Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberker Anzeiger. 
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Sonntag, den 1875 
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Deutsches Reich. 
München, 18. Mai. Als ein Hauptgebrechen, an dem 
mser Vollsschulwesen leidet, wird in einem Etlaß des k. Kultus⸗ 
nünisteriums vom 8. d. die Thatsache bezeichnet, daß der Forl⸗ 
isdung des Lehrerpersonals nach dem Austritte aus dem Schul⸗ 
ehrerseminar nicht allenthalben im Kodnigreich jene Aufmerksamkeit 
iud Sorgfalt zugewandt wird, welche die Wichtigkeit des Gegen⸗ 
sandes erfordert und das Normativ über die Bildung der Schul⸗ 
chrer vom 29. Sepl. 1866 in der Bestimmung Abschn. II, 
ap. II, 8 101 u. s. f. als nothwendig erachtet. Eine bessere 
Ixganisation des Fortbildungswesens des Schullehrer⸗Personals 
ind ein energischer Vollzug dieser Organisation sei ein dringendes 
Zeiibedürfniß. Zu diesem Behufe hat nun das Kultusministerium 
ch B. rnehmung sämmilicher Kreisregierungen sich veranlaßt gese⸗ 
zen, in weiterer Ausführung der vorallegirten Bestimmungen des 
dehrerbildungsnormatives, die Errichtung von Fortbildungskursen 
mzuordnen. Es sollen nach diesem 24 Paragraphen umfassenden 
ninisteriellen Erlasse zur Befestigung und Erweiterung der im Se⸗ 
mnar gewonnenen Kenntnisse und zum möglichen Ausbaudet theo⸗ 
uischen und praktischen Biidung sowie zur Weckung und Pflege 
et Berufswesens und der Berufsliebe des Lehrerpersonals — an 
den Volksschulen in jedem Kreise eine entsprechende Anzahl von 
Fortbildungskutsen (in der Regel ein solcher Kurs für jedes Be—⸗ 
iirksawt u d für jede größere Stadth) eingerichtet werden und ent⸗ 
ält der Erlaß die näheren Anordnungen hierüber. (Pf. K.) 
Berlisn, 12. Mai. Eine gesiern von der National⸗Zei 
ung“ berichtete Aeußerung des Reich?Skanzlers über die 
chsten Aussichten für Krieg oder Frieden findet in dip⸗ 
omanischen Kreisen Bestätigung. Fürst Bismarck hat kürzlich einem 
diplomalen, der ihn auf's Gewissen fragte, ob er wirllich Fiank⸗ 
reich mit Krieg zuvorlommen wolle, geantwortet. Das käme ihm 
erade so vor, als wolle er jetzt fich auf Kullmann ftürzen und 
hn umbringen, aus Besorgniß, derselbe korne ihn nach dreizehn 
Jahren, wenn er frei werde, zum zweiten Mal anfallen. 
Berlkin, 13. Mai. Die „Nordd. Allgem. Zig.“ schreibt: 
Fürst Bismarck wurde w'ederholt, namentlich Mittwohs, in 
langdauernder Audienz vom Kaiser Alexander empfaugen. 
Fürst Gortschakoff und Fürst Bismarck konferirten taͤglich. Ersterer 
derweilte gestern Abend mehrere Stunden im auswärtigen Amte. 
deide Staatsmänne: schieden in gegenseitiger Befriedigung. Eine 
Zerßandigung brauchte allerdings nicht erst erzielt zu werden, 
her das Einverständniß wurde von Neuem befestigt. 
Karlsrühe, 13. Mai. Gestein Abend aurde die von 
ver israelitischen Gemeinde mit einem Aufwand von 104 Mill. 
Mark nach einem Plan von Prof. Durm neuerbauten Synagoge 
eierlich einge veiht. Anwesend waren der Großherzog, die Groß 
)erzogin, der Erbgroßherzog, die Minister und Generäle, sowie 
ahlreiche andere Geladene. Der Vorsitzende des Synagogenraths, 
Hielefeld, und der Oberrath Willstädser haben den Zähringer 
Irden 1. KNlasse erhalten. 
Zupferstööͤßern wäre das Unglück nicht vorgekommen. Auch 2 Kinder 
on Rammelsbach sind schwer verletzl. 
Der Grünstadter Stiadtrath kam dem, „N. W.“ 
afolge zum Entschluß für den Canton Grünstadf einen Weinmarkt 
is Leben zu rufen, damit die Weine des untern Gebirges, die 
:ausel⸗, Assel⸗ und Bockenheimer, in der Nähe als ausgezeichnet 
etannt, auch in der Fremde den ihnen :gebübrenden Standpunkt 
inmal einnehmen. 
Braubach, 10. Mai. ‚Es lkommt Wasser!“ „Ein 
Bolkenbruch ist gefallen!“ So erltönte gestert gegen 5 Uhr der 
hrecklsche Ruf von unserer Marxburg hernieder, nachdem eine 
ziunde vorher furchtbarer, doch keineswegs sehr bedeutender Ge⸗ 
Aitterregen über unsere Stadt und Umgegend dahingezogen war. 
kdaum hatten wir diesen furchtbaren Schreckensruf veraommen, so 
ah man auch schon eine ungeheure Wassermasse durch den an der 
-ztraße nach Dachsenhausen gelegenen Stadttheil dahinbrausen. 
Im Nu waren die unteren Stockwerke der tiefer gelegenen Häuser 
janz mit Wassec gefüllt und kaum hatten die Bewohner so viel 
Zeit, sich in die oberen zu flüchten. Die sich so entwickelnde Ka⸗ 
astrophe nar so fürchterlich, daß sie diese Feder nicht zu beschrei⸗ 
jen vermag; nur ein mattes Bild kann sie davon geben. An vielen 
däusern entstanden bedeutende Beschädigungen; ganze Wände 
vurden eingedrückt, so daß die Gebäude dem Einsturze nahe waren; 
'ast sämmtliche Hausthüren wurden aus den Angeln gerissen, die 
Jenster eingestoßen, die sämmtlichen Hausgeräthe in den Erdgeschos⸗ 
en demolirt, ebenso viele Weinfässer in den Kellern ꝛc. Einem 
Manne ertranken 4 Stück Ripdvieh. Die Eisenbahnzüge konnten 
uiicht mehr passiren, da einer Brüce der Einsturz drohte. Die 
Brücken über der Braubach sind größtentheils total ruinirt. Das 
Wasser brachte anuch von Auswärts, wahrscheinlich aus der Muhle 
zei Dachsenhausen, allerlei Hausgeräthe, auch mehrere Stück todtes 
Vieh; man spricht sogar von einigen Kinderleichen. — Der enistan⸗ 
)ene Schaden ist sehr bedeutend und beläuft sich auf viele Tausende 
von Thalern. 
Reutlingen, 10. Mai. Ein schreckliches Unglück 
hrachte heute Abend nach 4 Uhr den untern Theil der Stadt in 
Aufregung. Bei Rothgerher Seb. Bühler sollte ein Weichkasten 
ür Häute, ein etwa neun Fuß tiefes viereckiges Loch von etwa 
36 Duadratfuß Grundfläche, auf dessen Boden fich etwa 1/ 
Fuß tief Schlamm angesammelt hatte, geleerl und gereinigt werden. 
Als dasselbe bis auf den 12/3 Fuß tiefen Schlamm geleert war, 
teg der Sohn, ein junger hoffnungsvoller Mann von 22Jahren, 
nuf einer Leiter hinab, um den Schlamm in Kübel zu schöpfen und 
ꝛiagem obenstehenden Arbeiter zu reichen. Kaum war er unten, als 
er bewußtlos in den Schlamm stürzte. Der Arbeiter stieg die 
deiter hinab, um seinen jungen Herrn herauszuziehen stürzte aber 
nuch alsdald besinnungslos in den Schlamm. Auf den Hülseruf 
eines Knaben, der oben stand, eilten viele Leute herbei, darunter 
auch ein Schulamtszögling, der im Hause wohnte. Diefer stieg 
alsbald die Leiter hinab, um zu retten; kaum aber hatte er einen 
Unglücklichen ergriffen, als er auch besinnangslos in den Schlamm 
iiel. Einem Mezger, der nun hinabsteigen wollte, drohte das 
zleiche Schicksal, doch wurde derselbe von den ihn haltenden Män⸗ 
gern heraufgezogen. Nun banden Männer Seile um den Leib und 
liegen, gehalten von andern hinab und brachten so nach und nach 
die 3 Verunglücdten herauf. Ohre Lebenszeichen lagen alle 8 auf 
dem vor dem Hapse befindlichen Lohhaufen. Lebensversuche von 
den herbeigeeilten Aerzten ließen nach längerer Thätigkeit bei den 
uletzt in die Grube Gestürzten, an, Rettung hoffen, auch der Sohn 
ebte noch, der Puls kam in Bewegung. auch das Athmen flellte 
ich ein, doch nach einer Stunde war er, ohne zur Besinnung ge⸗ 
ommen zu sein, eine Leiche. Die 2 andern sind gerettet und 
uuper Gefaht. 
Man schreibt dem „Pfalz. Kur.“: „Die Spicherer Höhen, 
das Ehrenthal, die goldene Bremm und wie sie alle heißen, jene 
zurch die Vorposten-Gefechte im Juli, das Treffen am 2. und die 
Schlacht am 8. Auaust 1870 so betühmt gewordenen Punkte in 
Bermischtes. 
F Die „Sp. Zig.“ schreibt aus Speyer, 18. Mai: Wir 
jdren von einem neuen Unkernehmen, das für Handel und Ge— 
derbe unserer Stadt von großer Bedeutung werden kann. Es 
oll nämlich auf der Strecke Speier-Mannheim eine Dampischiff⸗ 
ahrt für Personen und Güterverkehr ins Leben gerufen werden. 
Zu diesem Behufe ist der Ankauf eines Moseidam pfbootes beab⸗ 
gchtigt. Wie man uns miitheilt, interessire sich für dieses Project 
much ein Mannheimer Consortium, und das Unternehmen soll ge⸗— 
icherl sein, wenn ein Capital von 10. 000 fl. in tiesiger Stadt 
gezeichnet würde. 
Die „Pf. P.“ meldet aus dem Glanthal, 12. Mai. Lei⸗ 
der ist wiedet ein Unglück in den Rammels bacher Stein⸗ 
zrüchen geschehen. Ein junger Manu, dessen Frau neulich in die 
Wochen dam, ist deim Einsetzen des Schusses auf jammerlichste 
Beise von den Steinen zerressen worden. Mit Anwendung von