St. Ingberler Anzeiger.
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M 63 Samstag, den 24. April 1875
—pü— r5me5
Deutsches NReich.
München, 21. April. Wie die „Südd. Presse“ aus guter
Quelle vernimmt, wird Generallieutenant v. Orff, Commandeur
zer ersten Division, mit der Führung des zweiten bayerischen
Irmeecorps an Maillingers Stelle betraut; an Stelle des in Pen—
jon tretenden Generals Dietl wird, demselben Blatte zufolge,
heneralmajor Horn, Brigadier in Mez, die Führung der vierten
didision übernehmen.
Berlhin, 20. April. Die offiziöse „Nordd. Allg. Zig.“
espricht anerkennend die Wahlen der elsaß-lothringischen Bejirks—
age zu dem nächstens zusammeniretenden Landesausschusse, welche
iberwiegend im Sinne eines maßvollen, auf die Förderung der
randesinteressen gerichteten Bestrebens ausgefallen seien.
Berlin, 20. April. Nach dem Inhalt des Schreibens,
oelches der deutsche Gesandte am ital'enischen Hofe dem Köonige
tilior Emanuel Seitens des Kaisers Wilhelm überbracht hat, ist
ie Reise des Letzteren nach Italien noch nicht aufgegeben. Wie
nan erfährt, ist vor der Abfahrt des Kaisers nach Wiesbaden eine
disposition dahin getroffen worden, daß die Reise des Kaisers als—
jald nach dem Besuch des Königs von Schweden, also in der
nitten Maiwoche, erfolgen und Ober-Italien zum Ziele haben
olle. Es ist indessen nur ein durzer Aufenthalthalt in Aussicht
jenommen, und würde der Kaiser dann direkt sich nach Ems; bes
jeben. Auf Grund dieser Plane sind denn auch bereits bestimmte
Anordnungen an die Hofämter ergangen, über d'e Begleitung ꝛc.
iber noch Nichts festgesetzt. Ob und wie weit diese Projekte zur
Ausführung gelangen können, muß sich noch zeigen. In Ems
rifft bekanntlich der Kaiser noch mit dem Kaiser von Rußland
usjammen. Auch von einer kurzen Zusammenkunft der beiden
daiser mit dem Kaiser von Oesterreich in Ems ist die Rede.
Der „Magd. Ztg.“ schreibt man hier: Mehrere in den
etzlen Tagen aus Paris hier angekommene Deutsche, darunter der
——
iiß der französischen Zustände und des französischen National—
Tharakters Niemand bezweiseln wird, versichern übereinstimmend,
ein Mensch denke augenblicklich in Paris an einen nahe bevorsten
den Krieg oder wünsche den Ausbruch eines solchen. Handel nund
Wandel erfreuen sich eines raschen Wiederaufblühens, wie man es
nemals so bald nach dem Kriege für möglich gehalten hätte.
Die Stimmung der Bevölkerung sei daher ganz allgemein eine
iehr ruhige nab befriedigte und allen Katastrophen, Wagestücken
ind Umwälzungen durchaus abgeneigt. Die endliche Wieder-
donsolidirung der Zustände, wenigstens bis zu einein gewissen
srade, genieße man in allen Kreifen mit großem Behagen, nach
em man sie so lange vermißt habe.
Mannheim, 22. April. Die beidca Kanonenboote Rhein“
ind „Mosel“ sind gestern hier angelommen. Wenn das Fahr⸗
vasser sich tief genug erweist, werden sie ihre Fahrt bis nach
Straßburg fortsetzen. Die Besatzung besteht aus Matrosen, Ar—
illerissten und P'onieren; das eine wird von einem Capitän, das
indere von einem Captän-Lieutenant befehligt. — Nach dem
Mh. Anz.“ haben sich am Montagz Oberbürgermeister Moll und
handelskammermitglied Jul. Bassermaun nach Berlin begeben, um
ie Errichtung einer F'liale der Reichsbank in Mannhnim zu be—
irmorten.
Sstrazburg, 20. April. Zu der in Handels- und Schif⸗
erlreisen circulirenden Pelition betreffend die Erbauung eines
Ztraßburg-Ludwigshafener Canals bemerkt das „Elsäfsische Volks—
latt“ in seiner Nummer vom vorigen Freitag u. A.: „Das
Schriftstück bekämpft den badischen Vorschlag als mehr dem beson—
eren Interesse Badens angemessen als dem allgemeinen Interesse
deutschlands und fällt sofort unwilliürlich in den nämlichen Fehler
ndem sie nur die Sonderinteressen Straßburg beachtet, ohne auf
tgend eine andere Ortschaft Rücksicht zu haben. Man wünscht
inen breiten und tiefen Kanal, um in Ludwigshafen nicht um—
gaden zu müssen und bedeott dabei nicht. daß das Umladen dann
in Straßburg stattfinden müßte, wenn die Waaren auf dem Pa—
riser oder dem Lyoner Kanal weiter befördert werden sollten. Für
den Gesammtverkehr kommt es auf's Nämliche herans, ob das Um⸗
saden in Ludwigshafen oder in Straßburg stattfindet, während
wir sofort die Unterstützung Bayerns finden würden, wenn wir
einen Kanal fordern würden, gleich denen, die wir schon haben,
»on Brumath aus nach Mannheim, wobei auch die zwischenliegen⸗
den Städte Hagenau, Bischweiler, Weißenburg, Landa', mit inte⸗
ressirt wären. Auch die Geldfrage kommt in Betracht, und wenn
vir aus FReichsmitleln etwas fordern, das hauptsächlich in
inserem Inleresse ist und zugleich in den Reschstag Abgeordnete
hicken, wie die Herren Guerber, Winterer und Comp., so koͤnnen
vir lange auf die Gewährung warten. Unser neuer Landes—
lusschuß sollte die Sache in die Hand nehmen und nöthigenfalls
ine Anleihe für das Elsaß vorschlagen.
Frankreich
Paris, 19. April. Im „Gaulois“ liest heute der bekannte
Militärschriftsteller Wachter seinen Landsleuten den Text darüber,
zaß sie es ihren politischen Autoren so schwer machen, ihnen die
Vahrheit zu sagen. Das Publikum will nur Berichte, die seinen
steigungen schmeicheln; so wie es 1870 nur Siegesnachrichten
vollte, so will es jetzt, wenn es sich um deutsche Dinge handelt,
aur solche Artikel, in denen Deutschland stets und in allem Unrecht
jat. Daher die falschen Auffassungen, Berichte und Uriheile, die
zier über Deutschland und besonders über den deutschen Kirchen⸗
treit verbreitet werden; in Wirklichkeit steht die öffentliche Meinung
Furopas weit mehr auf Seiten des deutschen Reichskanzlers, als
Jier irgend Jemand seinen Lesern zu gestehen wagt. So Herr
Wachter. Es ist anerkennenswerth, daß er den Muth hat, den
Zarifern solches zu sagen; nur fürchten wir, daß sein Auftreten
hm vorläufig nicht viel anderen Erfolg als den Titel eines Prussien
ingetragen wird.
Die Bonapartisten agttiren in ihrer bekannten unverschämten
Weise für die bevorstehenden Senatswahlen. In einem Departe⸗
ment des Westens, wo Photographieen des kaiserlichen Prinzen
pertheilt wurden, meinten die Bauern, der junge Mann sehe doch
noch gar zu unbärtig aus; drei Tage darauf wurden Tausende
don neuen Photographieen ausgegeben, auf welchem das prinzliche
Antlitz mit einem wohlentw'ckelten Schnurbart geziert war. Was
die den Bonarpartisten feindlichen Blätter, namentlich das Savary⸗
sche „Echo Universel“, über den inneren Zerfall der Partei er—
‚ählen, ist übertrieben; daß Rouher's Einfluß abgenommen hat,
oll richtig sein, gleichze tig aber nähert der Prinz Napoleon wieder
der Partei der Kaiserin, und die Gesammtparltei strebt augenblick⸗
ich danach, an Rouher's Sielle einen jüngeren Führer zu setzen,
inter dessen Leitung sie sich wieder fester organisiren würde.
Die Tagesblätter von Saboyen, Lyon, Macon, Saint-Etienne,
Nantes u. s. w. unterhalten ihre Leser seit einiger Zeit mit wei—
er nichts als Spionenriecherei. Die Opfer dieses ebenso lächer⸗
ichen als gehässigen Gebahrens sind die im Lande umherziehenden
desselflicer und Zigeuner, in deren Lumpen sich angeblich die her⸗
horragendsten Persönlichkeiten aas dem Generalstabe dis Grafen
Moltke verbergen sollen. So läßt sich der Progrès de Lyon noch
n seiner neuesten Nummer aufbinden, daß man unter den Kessel⸗
lickern der Provence einen „großen deutschen General“ entdeckt
sätte, der sich nicht gescheut habe, diesem elenden Werke neach
jehen, um den Hafen und die Festungswerke von Toulon aus—
orschen zu kfönnen. — Am 17. April stand vor der Zuchtpolizei⸗
ammer von Lille ein gewisser G. Hersbach, Feldwebel in einem
preußischen Linien-Infanterieregiment, um sich wegen Vagabundirens
ju verantworten. Es scheint, daß dieser Mensch wegen irgend
ines Vergehens das deutsche Heer verlassen hat, obgleich seine
Papiere in vollkommener Ordnung warea. Hersbach wurde zu 8
Nonaten und 5 jähiger Stellung unter Polizeiaufsicht verurtheilt.
Als der Vorsitzende ihm durch den Dolmeischer sagen ließ, daß er
Berufung eiplegen könne, antwortete er: „Nee, et is jut, jetzt kann
kudet Französisch jemüihlich lernen“