Full text: St. Ingberter Anzeiger

Männer, welche am 15. Juli zusammentreten, in ihrer großen 
Mehrheit gesunden Menschenverstand genug haben, um zu wissen, 
um was es sich handelt. Herr v. Mallinckrodt sagte in einem im 
Jahr 1873 nach Oesterreich gerichteten Briefe: „Die heutigen zeit— 
bewegenden Fragen sind nicht lokaler, sondern z'emlich allgemeiner 
Natur. Die Schlachtlinien auf beiden Seiten ziehen sich über die 
dandesgrenzen hinweg.“ Diese Worte fallen mir stets ein, wenn 
anmich von Franzosen die Frage gerichtetwird: Was hören Sie von den 
bayeri schen Wahlen? Diese Frage begegne! mir überall. Und daß 
sie gesteut wird, läßl ermessen, welche Bedeutung man dem Ausfall 
der bayerischen Wahlen beilegt. Ich glaube kaum, daß es persön— 
liches Interesse für die Herren Minister ist, was die Franzosen mit 
Spannung auf die bayerischen Wahlen blicken läßt. Die Franzo— 
sen werden durch die Erinnerung an die Geschichte der letzten Jahr 
hunderte leicht dahin gekührt, zu bergessen, daß es anders gewor— 
den ist. Sie glauben noch an die Möglichkeit, Berbündete in 
Deutschland zu finden. Jedenfalls sehen ije in dem Siege der 
bayerischen Ultramontanen den Sieg einer Parlei, die ihnen näher 
steht, als dem Deutschen Reiche. Darin liegt eine gewifse Gefahr. 
Allerdings wird Frankreich zur Zeit von Männern regiert, die zu 
viel Friedensliebe und zu viel politische Einsicht haben, um sich 
durch die Illusion einer katholischen Liga zum Kriege treiben zu las⸗ 
sen. Aber das franzöfische Volk ist sarguinischer Ratur, und es 
wäre zu beklagen, wenn durch einen ultramontanen Wahlsieg Hoff⸗ 
aungen erregt würden, die schon einmal auf die Stimmung des 
ranzoͤsischen Volkes von verhängnißvoller Wirkung gewezen sind, 
indem sie den ruhig denkenden Theil zeitweilig in den Hintergrund 
drängten.“ — Ob die offizielle Stellung des Hra. Botischafters 
durch die Veroͤffentlichung dieses Schreibens erleichtert wird, diese 
Frage möchten wir durch diejenigen beantworlen lassen, welche die 
Veröffentlichung bewerkstelligt haben. 
Ausland. 
Paris, 11. Juli. Paul Leroy-Beaulien beschäftigt sich im 
„Journal des Debats?“ einçehend mit der Frage, was geihan wer 
den sollte, um Ueberschwemmungen gleich denen, welche jüngst das 
üdwestliche Frankreich verheerte und aug enblicklich die sfüdöstlichen 
Be genden heimzusuchen droden, für die Zukunft nach bestem Er— 
messen vorzubeugen. Dem Schneefall auf den Pyrenäen und Alpen 
dann nicht Einhalt geboten werden und an eine wirlsame Eindäm— 
mung der meist von steilen Abhäugen herabstürzenden Bergbäche,. 
welche durch plötzlichen Wasserandrang das Austreten der Flüsse 
und Siröme in den Niederungen verursachen, ist nicht zu denken; ein 
erfahrungsmäßig untrügzliches Mittel aber zur Beschwörung neuen 
Unheils wäre die „Arpflanzung von Forsten“ in den kahlen Ge— 
birgsgegenden. Feankreich besttzt, fährt Herr Leroy-Beaulieu fort, 
dem Anscheine und statistischen Berichten gemäß ein sehr ausgedehn- 
les Forstgebiet. Früher wuͤrde es auf neun Millionen Hektaten 
veranschlagt; neueren und genaueren Berechaungen zufolge wird 
es auf acht Millionen Hektaren angesetzt, von denen etwa eine 
Million dem Staate, zwei Millionen den Gemeinden und fünf 
Millionen Privaten zu eigen gehören. Da Frankreich einen Flä— 
cheninhalt von 52 Millionen Hektaren hat, so wäre demnach der 
siebente Theil des Landes mit Waldungen bedeckt. Dieses Ver⸗ 
Verhältniß wäre in der That ein sehr zufriedenstellendes, wenn alle 
sogenannten Wälder ihren Namen verdienten und wenn sie gleich 
mäß'ger über das ganze Land vertheilt wären; Jallein statt des 
angeblichen Forstes findet man an manchen Orten kahle Bodenstre— 
cken, wo sogar Gestrüpp eine Seltenheir ist, und dann liegen de 
meisten Walder im Norden und Osten, der Süden aber weist fast 
gar kein, und das mittlere Frankreich nur wenig Gehölz auf. 
Paris, 14. Juli. Die Regierung hat auf Ersuchen des 
panischen Gesandten Teuppen an die Grenze gesandt. — Dem 
Soir? zufolge erhielt die Regierung die Nachricht, daß mehrere 
Tausend Carlisten an der Grenze ftehen; man wisse noch nicht 
»d d.eselben von den königlichen Truppen gegen die Grenze ge— 
dräugt seien oder ob sie eige Angriffsbewegung vorbereiten. 
Salzburg, 14. Juli. Der Deulsche Kaiser ist soeben hier 
einzetroffen nud im „Hotel zum Erzherzog Karl“ abgestiegen. Er 
wird morgen dem Kaiser von Oesterreich in Ischt einen Besuch 
nachen. 
Genf, 14. Juli. General Dufour (Befehlshaber des Bun— 
desheeres im Sonderbundskrieg) ist zeute Vormutag 10 Uhr, 88 
Jahre alt, dahier gestorben. 
Madrid, 13. Juli. Die Verluste der Carlissen bei Vittoria 
betragen über 1000 Mann. General Martinez Campos hat sich 
mit der Division Wehler in Verbindung gesetzt und alsdann zut 
Verfolgung Dorregaray's gewandt. Nachdem die Ruhe auf dem 
rechteu User des Ebro wieder hergestellt ist, hat Jovellar hente den 
Ebro überschritten, um gegen die Tarlisten in Catalonien vorhu⸗ 
gehen. 
Bayonne, 14. Juli. Der Carlistenfübrer Dorregaray ist mit 
seinem Corps nach Barbastro zurückgegangen, da er nicht nach Na— 
varra vordringen konnte. Ein Theil seines Nachtrabs. 172 Mann 
mit 6 Officieren, wurde gezwungen, be' Gavarnie nach XE 
iberzutreten, wo sie entwaffnet und internirf wurden. 
London, 8. Juli. Auch England hat nunmehr seines 
„Lrach? erlebt. Es sind in de iletzten Wochen nicht weniger al⸗ 
10 Fallissements großer engl'scher Häuser bekannt geworden. Di 
»ahei in Frage kommenden Summen belaufen sich im Ganzen au 
aicht weniger als 21, 175,000 Pfund Sterling oder ca. 141, 200, 000 
Thlr.z bei keiner jener 40 Firmen ist die Summe geringer als 
13.000 Pf., St. und es ist selbstoerständlich, daß diese großen 
Fall ssements den Sturz zahlreicher kleinerer Häuser theils schon 
ach sich gezogen haben, theils noch nach sich ziehen werden. 
New-York, 28. Jun. Das. Juͤbilaum der Sch'acht hei 
Bunkershill wurde am 17. Juni unter dem Zuströmen von Fest: 
genossen aus allen Theilen des Landes — die Zahl der Gäste wird 
auf 300,000 geschätzt — in Boston mit großem Glanz und Enthu— 
siasmus gefeiert. Seine besondere Bedeutung erhielt das Fest da— 
durch, daß sich zum ersten Male wieder d'e Vertteter des Südens 
und des Nordens zu einer Feier verein'gten. Mit Recht erblickt 
nan darin ein Zeichen, das sich die Bande, die alle Siaaten der 
Anion umschlingen, wieder gefest gt haben. Zum ersten Mal“ — 
verichtet Bayard Taylor, der treffliche Uebersetzer don Göthe'z 
Faust“ — „haben Nord und Süd sich an diesem Abend die 
Dand gereicht. Während des ganzen Tages nahm das Gefuühl, 
das bei Ankunft des fünften MarhlandRegimenis zum Ausdrug 
kam, an Wärme und Innigkeit zu uͤnd steigerte sich bei der Ankunft 
der Tempelritter (einer Loge) aus Nichmond und der Regimenter 
zus Gharleston und Norfolk (Süd-Carolina) bis zu einem wahren 
Fnthusiasmus.“ 
Bermischtes. 
fSpeler, 13. Juti. Carl Daffener von hier vurde wegen 
Beleidigung des deutschen Kaisers durch das kgl. Zuchtpolizeigericht 
in Landau zu drei Monalen Festungshaft verurtheilt. 
F Kaiserslautern, 14. Juli. Das bisherige Resultaf 
der Sammlung freiwilliger Beiträge zur Gründung und Erhaltung 
des pfälzischen Hewerbemuseums ist nach der Afrẽlr. Zig.“ 
olgendes: 
Bezirksamt. Geschenke. 
RNm. 
Berzabern —R 
Frankenthal 512 
Hermersheim 200 
domburg 293 
daiserslautern 3320 
Kirchhei mbolan. 464 85 
Kusel 526 
Landau 738 
Reustadt 1480 
birmasens 343 
Speyher 2198 
Zweibrücken 4641 
Antheilscheine Jahresbeiträge. 
Rim. Rm. 
175 212 
175 212 
75 434,14 
625 412 
2025 1712 
150 524 
225 476 
200 455 
1450 842 
300 384 
475 366 
375 1238 
Im Summa: 1876245 7150 7267.14 
F München, 14. Juli. Der Vertheilungsplan in der A 
Spitzeder'jchen Gant liegt vo heute an innerhalb 16 Tagen in 28 
Bänden auf der kgl. Gerichtsschreiberei dee tgl. Bezirksgerichts 
München l. J. auf. Im Ganzen enthalten die Register 83,000 
Namen von Gläubigern, wevon circa 8000 sich persöntich anmel⸗ 
deten, die anderen durch Anwälte oder Gerichtsvollzieher vertreten 
ind. In Bayern ist seit Menschengedenken noch niemals eine so 
zroße vielverzweigte Gantmasse auseinander geseßt worden. 
x Augburg, 12. Juli. Der Sturm, der am Samstaeq 
10. Juli) bauste, richtete in Gärten, Alleen und an Häusern und 
Neubauten große Verheerungen an und schlitzte die 100 . jahrige 
dinde vor dem Stephingerthor entzwei. Die Bahnwärtersfrau 
Buchschmied, Mutter von 7 Kindern, wurde nächst dem —XC 
ischen Friehof von einer durch den Wind niedergerissenen Tele— 
raphenstange derart zu Boden geschleudert, daß ne augenbliclich 
bren Geist aufgab. 
Saargemünd, 12. Juli. Man soll hier dem Urheber 
ehr bedeutender Diebstähle auf die Spur gekommen sein, welche 
nuf dem hiesigen Bahnhofe, resp. dessen Werkstätte in der letzten 
Zeit bezangen worden sind und bringt damit eine Haussuchung 
in Verbindung, welche gestern bei einem Eisenbahnbediensteten in 
Hanweiler unerwartet abgehalten worden ist und welche das Re⸗ 
jultat geliefert haben soll, daß hier der Urheber bon Diebstählen 
zu suchen ist, in deren Folge eine Anzahl Arbeiter aus Verdachts 
zründen früher entlassen worden waren. Die sofort eingeleitete 
Untersuch nz wird das Richtige herausstellen. 
Auch im südöstlichen und im mittleren Frankreich, so na— 
nentlich in der Gegend von Lyon, im Vivarais, in der Dauphie, 
im Beaujolais, in der Bresse und in Savohen haben in der letzten 
Woche Gewitter und Hagel schweren Schaden angerichtet.