtshof berufen werden. Ein The'! derselben erllärt, daß 
ãe den Marsch über Carignan nicht gebilligt, daß sie jedoch, wenn 
ie in Sedan gewesen, denselben milgemacht haben und in die 
si tere Gefahr gegangen sein würden. General Lebrun: Oberst 
Martin behauptet, daß, wen ein Kochpz⸗Com nandant sich dem 
Beneral Wimpffen angeschlossen hätte, rr ganz andere Er— 
olge erzielt haden würde. Ih war in Sedan. Ich verließ keinen 
Augenblick den Ober-General. Oberst Martin: Ich sah in der 
That den General in Sedan; er ging einen Pactlamentär voraus, 
welcher ein weises Schnupftuch an einem Stock trug. Zeuge 
sagt weiter, Truppen seien genug dagewesen, aber die Generäle 
hatten den Ober⸗General Wimpffen im Stich gelassen. General 
Felix Douay protestirt gegen diese Behauptung; was ihn verhin⸗ 
dert habe, IDden Ober⸗ General zu untersiützen, sei der Umstand 
zewesen, daß er keine Truppen zu seiner Verfügung gehabi.