Si. Ingberker Anzeiger.
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Sonntag, den 11. Julf
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Deutsches Neich.
Zweibrücken, 8. Juli. Nr. 155 des „Pfälzischen Kurier“
nthalt im Zweiten Blatte eine Besprechung der am 1. Juli jüngst
zahiet abgehaltenen Versammlung von Vertrauensmännern des
Bahlvereins der Fortschritispartei. Der Inhalt dieses Arlikels ist
uur geeignet und wohl auch bestimmt, Zviespalt in das Lager der
reiheitliebenden und reichstreuen Wähler zu tragen. Wärde nicht
der „Piälzer Kurier“ den Arlikel gebracht haben, so hätten wir
einen Augenblick zweifeln können, daß hiec eines jener Mittelchen
vorliege, welche „durch den Zweck geheiligt“ werden. Bei der poli⸗
ischen Richtung des „Pfälzer Kurier“ aber müffen wir zu unse⸗
em Bedauern annehmen, daß der Verfasser in unserer eigenen Mitte
u suchen sei. Einigkeit macht stark, und wir bedürfen bei der
zigenthümlichkeit unseres Wahlbezirkez der Einigkeit auf's Dringen⸗
je. Wir bedauern daher auf's Tiefste die hämische Art und Weise,
n welcher der Verfafser des Kurierartikels den ihm persönlich un⸗
ieben Ausgang der Kandidatur Freudenberg bespricht. Wir wollen
hm auf das Gebiet der spitzen Redensarten nicht folgen, müssen
edoch die „Stadtmännex“ gegen die Uuterstellung verwahren, als
b sie den Wahlmännern vom Lande vorschreiben wollten, wen sie
vählen sollen. Es ist bereits von dem Berichterstatter der „Zweibrücker
Zeitung“ dem Knrierartikel furz erwidert und in dieser Erwiderung
er Ausgang der Kandidatur Freudenberg dargelegt wor—
den. Wir konnten es nur billigen, daß die 33weibrücker Zeitung“
Riese Kandidatur, weil fie mit erdrückender Mehrheit äbgelehnt
var, nicht weiter zum Gegenstande der Besprechung ma hie.
itgz ziemt sich, bei Besprechung öffentlicher Angelegenheiten
nit männlicher Geradheit und Offenheit Dinge und Perjsonen
u behandeln. Es ziemt sich aber auch nicht ohyne Noth solche Ver
andlungen, namentlich wenn sie im Parteikreise gepflogen wurden,
in die Oeffentlichleit durch die Presse zu ziehen. Wir sind aber
vurch das zur Zeit uns noch schwer erklärliche Vorgehen des Ver⸗
assers jener Auslassung im Kurier genöthigt, uunmehr den ganzen
dergang bezüglich der Kandidatur Freudenberg offen darzulegen. Es
vitd sich daraus ergeben, daß die „Stadtmänner“ weit dabon ent
eint sind, ihren Wlleu, ihre Ansichten anderen Leuten aufzudrän⸗
jen, und daß sie es nicht sind, welche ihren Mitwählern zumut,jen,
ih ihres eigenen Urtheils zu entschlagen und blindlings sich dem
hutachten eines Einzelnen zu unterwerfen. Es war Herr Hauter
vn der Kirschbacher Mühle, welcher schon im verflossenen Späth
erbste einzelnen Mitgliedern des engeren Ansschusses des Wahlver—
ains der Fortschritispartei den angeblichen Wuufch eines großen
Theiles der Landbevölkerung mittheilte daß einer der drei Vertre
er unseres Wahlkreises aus dem Siande der Landwirthe gewähll
werden möge, wobei Herr Hauter einzelne practische Aufgaben her
ꝛorbob, welche bezüglich einer großeren Gleichheit in der Vesteuerung
des Grundbesitzes dir künftigen Legislatur gestellt werden dürften.
die Berehbtigung des besagten Wunsches wurde sofort anerkannt;
uz aber Hetr Hauter als den angebüichen Kandidaten der Land—
evllerung Herrn Oito Freudenberg von hier nannte, mußten ihm
gfort die erhbeblichsten Bedenken entgegengehalten werden, und Herr
uter erklärte, er werde sich der Majoritäk der Partei in solchen
Zersonenfragen fügen. Bei Beginn dir Wehlbewegung regte Herr
auter d'e Kand datur Freudenberg abermals an, aber nur mit
»en Erfolge, daß die ihm seiner Zeit geäußerten Bedenken ihre
olle Bestͤtigung fanden. Der Vorschlag ersahr in allen Kreisen,
e ihn leunen lern!en, eine fast einstimmige Adleh nung. Sowohi
ie Mitglieder des engeren Ausschusses, als auch die am 26. Juni
wrtsammelten in Zweibrücken wohnenden Mitglieder des weileren
Ausschusf 8 und die erste Versammlung von Vertrauensmännern am
. Juni fanden den Vorschlaz des Herrn Hauter unannehmbar.
die Versammlung am 1. Juli wurde vom e eren Ausschug auf
inen Donnerstag berufen, eigens aus dem Grund', weil we an
vn Fruchtmarkttage auf einen besonders zahlreien Besuch der
andwirthe rechnen durfien, und unter besondrer Hervorhebung des
wecles einer Bezeichnung des dritten Abgeordneten aus dem Stande
er Landwirlhe. Auch diese Versammlung, zum weitaus größeren
Theile aus Landwirthen bestehend, hat sich, wie schon erwähnt, mit
erdrückender Mehrh'eit gegen die Kandidatur Freundenberg ausge—
prochen. Damit hätte füglich die Sache abgelhan sein sollen bis
nach der Urwahl, nach weicher die Wahlmänner unserer Partei alle
in Vorschlag gebrachten Kandidaturen nochmals besprechen moͤgen
und sollen. Das constitutionelle Leben beruht uuf der Nath vendig⸗
heit gegenseiligen Nach ebens. Der in der Minderheit Verbliebene
lann durch verbissenes Festhalten an seiner Ansicht und Aussprechen
seines Aergers nur der Sache schaden, die er vectritt. Der engere
Ausschuß darf fich sagen, daß er je und übecall nur die Sache im
Luge gehabt und bei Auswahl der Persönlichkeiten diesen obersten
hesichtspunkt festgehalten haße. Wenn Beamte vorgeschlagen wur⸗
zen, io hatte man nur die Mäannec im Auge, nicht die Beamten;
nan folgte dem öffentlichen Vertrauen, welches diesen Kandidaten
n weiteren Kreisen entgegengetragen wird. Die „Stadtmänner“
ind und waren nie gegen die Auffstellung eines Verlreters aus dem
reise der Landwirthe, sie wünschten sogar lebhaft die Verwirklich⸗
ung des bezüglichen Wunsches. Der engere Ausschuß hat sich Mühe
jegeben, Hrn. Ritter v. Herbitzheim, Hen. Buhl von Deidesheim,
orn. Adam Müller, Generalseeretär in München, zur Annahme
ziner Kandidatur zu bewegen. Seine Schritte waren vergeblich.
herrn Hauter selbst wurde die Kanddalur angetragen; er hat ab⸗
zelehnt. Noch jetzt wäre man bereit, einen Landwirth zu accep⸗
iren, der neben seiner besonderen Fachkenntniß diejenigen Eigen⸗
chaften besitzt, welche nach unserer Auffassung einem Volksvertreter
unentbehrlich sind. Herr Freudenberg aber scheint uns nicht an⸗
iehinbar. Wir sind weit eatfernt, die Ehrenhaftigkeit, die Bildung
ind die Fachlenntnisse desselben zu bemängeln. Aber gehört der⸗
elbe überhaupt zu unserer Partei? Theilt er die Ansichten der
Mehrheit unseres Wahldezirkes über den Fortschritt im Innern und
iker treues Festhalten am Reche? Wir wissen dies nicht, obwohl
derr Freudenberg schon 20 Jahre in unsrer Mitte lebt, und von
den vielen Personen, welche der engere Ausschuß deshalb zu Rathe
zog, konnle Niemand Auskunft über die politische Gesinnung des
den. Freudenberg geben. Nur Herr Hauter glaubte, für die Kor⸗
rektheit derselben gutsprechen zu können. Derselbe wird uns aber
etlauben, zu zweifeln, ob die Augen des Freundes immer scharf
zenug sehen und sein Urtheil nicht ducch sein Gefühl getrübt werde.
Vertrauen kang nicht befohlen und nicht durch Ueberredung erzwun⸗
gen werden, und bemüht hat sich Herr Freudenberg um unser poli⸗
tisches Veetcauen herzlich wenig. Wann hätte Hr. Freudenberg je
an dem öffentlichen Leben Theil geaommeu? Wie gesagt, wir ken⸗
nen die politischen Ansichten und die Begabung des Hrn. Freuden⸗
zerg für eine öffentliche Wirksamleit nicht. Soeben kommt uns der
„Pfälzer Kurier“ vom 7. Juli vor Augen, in welchem ein „Mit«
zlied des landwirthfchaftlichen Bezirlscomites Pirmasens sich eben⸗
alls darüber beklagt, daß die Kandidatur Freudenberg vor den
Augen der Zweibruͤcker Herren keine Gnade gefunden habe. Der
Berfasser kennat, wie er selbst sagt, Hrn. Freudenbecg nur aus einer
Versammlung von Mitgliedern landwirthschaftlicher Bezirksco nites,
velche im October 1873 in Homburg siatihatie, wo er erfuhr, daß
Dr. Freudenberg „als Vorsitzender mit großer Sachkenntniß eine
Singabe an die Gegeralversam nlung des lan;wirethschaftlichen Ver⸗
ins ausgearbeitet habe.“ Der Verfafser knüpft hieran die Be⸗
merkung: „Weßhalb diese Persönlichkeit si h nicht als Vertreter der
andwirthschaftlichen Interessen eignen sollt', ist mir unbegreifl ch.“
Bir entgegnen hierauf, daß die „Siadtherren“ die Befäsigang des
Irn. Freudenberg zur Vertretung der landwerthschuiftlichen Inte—
sessen weder geprüft, noch bezweifelt haben; allein die Kimmer ist
ein land virthschaftlicher Veccin, und eine ausschl'eßliche Veriretung
»on Standesinteressen ist unserer jetzigen Verfassung fremd. Unsere
Abgeordneten sollen Vertreter des ganzen Voltkes sein und mülssen
aher die Eigenschaften zur Vertrekung aller Lebensinteressen besitzen.
Mau schlage uns einen Landwirth vor, der diese Egen'chaften nach
inserer Ueberzeugung besitzt, und wir accepuren denselben bereit⸗
villig. Wir haben uns nicht auf Beamten capricirt, aber dürfen
»och auf der anderen Seite perlangen, daß wir unser eigenes Ur⸗