Full text: St. Ingberter Anzeiger

Condon gefahren und dort bei seinen Onkeln, Exporteuren, in 
Dienste getreten sei, die ihn in der Dustan⸗kirche in Fleeistret ang⸗ 
sicanisch taufen ließen. Durch Privatfleiß eignete er sich Kennt 
nisse an und trat als Parlaments ⸗ Reporter in den Dienst englischer 
Journale. 1848 ging er nach Amerika, lebte dort als Sprach 
sehrer und machte daselbst ein glückliches Geschäft an Schnittwaaren, 
die Havarie gelitten hatten. 1850 kehrte der nach London zurück, 
erwarb irgendwo und irgendwie ein Doltor Diplom und gab 1852 
bis 1855 ein Handelsjournal, dann Sharpe's London Magazine 
heraus. Im Jahre 1856 kam er nach Berlin und begann dag 
Penny · Blatt: „Der illustrirte Omnibus“, das aber schon mit der 
dreijehnten Nummer einging. Er warf sich nun auf die Assekuranz 
Branche und war sieben Jahre General ˖ Agent der englischen Ge— 
sellschaft „Watetloo“. Damals wohnte Strousberg mit seiner ganzen 
Familie in einer Chambro garnio in der Louisenstraße; erst jraͤter 
onnte er sich eine comfortable Wohnung goͤnnen. Es gelang ihm, 
als Halb⸗Engländer. Verbindungen mit der englischen Gesandischaft 
anzuknüpfen; durch diese trat er mit englischen Kapitalisten in 
Geschaftsbeziehungen und baute als der erste „Genetal ˖ Unternehmer“ 
die Tilfit⸗Insterburger Eisenbahn. Er begana nun Concessionen 
zu erwerben und verschaffte seinen Kapitalsgebern die ostpreußische 
Südbahn. Bald trat er als selbst änd' ger Bau⸗Unternehmer auf 
In acht Jahren hatte er gebaut oder im Baue: die Tilfit-Inster 
durzer, die ostpreußische Südbahn, die Berlin ˖ Goͤrlizer, die Rechte⸗ 
Pder⸗Ufer, die Markisch⸗-Posener, die Halle-Soraun⸗Gubener, die 
Hannover⸗Altenbeden⸗ Bahn, die ungarische Nordostbahn (mit vier 
Sinien), die rumänischen Eisenhahnen und die russishe Lenie Graiewo⸗ 
Bialysio09fff. 
Das war ihm Jahre 1870. Der Eisenbahnkönig ehatte fafi 
sechshundert Millionen in seinen Unte rnehmungen in Bewegung 
und hunderttausende Arbeiter regten die Hände in seinem Solde. 
Aber Strousberg war nicht blos ein mächtiger Eisendahn-Bauherr, 
er schuf und erwarb eine Menge von industriellen Unternehmunger, 
Hausern, Gütern, Baugründen, so die Schienenwalzwerte von 
Dorimund, Blechwalzwerle und Bergbau zu Neustadt, eine riesen 
hafte Maschinenfabrik in Hannover, bei welcher er eine NKolonie 
von zweitausend Arbeitern ansiedelte, E'sensteinwerke zu Altwasser, 
die südliche Citadelle von Antwerpen, aa deren Stelle ein neuer 
Stadttheil entstand, „Port Strousberg.“ Er erbaute in Berlin 
das große Viehmaikt-Eiablissement, nebst Schlachthäusern, Viehboörse 
und Eisenbahn, die Marlkthalle am Schiffbauer Damm, eine Anzahl 
Häuser und sein Palais in der Wilhelmsstraße; endlich erwarb er 
zehn große Hercjchaften in Ost⸗ und Westpreußen. in Posen und 
Brandenburg, Rittergüter, eine Grafschaft von 108,000 Morgen 
in Rufsisch⸗Polen. Als Juwel seiner Besitzungen betrachtete Strous⸗ 
berg die oͤsterreich sche Staatsdomane Zbirow (102, 000 Porgen 
45, 000 osterreichische Joch), für neun Millionen Gulden erworben 
Die Cjzechen sahen mit Mißtrauen die deutsche Aolonie Strousberg' 
schet Beamter und mit Unbehagen das altezeheshhe Schloß alc 
Strousberg'sche Familienburg restauriren. — 
In Betlin war der Haupisitz der Herrlichleit; in der hochari 
stokratischen Wilhelmstraße dehnte sich der Palast des Mannes den 
man ebenso oft ein „Genie“ als einen „Adeuteurer“ nennen hoͤrte 
In diesem Palais verlehtten Staatsmännet und Generale 
deren Namen der Geschichee angehören; Künstler erst n Ran— 
ges waren an der Aueschmückung thätig. Der königliche 
Baumeister A. Orth hat diese Heerlichleit geschaffen, Drake das 
Giebelbild mit einem Hautrelief geschmückt. Das Vestibule mit 
Oberlicht umfaßt zwei Stochwerke; eine Doppeltreppe aus weißem 
Marmor führt zu den Sälen. In Strousberg's Arbetazimmer 
bleibt das Auge haften an Vautier's berühmtem Bilde „Streitscene 
in der Kneipe,“ an unseres Petteulofen „Ungarische Zigeuner“, cn 
Gemälden bon Gerome, Fromentin. Links aus der Arde.tsftube 
tritt man in die „Bebliothek,“ ein Ovalraum mit Glaskuppel, in 
welchem 12.000 Bände u tergebracht sind, rechts ist das Billurd⸗ 
umnmer. Obem ist der fadelhoft luxur / dse Sbeisesaal Der Winteresnd'n wi Im augeweinen Interesse 
arten mit Taebengewan sen birgt hertlihe Marmorstatuen von n F gu peram abt, auf die im heutigen Blatte enthaltent 
Begas' Meisterrand. Angstaunt wurde irsbesondere der Musitsalon, Aueone es Oren Alsb —A edebe im in Ham— 
dessen — * —RE durch Giesreflecioren lageshen betcngi — ganz besonders hinzuwersen. Die angelündigten Originalloose 
wurde. Dinter einer dreiten Hraper'e war ein Apparat angedract, 740 wie der Aroßen und zahlreichen Gewinne bestens 
der eine senlrechte Mand niedersetzte und den Hintergrund einer empfehlen. Die Reellitat und Soliditat dieses Hauses ist be kannl 
Duhne bildete. Meifterwerke von Delactoix und des Dusseidorfern und dader natüel herAls die vielen dei demselben ein⸗ 
Sohn im Auftrage Steousberg's gemalter „Notariats-Att — — Austrage, welche eben so rasch als sorgfältig aubgeführt 
d en Salon“; dort sieht man die Calame's, die wereen⸗ 
eisterwerle Meissoniet's, Arbeiten von Rosa Bonheur. Und Wir ma je ieni jaene? 55 
dennoch wird dies Alles von der Bildergalletie der vielgepriesenen, Annonce der ee vj de in een Slag stehende 
eien — n I— ddaerangt und Louis Hamburg besonders aufmerksam. Es handelt a —* 
allait (, Trost in Tönen“), Knaus („Die Dorfhexe“) und di iginal⸗Loos duß mi 
—* ogen un diece Zit ae u sohact du Deihdrwinica uehn— 
e Wir sind weder Glaͤubiger Strousberga noch Concursmasse: hafte Betheiligung voraussetzen iäßt. Diefes —— uanee 
ommiffäre, um zu wissen, was von den Glücsgütern des Eifen das volle Vericauen, indem die besten Staatsgarantien geboten 
p noch en Besiz ist, was feitdem in andere Hände ind und auqh vorbenanntes Haus durch ein steiz streng reellen 
ergegangen, was nun ihem verloren geht oder ihm bleiben mag, handeln und Auszahlung zahlreicher Gewinne alllseits bekannt ist. 
Sein Stern ist allerdings schon seit Langem im Niedergange, unl 
eine Katastrophe wurde ebenso lange erwartet. Die Seifenblase 
d'e in allerhand Farben alänzte, ist zerplatzt. In Praz, in Böͤß 
men, in Ungarn wird der Sturz Strousoerg's schwer empfunden 
werden. Vor etwa drei Wochen schon lonnte Strousberg's Sohn 
— wir wissen nicht, ob der, velcher Spanien bereiste, oder ot 
der zweite, der Egypten mit einem Gelehrten zu seinem Vergnügen 
durchforschte — den an die Bubnaer Waggon ˖ Alktien-Gesellschaft 
schuldigen Wechsel in einem verhältnißmäßig sehr gerinzen Betrage 
nicht zur Zeit, sondern eist nach einiger Frist einlösen. Balt 
sonnten nicht einmal die Arbeiter zur Zeit bezahll werden. Nun 
st über Strousverg der Concurs eroͤffnet; er selbst befindet sich 
XV 
über den Wechsel alles Irdischen nachzjudenken. Das ist Koͤnig 
Strousberg's Glück und Ende! Der Rest gehört den Gerichten! 
(N. F. Pr.) 
Bermischrers. 
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dank-Inhaberin Pauline Dosch dahier wurde nunmehr vom Gant— 
Tommissaär Bezirksgerichtsrath Bauer der Vertheilungsplan ange— 
dertigt und treffen auf die Guthuben der Gläubiger vom Hundert: 
34 fl. 10 kr. 
f Das kgl. Bezirksgericht Pfarrkirchen hat einen Bierbrauer 
von Triftern wegen Faälschung des Bieres mittelst Farbstoffen zu 
80 Thlr. Geldstrafe veru rtheilt. 
FMannheim, 1. Nop. In der Heinrich Lanz'schen Ma— 
ichinenfabrik haben in groͤzerem Maße AUrdeiterentlassungen ftatt⸗ 
gefunden. 
Rheinbergq, 29. Oct. In der letzten Sißzung des hie⸗ 
figen Polizeigerichtes lam ein erwähne 8werther Fall vor, vessen 
Weiterverbreitung sowohl im Inseresse der Herrschaften, als der 
Dienstboten ist. Eine Magd war üder die ihr vou der Herrschaft 
dewilligte Zeti ausgedlieben. Hierfür sowie wegen anderer Fälle 
von Ungehorsam erkaunte das Gericht eine Gelobuße ven 5 Thlr. 
Gio transit gloria mundi.) Der frühere Bansdirectot 
einer jetzt liquidirenden Bank sucht Stellung als Hausknecht oder 
Portier. Adressen unter Ke5 in der Expedition dieser Zeitung. 
Also zu lesen im Inseratentheil der ‚Vofsischen Zeitung.“ 
f Ueber die Feuersbrunst zu Virginia City im Staate Ne— 
vada joird der Times weiterhin telegrophirt: ‚Der Schade wud 
'auf 7,500,000 D. geschätzt, wovon nur ein Drittel versichert ist. 
Ein Bergwerksschacht ist ausgebrannt. Die Andes-Mine warf 
gestern (27. d.) Abend eine 150 Fuß hohe Feuersäule empor 
Es w'rd jedenfalls zwei Monate dauern, bis die Minen so weit 
wieder bergestellt sind, daß die Arbeit wieder aufgenommen werden 
kann. Jetzt sind die Schachte noch mit Gasen gefüllt und die 
Bergleute koͤnnen nicht hinabsteigen. 5000 Arbeiter sind ohne Ee⸗ 
schaftigung und müssen diese anderswo suchen. Man schäßt den in 
Folge der Feueisbrunst entstehenden Ausfall an Edelmetall auf 2 
Millionen monatlich.“ — Ein Reisender und Geolog, Name 
dolf will in Alaska bedeutende Goldininen entdeckt haben. ni 
Dienstesnachrichten. 
Der Bezitksgecichtsrath Böcking in Kaiserslautern wurde aus 
Ansuchen nah Landau versetzt und der II. Staatsanwalt Stichter 
lin Zweibrücken zum Bezirkasgerichtsrath in Kaiserslautern befoöͤrdert. 
Der Landgerichtsschreiber Michel in Hornbach warde auf An⸗ 
suchen nach Odermoschel versetzt. 
Dem Notar Gink in Dahn wurde gestallet, den geprüften 
Rechtscandidaten Cuny aus Waldmohr auf ein weiteres Jahr ali 
Amsverwe ser zu bestellen. 
Der Schulverweser zu Freinsheir, Jak. Naumer, wurde zum 
Lehrer an der 4. prot. Lehreritelle zu Kandel ernannt.