St. Ingberker Anzeiger.
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P 92 Sounta⸗ 1875
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Deutsches Reich.
München, 9. Juni. Laut bezirksgerichtlichem Urtheil wur⸗
en heute Nachmittag 8 Uhr von 76 in dem Socialistenproceß wegen
gergehens gegen das baherische Vereinsgesetz Angeklagt⸗xn 309 freige⸗
rochen, die übrigen 87 dagegen für schuidig befunden und in
zefängnißstrafen von 17 bis herab zu 4 Tagen, sowie in Geld—
rafen von 10 Thlr. dis zu 4 Thlr. verurtheilt; Heinrich Oehme
on Breslau wurde ausßerdem wegen Unterschlagung mit 3 Monat
zefängniß bestraft. Zugleich wurde die erste Müunchener Genos⸗
enschafts-Buchdruckerei sůr gerichtlich aufgelöst erklärt. Die Ge⸗
verlschaften der Schuhmacher, Buchbinder, Holzarbeiter, Schneider,
adirer u. a. mit Ausnahme der Häfner wurden, als politische
lendenzen verfolgend, aufgelöst.
München, 10. Jum. Dem nächsten Landtage wird ein
vesetzentwurf betreffs der Revision der gesetzlichen Vorschriften über
zchutzwaldungen in Vor'age gebracht werden und werden bereits
om Staatsministeriem des Innern im Benehmen mit dem Finanz⸗
ainisterium diesbezügliche Recherchen geflogen.
München, 10. Juni. In der Zeu vom 1. Juli bis 12.
zeptember werden von den Pontonier-Abtheilungen der Pionier⸗
ataillone des VIII. IX., XV. und einem Theile des Pionier—
alaillons des XII. (sächsischen) Armeckorps bei Koblenz groͤßere
lebungen auf dem Rhein vorgenommen, woran iich auch d'e auf
enanntem Flusse stationirten Kanonenboote betheiligen. Zu diesen
lebungen werden auch bayerische Ingenieure und Offiziere der
zioniecbatoillone, insoweit es die Mansver unserer Armeekorps
eslatten, abgeordnet werden.
Berlin, 10. Juni. Sicherem Vernehmen nach hat der
zeiskanzlet Fürst Bissmarck durch kaiserliche Verordnung vom
Juni einen nachgesuchten Urhau'b auf unbestimmte Zeit er⸗
alten. Die Staats-Minister v. Bülow, Camphausen und Del—
rück sind mit der Vertretung des Reichskanzlers betraut; der Kaiser
at sich vorbehalten, in besonderen Fälien auch während des Ur⸗
aubs sich seines Rathes zu bed'enen.
Die „Post? bespricht in einem interessanten Leitattilel das
zchwinden des englijchen Einflusses in Europa; dasselbe datire
eit der Auflösung der Allianz mit Frankreich. Was Deutschland
etteffe, so selsen in Eugland Preußens Erfolge anfangs wohlwol⸗
end berrrtheilt worden, seit dem Drei-Kaiser-Vündnisse sei ader die
Wohlwollen verschwunden. Jetzt suche England die fallenge⸗
issene französische Allianz wieder anzuknüpfen, verfolge aber dabei
ine kurzsichtige und enzheczige Politii.
Belgien.
Brüfsel, 10. Juni. Die „Indépendance belge“ veröffent⸗
icht den Wortlaut des eingebrachten Gesetzentwurfs, detr. die
ctrafbarkeit dis Anerbietens zuͤr Begehung gewisser Verbrechen.
her sich zu einem Vebrechen anbielen welches mit dem Tode oder
wangbarbeit bestraft wird, ebenso wer ein auf ein solches Ver⸗
nechen gerichtetes Anerbieten annimmt, soll mit Gefängniß von 8
Nonaten bis zu 5 Jahren bestraft werden. Die Schusdigen kön-
en zu Landesverweisung oder Siellung unter Polizeiuufsicht ver⸗
aAlheilt werden.“
Schweitz.
Genf, 10. Juni. Der große Rath von Genf hat gestern
n von Georg Fazy eingebrachten Gesetzentwurf über die Tren—
8 von Kirche und Staat mit 44 gegen 12 Stimmen ver—⸗
vorfen.
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Bermischtes.
. Berlin, 8. Juni. Senator Schurz ist heute früh nach
em 14 tägigen Aufenthalt in Hamburg dier eingetroffen. Einem
eute Abend ihm zu Ehren gegebenen Bantette wohnten etwa 80
saste bei, zur Halfte Ämeritaner.
. Bei den jetzt vielfach eingeführten Dachpappe⸗-Dächern
oie es von Interesse sein, daß in der Fabrik der Herren H.
oile u. Co. in Berlin ein Cementfirniß als Ueberzug zu diesen
uchern angefertigt vird, welcher sich ais fehr zwednäßig und
dauerhaft bewährt hat. — Derselbe braudt wegen seiner großen
Dauer nicht wiederholt zu werden und besitzt d'e Eige jchaften, daß
er weder durch Sonvenhitze weich wird und abläuft, noch bei seiner
Festigkeit spröde oder rissig wird, wie Solches bei den bisher an⸗
zewandten Asphalt. und Theer Üeberzügen stets der Fall und was
neben der großen Unannehmlichkeit auch für die Bedachung höchst
nachtheilig war. — Dies Maierial ist von den Koönigl. Baubeam⸗
len sowohl zu diesem Zweck, wie auch zur Sicherung von Holz⸗
verken zwischen Stein und Erde empfohlen und vielfach angewandt
worden.
GEine heitere Geschichte) erzehlt mar fich in Darmstadt
)on einer neuen Lehrerin. Vie erst 17j1ährige, also kaum dem
Zackfischalter entwachsene Pädagogin krug in einer hoͤheren Mad—
henschule Gesundheiislehre vor und kam dabej auch auf den anste⸗
lenden Charakter des Schnupfens zu sprechen. Zum Beweise ihrer
)esfallsigen Behauptung führie sie an, daß sie Tags zuvor mit dem
in parenthosi bemerk 20 Jabre alten) Herrn Lehrer, welcher den
Schnupfen habe, spazieren gegangen und nun von demselben Uebel
befallen worden sei.
tIn Koppenheim bei Selz am Rhein schlug der Blitz
in einen uralien Baum von 8 Meier Umfang, unter den sich 28
Menschen geflüchtet hatten. Zwei davon wurden sehr gefährlich
zeiroffen; einige andere mehr oder weniger schoer verleßt. Die
meisten kamen mit dem bloßen Schrecken und einer Betäubung
davon.
Die New VYorker Zeitungen enthalien spltenlange Berichte
iber die Explosion einer Sodawasser-Fontaire in einer Apotheke
in Boston, wodurch 6 Personen geiödtet und viele mehr verwundet
wurden. Die Explosion entstand in einem Gebaäͤude an der Ecke
der Washington⸗ und Lagrange⸗street um eiwa 622 Uhr Abends,
u welcher Zeit der Verkehr am lebhaftesten war. In dem Augen⸗
hlide, als mehrere Personen an der Fontaine tranken, explodirte
Iötzlich etwas unterhalb mit einem Geräusch, wie das eines ge⸗
dämpften Kanorenschusses. Unmittelbat darauf wurde das Gebäude
in die Höhe gehoben und fiel dann mit furchtbarem Gekrach unter
)en Hilfenufen und dem Kreischen vieler Menschen nieder. Die
Wirlung war furchtbar; der Erdboden wurde auf einige Entfer⸗
iung hin wie durch ein Erdbeben erschüttert, allenthalben zerbrachen
Fensterscheiben und die Uhren blieben stehen. Eine mit Damen
zefüllte Droschke stürzte um und die Infaßen fielen heraus. In
»em Moment der Explosion wurde kein⸗ Flamme wahrgenommen,
aber kurze Zeit darauf war der Platz mit Staub, Rauch und um—
herfliegenden Trümmern gefüllt. Die Feuerwehr wurde dlacmirt
ind erschien bald an Ort' und Stesse, un nach den unglücklichen
Infassen des Haufes zu forschen. Zehn wurden bald geborgen,
yon denen 6 todl und die andern meahr oder weniger schwer der⸗
etzt waren. Man g'aubt, daß die Explosion durch Gas verursacht
ourde, aber wie sie so heftig werden konnte, ist noch nicht ganz
estgestellt. Das Gebäude war ein massives.
——
ntere sant
ist die in der heutigen Rummer uuserer Zeitung sich befin⸗
dende Glücs-Anzeige von Samuel Hedscher sent. in Ham⸗
burg. Dieses Haus hat sich durch seine prompte und ver⸗
chwiegene Auszahlung der hier und in der Umgegend gewon⸗
nenen Beträge einen dermaßen guten Ruf erworben, daß wir
Jeden auf dessen heuliges Inserat schon an dieser Stelle auf⸗
merksam machen.
„Die in unserem heutizgen Blatte befindliche Gewinn⸗Mitthei⸗
ung des Herrn Laz. Sams. Cohnin Hamburg ist ganz be—
onderd zu beachten. Dieses Geschaft ist bekanntlich das älteste
and allerglüdlichste; im Jahre 1874 wurde schon wieder das große
doos bei ihm gewonnen, und hat dieses Haus schon früher den
dei ihm Betheiligten die größten Hauptgewinne von Reichsmark
360,000, 270,000, 246. 000, 225.000, 183,000, 180,000