Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Sl. Ingberlker Anzeiger. 
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Sonntag, den 28. Mai 
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Deutsches Reich. 
München, 17. Mai. Seit einigen Wochen sind die Un— 
zrofficiere und Mannschaften der Eisenbahn Compagnie tm Fahr- 
ienste zur Uebung als Lokomotiv- und Zugführer verwendet. 30 
nterofficiere haben bereits die selbstständige Führung der Loko— 
rotiven erlernt. 
München, 20. Mai. Wie von verlässiger Seite mitge⸗ 
heilt wird, soll die Auflösurg des Landtages Ende des Monats 
juli in Aussicht genommen sein und allsogieich eine Neuwahl der 
dammermitglieder angeordnet werden. 
München, 20. Mai. Wie in militärischen Kreisen ver— 
autet, wird der Generalverwaltungsdirektor C. v. Feinaigle um 
ine Quiescirung nachsuchen. 
München, 20. Nai. Der kgl. bayer. Telegraphen-An⸗ 
jaltsdireltor Herr Gumbart reist heute nach Berlin, um sich dann 
Gemeinschaft mit dem Direktor der Reichspost: Anstalt, Hru. v. 
ztephan, und dem gleichzeitig eintreffenden Finanzrath und Di— 
eltor der württemberg. Telegraphen-Anstalt, Hrn. Schrag, nach 
zeiersburg zu dem vom 1. Juni ab daselbst tagenden internatio— 
nalen Telegraphen⸗Kongreß zu begeben. 
Berlimn, 19, Mai. Die Nacricht der „Kreuzzeijung“ 
her den beabsichtigten Rücktritt des Kriegs-Ministers v. Kamele 
ewinnt an Wahischeinlichkeit. General⸗Lieutenant v. Voigts⸗Rhetz 
väre zu seinem Nachfolger designirt, und der Rücktritt soll — so 
jört man — mit der Pensionirung des Generals v. Fransecki 
xfolgen. General v. Kameke würde Kommandeur des zweiten 
ommer'schen oder des 15. Armeekorps (Elsaß-Lothringen werden. 
Berlin, 20. Mai. Die „Nordd. Allg. Ztg.“ erklärt, daß 
ie Meldung verschiedener Blätter von einem Rundschreiben des 
Fürssen Bismarck an die Vertreter Deutschlands im Auslande, 
— ——— —E — — —— . , 
e Ehur —* ũopdischen Friedens bezeichne, unbe⸗ 
nündet sei: ein solches Rundschreiben existirt nicht. — 
Frankreich e Mizrist 
Paris, 20. Mai. Der „Figaro“ hatte heute die —J 
eines Abonnenten? veröfsentlicht, welcher den unschuldigen — F 
qlag machte, die französsche Nation solle, um, der bestän 
diegsgefahr und den ruinbsen Rüstungen ein Ende zu 
„fen und ehrlich auf Elsaß-VLolhringen verz chten oder, wenn * 
ucht anginge, wenigstens feierlich erklären, daß sie den — 
eg ersi in hundert Jahren unternehmen wollten. Dieser nan 
wleleik. unglaubiich. aber war Jedn en hen n 
hen Kreisen für Ernst genommen worden und, wie mehrere Abend⸗ 
iälter versichern, Gegenstand einer Besprechung im heutigen 
Ninisterrathe gewefen. Wäre es also et ra verboten, zu 
laäͤren, daß der Frankfurter Friede wirklich recht verbindliche 
draft hat? 
häufizen Besuchen bei Fürst Orloff darnach trachtete, den Argumen⸗ 
en, die in Berlin gebraucht wurden in dem Versuche, Rußland 
zu bewegen, Fürst Bismarcks Plau zur Unfähigmahung Frauf— 
reichs zu acceptiren, borzugreifen. Es ist gesagt worden, daß eine 
zroße ultramontane Bewegung gegen Deutschlaud in Gang gesetzt 
vurde, daß die französische Regierung ein ultramontaner Säbel 
st, und daß Belgien in die Hände der klerikalen Fraktion, welche 
»ie Abstimmung bom 24. Mai bewirlte, spielt. Dies kann M. 
Thiers nicht bestreiien. Aber er kaun den Czaren ersuchen, mit 
einem Urtheil hinzuhalten, bis die Wahlen für den Senat und 
die nächste Nationalversammlung stattgefunden haben. Er kann 
auch und wird, ich zweifle nicht, sagen, daß, wenn ein ultramons 
aner Säbel die Republik repräsentirt, dies der Fall ist 
weil Graf Arnim dem fusionistischen Complott Vorschub 
eistete das zu dem Sturze M. Thiers führte. Wenn der 
Braf nicht die Jastruktionen des Fürsten Bismarck befolgte, r prä⸗ 
entirte er ohne Zweifel einen preußischen Einfluß irgend einer 
Art. Was M. Thiers in dem mehr als wahrscheinlichen Falle 
einer Zusammenkunft mit dem Czaren in diesem Sommer nach⸗ 
uweisen suchen wird, ist, daß eine aufrichtig republikanische Regie⸗ 
ung in Frankreich, welshe die arbeitenden Millionen dirett t prä⸗ 
entirt und keine dynastischen Interessen hat, denen durch einen 
drieg gedient werden könnte, an sich eine Bürgschaft für eine fried⸗ 
'ertige Politik sein würde. Es ist jede Aussicht vorhanden, daß 
das Ergebniß der nächsten allgemeinen Wahlen eine Nallonalber 
ammlung sein wird, die in ihren Anschauungen und Tendenzen 
illes, nur nicht päpstlich sein wird. VDer Senat, wenn weniger 
ortgeschritten, wird sich nicht dem Vorwurf des Ultramontanismus 
iussetzen. Niemand ist kompetenler als M. Thiers, fich auf die 
Details der ——— rimge oι. 
redung zwischen M. — und dem Czaren mag erzeugen, die 
iejenigen, welche das Septembergesetz entwarfen, nicht auficipirten. 
Wenn sie nicht zu dem Rüchiritt des Marschalls Mac Mahon 
ühren, müssen sie seine Augen der Nothwendigkeit öffnen, aufzu⸗ 
ören, die lang verstorbene konservative Masorität, die ihn zu der 
Präfidentschaft erhob, zu rebräsentiren und ihn die Politik lehren, 
die gänzlche Trausaktion dec öffenllichen Geschäfte seinen Ministern 
iu überlassen.“ 
Bermischtes. 
F Der. IV. bayerische Feuerwehrtag findet am 5. und 6. Sept. 
d. J. in Kempten statt. 
F Saarbrücken, 21. Mai. Dem Glasfabrilanten Albert 
dahne zu Friedrichsthal bei Saarbrücken ist urter den 15. Mai 
d. J. ein Patent auf eine Einrichtung zum Vorwärmen von Glä— 
'ern zum Zweck ihrer Härtung, insoweit dieselbe nach der vorge— 
egten Zeichnung und Beschreibung als neu und eigenthümlich er— 
rannt worden ist, und ohne Jemanden in der Anwendung bekann⸗ 
jer Theile zu beschtänken, auf drei Jahre, von jenem Tabe an ge— 
rechnet, und für den Umfang des preußischen Staatis erthelt 
worden. 
FBerliner Zeit. Das reisende Publikum wird darauf 
aufmerksam gemacht, daß seit dem 15. da. M. sich alle deutschen 
Bahnen nach Berliner Zeit richten. Die Berliner Zeit differirt 
F Nürnberg, 19. Mai. Nürnbergs älteste Restauration, 
das berühmte, jedem Reisenden bekannte „Bratwurstglöckle,“ wurde 
jestern Nacht ein Rauub der Flammen. Das Bratwurstglöckle 
vurde im Jahre 1409 an die Nordseite der Morizzkapelle, in wel⸗ 
her sich eine Gallerie älterer Kirchengemälde befindet, gebaut, 
dürnberg wird diesen Verlust sehr schwer empfinden. Noch mehr 
,ie zahllosen Fremdenschaaren, welche nach dem kleinen, in Wort 
ind Bild verherrlichten Lokal pitgetien, um das prächtige Würstl 
nit Sauerkraut oder Gurkensalat zu genießen. Das „Bratwurjt⸗ 
löckle“ war für Rürnberg dasselbe, was für München das Hof⸗ 
räuhaus ist. Ueber die Eatstehungsursache des Feuers ist noch 
richts Näheres bekannt. 
Italien. 
Rom, 16. Mai. Der deutsche Kronprinz ist vor einigen 
kagen wieder in Venedig bei seiner Gemahlin eingetroffen und 
vurde werkwürdiger Weise vorgestern Abend von den Anhängern 
ines radicalen Vlattes, genaunt der „Atheist“, mit einem Fackel— 
tändchen beehrt. Gegenüber dem Sindaco der Stadt sprach er 
aus, es sei die feste AÄbsicht sesnes Vaters, bald nach Ital'en zu 
ommer, und dann werde zum ersten Male ein deutscher Kaiser 
i wabrer Freund von den Italienern aufgenommen werden.“ 
die italienischen Blätter sprechen sich alle entzückt über die Liebens— 
vürdigkeit des deutschen Prinzenpaares aus. 
England. 
London, 16. Mai. Ueber die angeblich projektirte Zusam— 
menkunft zwischen Thiers und dem Czaren wird der „Daily 
ews“ von ihrem Pariser Correspondenten geschcieben: „M. Thiers 
var seit einigen Wochen durch Vermittelung der russischen Bot— 
chaft und eines andern Agenten in beständiger Communication mit 
tirem persönlichen Freunde, Fürst Gortschakop. Es ist so gut 
is geregelt, daß er und der Czar sich bald in Brüssel begegnen 
gerden. Es ist kein Geheimniß, daß M. Thiers in seinen jüngsten