Full text: St. Ingberter Anzeiger

— μο., Anf ieg , 
Russel's, beir. den deutsch-belgischen Nosenwechsel, erwidert Derby: 
er sei erst seit 204 Stunden im Besitze der letzten belgischen Ant⸗ 
wortnote und habe dieselbe daher nicht genügend eingesehen. Er 
verde die Note nach ihrer Veröffentlich durch die belgische Reg'e⸗ 
rung mittheilen. Die gesammte Korrespondenz trage keinen offen⸗ 
iven Charakter, sondern eroͤrtere einfach die Frage, ob die belg. 
Gesetze ausreschend seien, den völkerrechtlichen Bedürfnisse zu ge— 
nügen. E'n Appell an die Garantiemächte fand nicht statt; er 
zlaube nicht, daß eine Intervention ohne vorheregangene Auffor—⸗ 
derung den guten Beziehungen zu Deutschland, Belgien oder den 
Frieden in Europa foöͤrderlich sein werde. 
Amerika. 
Philadelphia, 1. Mai. In Pennsylvanien wülhet ein 
jurchtbarer Arbeiteraufstand. Derselbe richtet sich gegen die Kohlen 
zrubenbesitzer, deren Bergwerke umherziehende Arbeiterbanden durch 
Feuer und Wasser zu zerstören suchen. Die aufständischen Bezirke, 
die etwa eine halbe Million Einwohner zählen, sind organisirt, be 
waffuet und haben ihre Führer. Die unbetheiligten Bürger wie 
die Behörden der Counties sind machtlos, so daß Staatsmilizen 
zur Unterdrückung des Aufstandes aufgeboten sind. Leider kann 
nicht geleugnet werden, daß die Grubenbesitzer selbst ein gut Theil 
der Schuld trifft. Mit frivoler Gewissenlosigkeit probocirten und 
begünstigten sie Anfangs die Arbeiters instellungen in der Hoffrung, 
die Kohlenpreise in die Höhe zu treiben und entfesselten dadurch 
muthwillig Elemente, deren zerstörender Gewalt sie jetzt vergebens 
vieder Herr zu werden suchen. Die Verwüstungen in den Gruben 
sind so groß, daß Monate darüber hingehen werden, ehe daran 
zu denken ist, sie wieder in Betrieb zu setzen. 
Bermischtes. 
F Kaiserslautern, 4. Mai. Gestern fand die erste Pro“ 
befahrt auf der geuçebauten Strecke Kaiserslauiern-Enkenbach stat! 
die, wie wir hören, zur allgemeinen Zufriedenheit ausfiel, so daß 
oegründete Ausficht dazu vorhanden ist, daß diese Bahnstrecke am 
15. Mai dem Verkehr übergeben wecrden kann. 
7 Die „Pfäalz. Post“ berichtet aus Kaiserslautern 
5. Mai: In unserer „Münchener Corr.“ lesen wir Folgendes aus 
hochenecken bei Kaiserslautern: Dieser Tage wurde dahier im 
Beisein einer Gerichts-Commission d'e Leiche eines vor mehreren 
Wochen beerdigten Kindes ausgegraben, welches in Folge von 
Mißhandlung von Seite seiner Stiefmutter gestorben fein soll. 
Namentlich soll das Kind durch Werfen an einen heißen Ofen 
bedeutende Brandwunden erlitten haben und hat auch der gerichts- 
irztliche Befund Brandwunden an der Leiche constatirt. Eegen 
die Stiefmutter ward in Folge dessen Criminaluntersuchung einge⸗ 
leitet. Daß nicht schon bei der Todtenbeschau diese Verletzungen 
als muthmaßliche Todesursache aufgefunden wurden, wird damit 
zu erklären gesucht, daß in diesem Falle die Todtenbeschau von 
einem 14jährigen Knaben ausgeübt worden sein soll. 
Aussder Pfalz. Wie die „Gegenwart“ meldet, wurde 
dem Maler und Zeichner Philipp Niederhöfer von Edenkoben für 
eine künstlexischen Leistungen die Ehrenmünze der kgl. bayherischen 
Akademie der büdenden Künste in München verliehen. 
F Neustadt, 4. Mai. Der Gewerbeverein verhandeklte 
zestern über Angelegenheiten der Gewerbeausstellung. Die Eröff— 
aung der Ausstellung ist auf den 2. Sept. der Schluß auf den 8. 
October festgesetzt. Der Besuch der Ausstellung ist gegen Eintritt- 
arten zu 121kr. gestattet; Kinder, Schüler Lehrlinge zahlen die 
Hälfte. Abonnementsbillette für die Dauer der Ausstellung, aber 
aur persönlich giltig, kosten 48 kr. Die Aussteller und die Mits 
Jlieder des Gewerbevereins Neustadt erhaiten solche Abonnements- 
zillette um die Hälfte: 24 kr. Die Ausstellungsgegenftände werden 
in folgenden Gruppen eingestellt und demgemäß nach Thunlichkeit 
aufgestellt werden: 1. Gruppe: Schreinerei, Holzbildhauerei, Dre⸗ 
herei, Tapeziererei und Vergolderei, Fässer und sonstige Holzarbei— 
ten; 2. Gr.: Wagenbau, Metallindustrie ꝛc.; 8. Gr.: Spinnerei, 
Weberei, Färberei; 4. Gr.: Papierfabrikation, Buchbinderei, Linii— 
rerei und Verwandtes; 5. Gr,: Lederfabrikation, Schuhmacherei, 
Sattlerei, Seilerei; 6. Gr.: Mühlsteinfabrikation, Müllerei, Stär⸗ 
kemehlfabrikation und Verwandtes; 7. Gr.: Häfnerei, Ofenfabrika— 
sion, Thonornamente, Steinbildhauerei ꝛc.; 8. Gr.: Pech, Lac, 
Farben, Seife; 9.: Spirituosen, Malz und Verwandtes; 10. 
Br.: Bekleidungsgegenstände, Kürschnerei, Hutfabrikat on, Kappen— 
macherei, Posamentiererei; 1I1. Gr.: Lithographie, Photographtie, 
Kunst und Druckerei; 12. Gr.: Gärtnerei. (Hierfür wud von 
dem Gruppencomm ssar, Herrn Gartenbauingenieur O. Hüitig, 
demnächit noch ein specielles Programm aufgestellt und veröffentlicht 
werden); 13. Gr.: Lebensmittel,d. i. Conditorei, Bäckerei, Metzgerei, 
14. Gr.: Tabak und Cigarren; 15 Gr.: Bau- und Bennmate⸗ 
cialien. Das Aussteliungscomite versichert die Ausstellungsgegen— 
fände nach Maßgabe des in dem Anmeldunesformular angegebenen 
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der Firma seines Ausstellers zu versehen. Preisangaben —X 
m Beliebea des Letzteren. Gegen Ende der Gewerbeausstellu, 
st auf Anregung Sr. Excellerz des kgl. Staatsraths und Regie 
ungspräsidenten Herrn v. Braun, der für die Hebung der pfalzi 
cchen Industrie unermüdlch thätig ist und dem Unternehmen stine 
vohlwollende Unterstützung und Protection zugesichert hat, ein 
nehrtägige pfälzische Obstausstellung unter Mitwirkung da— 
reisausschusses des landwirthschaftlichen Vereines in Aussicht 
zenommen, für die seiner Zeit ein besonderes Programm ausgi⸗ 
zeben werden wird, und auf die wir jetzt schon die Herren Obst. 
züchter der Pfalz aufmerksam zu machen uns erlauben. — Uehe— 
die am Schlusse der Ausstellung statt findende Verloosung vor 
Ausstellungsgegenständen, wozu die allerhöchste Genehmigung nach 
gesucht wird, soll Näheres in den Blättern veröffentlicht werden 
Der allenfallsige Reinertrag aus diesem Unternehmen, nach Abzug 
der an die Saalbaugesellschaft zu leistenden Miethentschädigumg, 
ällt der Kasse des Gewerbevereins Neustadt zu und überläßt letzter⸗ 
davon 10 pCt. dem pfälz. Gewerbemuseum in Kaiserslautern. 
Gkceust. 3.) 
f Frankenthal, 8. Mai. Gestern fand dahier der all 
jährliche ordentlihe Turntag des pfälzischen Turnerbundes statt, ar 
welchem 14 Vereine Theilnahmen und in welchem als Punkt 
der Tagesordnung eine Statistik der pfälzischen Turnvereine vor 
zelegt, woraus hervorgeht, daß oieselben heute im Ganzen 1172 
Mitglieder zählen; ein Beweis, daß das Turnen in der Pfal⸗ 
mmer noch fleißig geübt wird, wie sich aus dem Geiste, der sic 
während der Turntagberhandlungen dargethan hat, schließen läßt 
daß dasselbe auch für die Folge fleißig betrieben werden soll 
Sinen weiteren und Hauptpuntt der Tagesordnung bildete di 
Abhaltung eines pfälzischen Turnfestes und wurde einstimmig be 
chlossen, daß dasselbe am 11. Juli ds. Is. hier in Frankentha' 
ꝛbgehalten werden soll. (Fr. W.) 
— Die freiwillige Feuerwehr in Kusel, gegründet 1868. bat 
ich aus Mangel an Freiwilligen aufgelöst. 
F Auf der Speier-Heidelberger Eisenbahn sollen — 
der „Pf. Ztg.“ zufolge — mit Einführung des Sommerfahrpla— 
nes an allen Sunn⸗ und Feiertagen die einfachen Billete auch zur 
Rückfahrt berechtigen. Dieser von Alktionären aus Speier gestellle 
Antrag wurde von der am 29. April stattgehabten General— 
ersammlung im Interesse der Bahn einstimmig zum Bescheluf 
rhoben und wird voraussichtlich auch die Zuslimmung des hadischen 
Ministeriums erhalten. 
fJ München, 1. Mai. Wir hören von der Altienbrauere' 
um Löwenbräu hier, daß der Absatz in den 7 Monaten des lau— 
enden Bettiebsjahres sehr befriedigend war, inden er 136,108 
dektoliter (gegen 101,021 Hektoliter in der gleichen Zeitperiode 
»es Vorjahres, also um 34,087 Hektoliter mehr) betrug. Da die 
Gerhällnisse für die Brauerei in diesem Jahre im Ganzen günsti— 
jer liegen, als dies in den beiden letzten Jahren der Fall war 
o darf wohl auf ein günstiges Gesammtergebniß gerechtnet werden 
F In Stammbach bei Münchberg wollte ein Bauer nach 
ilten Brauch oder vielmehr Aberglauben, am Walburgisabend 
inen „Hexenschuß“ thun; das Gewehr ging aber zu früh los und 
raf statt einer alten Hexe ein unschuldiges Mägdlein von 16 Jahren 
Finige Schrotte drangen in Schulter und Wangen, doch ist Gesah⸗ 
für Leben und Gesundheit des Hexleins nicht vorhanden. 
F Ravensburg, 26. April. Die Stammburg des Welfen⸗ 
zeschlechts, die unmittelbar bei der Stadt befindliche Veitsburg, iß 
jeute durch Beschluß der bürgerlichen Collegien für 12,000 fl. in 
den Besitz der Stadt übergegangen, und damit die Erhaltung dieser 
geschichtlichen Stätle überhaupt als öffentlicher Vergnügungsort 
gesichet. (Schw. M.) 
FMainz, 30. April. Aus Nassau, dem Heimaths 
yrt des Soldaten, der hier in den Wellen des Rheins seinen Tod 
jesucht und gefunden, erhält der „Rh. K.“ den Brief, den Theo⸗ 
»or Hegman — so ist der Name des Unglücklichen — vor seinem 
raurigen Ende an seine Eltern geschrieben hat. Er lautet: 
Nauinmz, den 28./4. 75. Liebe Eltern! Wenn Ihr diesen Brick 
rhaltet, bin ich nicht mehr unter den Lebenden, denn mit dem 
jeutigen Tage habe ich für dieses Leben abgeschlossen. Bis jetzt 
jabe ich Alles mit Gedusd erttagen und immer gedacht, daß noch 
dieser traurigen Zeit wieder eine andere folgt. Aber was zu toll 
st, ist zu toll. Heute Mittag hatten wir Turnen und Vajonet 
iren und sollte ich heute zum ersten Mal schon pariren und stoßen. 
vie ein Dreijähriger; weil das nicht Alles klappte, wurde ich von 
dieutenant Götz Il. so geohrfeigt, wie es mir während meiner 
RKekrutenzeit noch nicht vorgekommen ist. Ich kann das nicht 
änger übergehen und muß der Sache ein Ende machen. Lieb⸗ 
Dutter, ich bitte Dich viel tausendmal um Verzeihung für das, 
vas ich jetzt thue. aber es ist nun nicht zu ändern. Tröste Dich 
ind bete zu Gott, daß er meine arme Seele gnydig aufnimmt