Full text: St. Ingberter Anzeiger

St. Ingberlker 
Ingberker Anzeiger. 
der St. Pnaberter Unzeiger (und das mit dem Hauptblatte verbundene Unterhaltungsblatt, mit der Dienstazs⸗, Donnerstags- und Sonntags- 
kummer ericheint wochentlich viermal: Dinstag, Donnerstag, Samstag und Sonntaq. Adannementspreis vierteljährig 42 Krizt. ode 
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Dienstag, den 18 M 
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—MSSJ)x— 
I1875 
Deutsches Meich. 
Berlin. „In Bezug auf das Attentatscomplott, mit dem 
ithh die öffentlichen Blätter seit einigen Tagen so viel beschäftigen, 
ann die „Schl. Pr.“ aus sicherster Quelle die Mitiheilung machen, 
aß dasselbe in Warschau ongesponnen und von der dortigen Poli⸗ 
ei in dem Augenblick entdckt worden ist, als die beiden Atten⸗ 
iter, ein gewisser Dunin und ein gewisser Wawczynike, 
ich anschidten, zur Ausführung ds von ihnen geplanten 
gerbrechens über Bresluu nach Berlin abzureisen. Die 
ussische Polizei benachrichtigte sofort den in Warschau stationirten 
eutsch n General Consul Freiherrn von Rechenberg und dieser 
ele raphirte nicht nur auf der Stelle an das Reichskanzleramt in 
zerlin, sondern verfolgte auch in Begleitung eines Consultats⸗ 
⸗cretärs die beiden vermeintlichen At entäter in demselben Bahn- 
uge, mit welchem diese ressten, bis Breslau. Dort wurde vom 
freiherrn v. R. zur Beobachtung die polizeiliche Hlfe requirirt, 
ind d'es scheinen dieselben wohl gemerlt zu haben, denn sie schlu⸗ 
jen schon mit einem der nächsten Buhnzüge die Richtung, statt 
ach Berlin, nach Krakau ein, obwohl sie bei ihrer Ankunft in 
zreslau ein Telegramm vorfanden, welches die Anzeige enthielt, 
aß ihnea das versprochene Geld in Berlin ausgezahlt werden. 
da der Freiherr v. R. in Breslau erkrankte, so übernahmen die 
Beiter verfolgung der Attentäter bis Krakau Breslauer Criminal- 
eamte, die dann später durch Berliner Crim'nalbeamte in Krakau 
bgelost wurden. Die Verhaftung der vermeintlichen Atlentäter in 
Zreslau ist wohl aus dem Grunde unterblieben, weil eßs an Be⸗— 
peisen für das von denselben angeblich (eplante Verbrechen sehlte. 
Dder eine der Atteniäter ist in Krakau verhaftet worden; die 
Nagdeb. Ztg. hört von der Verhaftung zweier Emissaire, vermuth 
ich der beiden oben genannten. 
F Von mehreren Seiten laufen Berichte ein über die Schäden, 
velche das schwere Gewitter am Montag den 10. d. M. berur— 
acht hat. In Erfurt schlug der Blitz Mittags in die Kaserne 
uf dem Petersberge, betäubte zwei Artilleristen und wödtete einen 
Nann. In Naumburg war der wolkenbꝛuchartige Regenguß mit 
roßen Schlossen vermischt; an 800 Fensierscheiben wurden allein 
nn Gebäude des Apellgerichts eingeschlagen. Die Fluren um Gotha 
ind von dem Hagelschauer furchtbar beschädigt; die Züge der 
Thüringer Bahn erlitten bedeutende Verspätungen. In Thüringen 
ourden alle Bäume entwurzelt, mächtige Felsstücke und Ackerge⸗ 
äthe fortgerissen. D'e ganze Bergkette zweschen Eckarisberga und 
Naumburg wir in einen einzigen wilden Wasserfall verwandelt. 
7Der Capitän des unglücklichen „Schiller“, Hr. Thomas, 
er, im Gegensatz zu dem ersten Hochbootsmann, welcher sehr kurz 
ꝛach dem Aufahren ein Boot flottgemacht und mit demselben troß 
)es Anrufeas des Capitäns abgestoßen war. oyne eine Frau oder 
dind aufzunehmen, einen über alles Los erhabenen Heroismus an 
)en Tag gelegt hat, ist, wie die „Frf. Zig.“ meldet, ein gebore⸗ 
ier Frankfurter gewesen. Er war erst vor wenigen Wochen bei 
einer in Frankfurt wohnenden alten Mutter zum Bejuche einge⸗ 
roffen, nachdem er die berühmte Schnellfahrt von New-Hork nach 
kuropa in 9 Tagen gemacht hatte. Es war feine letzte glückliche 
Fahrt. Der Verblichene war ein höchst gebilde er geistreichet Mann, 
ein Gentlemann in des Wortes vollster Bedeutung. — Von den 
auf dem Schiffe befindlich gewesenen 103 Frauen ist eine einzige 
zerettet worden und merkwürdiger Weise befindet sich auch der 
Mann derselben unter den wen'gen Ueberlebemden. Von den Kin⸗ 
dern, deren eine große Zahl sich auf dem Schiffe befand, ist kein 
einziges dem Wellengrabe entrongen. 
Ein höchst interessanter Erbschaftsprozeß wird jetzt von 
iner ziemlich urbemittelten Frau in Arad (Ungarn) gçegen das 
englische Aerar angestrengt werden. Es handelt sich um eine Hin⸗ 
erlassenschaft von nicht weniger als fünfhundertochtzig Millionen 
Zulden. Die be reffende Frau sucht nachzuweisen, daß ihr Groß 
dater der Bruder des englischen Generals Sombre, auch Ray nond 
zenannt (eigentlich hieß er Reinhard und war ein Bayer), gewesen, 
der im Jahre 1850 in den ostindischen Kolonien ohne Hinter— 
assung direkter Nachkommen gestorben ist. Das vorhandene Baar⸗ 
»ermögen des Verblichenen wird gegenwärtig von der englischen 
Bank als Deposit verwahrt, während die in Ostindien befindlichen 
Ziegenschaften von dem Secretair für die Colonien verwaltet wer— 
)en. Die bezeichnete Ecbin in spo hat nun einen Pester Advo⸗— 
aten mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche betraut und der— 
elbe begibt sich dieser Tage nach London, um sein Glück und das 
einer Klientin zu vecsuchen. 
— Der sonderbare Reisende, der Amerikaner, welcher sich ver⸗ 
flichtet hat, bie Reise um die Welt zu Fuß zu machen, in der 
Beise, daß et jden Tag 80 englische Meilen durchwandert, ist 
üngst in Liverpool angekommen. Mak Grayson, so heißt der 
Mann, ist 28 Jahre alt, 5 Fuß 7 Zoll hoch und wiegt 180 
Pfund. Er hat New-York am 8. d. M. verlassen und nuß, 
venn er die Wette gewinnen will, auf seinem Ausganzspunkte, der 
Tity-Hall jenet Stadt, am 28. Rovembec 1876 wieder eingelroffen 
ein. Auf dem Verdeck des Schiffes, mit dem er die Ueberfahrt 
nachte, ist er, wie ausgemacht worden, täglich so lange herum⸗ 
pazirt, bis er 30 englische Meilea gewandert war. Er hat 
18,712 englische Meilen zu Land und 12,935 zu Wasser zu 
»urchlaufen. Seine Marschroute ist von New-NYork nach Liverpool, 
von dort nach Havre über Chester, Sh⸗ffield nach London, von 
davre wird er nach Lyon durch Frankreich seine Wanderungen 
ortsetzen, dann über Genua, Florenz, Rom und Neapel nach Con⸗ 
tantinopel sich begeben. Hier wird er über den Bosporus setzen 
ind auf dem Landwege Indien zu erreichen fuchen. Von Indien 
zus soll er darauf zuerst nach Canton und dann nach Honkong 
veiter gehen. In letzterem Hafen wird er sich dann nach den 
Philippineninseln einschiffen, sich von dort nach Nenguinea, Austra— 
ien, den Sandwichinseln und San Francisco begeben und quf dem 
»„VBermischtes. 
F Zweibrücken, 15. Mai. Nachträglich sind dem pfäl— 
ischen Gewerbemuseumsve ein noch weiter beigetreten: 7 Personen 
on Ho nbach, 2 Personen von Knopp und J Verson von St. 
ingbert. 
Get Das Jahresfest des pfälz. Missionsvereins wird, nachdem 
ꝛas Presbyterium von Kaiserslautern die dortige Stiftskirche ver⸗ 
veigert, am 26. Mai in Homburg gefeiert werden. 
FHerr J. G. Büchl in Nürnberg verfertigt einen einfachen, 
bber sehr sinnreichen Apparat, welcher den Zweck hat, bei dem 
Insiechen, respe Ausschank des Bieres das Entweichen von) Kohlen⸗ 
äure zu verhindern, also das beste Miltel ist, um das Bier in 
krieb zu erhalten, und somit die Anwendung von Spriztzbahnen 
ßierspritzen u. s. w. vollkommen überflüssig macht. Der Appa- 
at ist von der Commission für Förderung der Industrie und Ge— 
nerbe des Industrie- und Kulturvereins gepruft und als „äußerst 
ractisch und zweckdienlich“ befunden worden. 
f In Lahr Gaden) starb der Rentier Jamm und vermachte 
er Stadt sein ganzes Veemögen, das über zwei Millionen Guͤl⸗ 
»en beträgl. Außerdem bestimmte er seinen großen, prachtvollen 
harten mit Schlößchen zu städtischen Aulagen. (einen solchen 
batrioten koͤnnten wir in St. Ingbert auh brauchen.) 
F Berlin, 11. Mai. Dem hiesigen Kaiser Franz Garde⸗ 
ʒrenad'er⸗Regiment ist jetzt ein japanesischer Prinz, Odeim des 
daisers, Namens Kita Schiwakuva no Mya, zur Dienstleistung 
ugeth ilt. Derselbe thut den Dienst bez der 10. Compagnie. 
der 19-jährige Prinz, den ein japanesischer Adjutant beg'eilet, be— 
indet sich bereits 2Z Jahre in Denischland und hat in dieser Zeit 
ei unermüdlichem Eifer es dahin gebracht, ziemlich fertig Deuisch, 
inglisch ung Französisch zu sprechen, waäͤhrend er bis dah'n nur 
einer Muitersprache mächtig war. Er will das Examen für die 
kriegsalademie und sein Adjutant das preußische Offiziersexamen 
n kurzer Zeit ablegen. Der Prinz, der in seiner heim'schen 
Urmee Majorsrang haf, tragt eine Uniform nach europä schem 
dn schwarz mit Goldstickerei und e'n Käppi nach französijchem 
uster.